Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB

Verfasst von
Max Hortmann
03 Oct 2025
Lesezeit:
15 Minuten
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Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB

1. Einleitung

Bedeutung der Reststrafenaussetzung

Die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ermöglicht es, den verbleibenden Teil einer Freiheitsstrafe nicht im Gefängnis, sondern auf Bewährung zu verbüßen. Für Betroffene bedeutet das: Statt die gesamte Strafe hinter Gittern abzusitzen, besteht die Chance auf eine vorzeitige Entlassung – verbunden mit Auflagen und Weisungen. Dieses Instrument ist nicht nur ein Akt der Gnade, sondern ein gesetzlich verankerter Bestandteil des Resozialisierungsgedankens. Es verbindet zwei Ziele: die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft und den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

Zentrale Bedeutung für Gefangene und Angehörige

Für Gefangene eröffnet die Reststrafenaussetzung die Möglichkeit, früher wieder Freiheit zu erlangen, soziale Kontakte zu pflegen und ein eigenverantwortliches Leben aufzubauen. Für Angehörige geht es nicht minder um viel: Eine frühere Entlassung bedeutet emotionale Stabilität, weniger Trennung und eine bessere Perspektive für gemeinsame Zukunftsplanung. Gerade deshalb zählt die Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung zu den wichtigsten Momenten im gesamten Strafvollzug.

Rolle des Anwalts

Die Rolle des Strafverteidigers oder Vollstreckungsanwalts ist in diesem Verfahren entscheidend. Denn die Voraussetzungen sind komplex, die Entscheidung liegt im Ermessen des Gerichts und hängt stark von einer günstigen Sozialprognose ab. Anwälte können:

  • die Erfolgsaussichten realistisch einschätzen,
  • gezielt Anträge vorbereiten,
  • fehlende Unterlagen und Gutachten beibringen,
  • und den Mandanten darauf vorbereiten, was im Verfahren besonders zählt.

Ohne anwaltliche Unterstützung besteht die Gefahr, dass wertvolle Chancen ungenutzt bleiben oder negative Prognosen den Ausgang bestimmen.

Voraussetzungen für die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB

Die Möglichkeit, eine Freiheitsstrafe nicht vollständig verbüßen zu müssen, sondern den Rest auf Bewährung zu verbüßen, ist für viele Gefangene und ihre Angehörigen ein Hoffnungsschimmer. § 57 StGB regelt genau, wann eine solche Reststrafenaussetzung möglich ist. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen der Zweidrittelregelung (Regelfall) und der Halbstrafenregelung (Ausnahmefall).

1. Die Zweidrittelregelung – der Regelfall

Die häufigste Form der Reststrafenaussetzung ist die Zweidrittelregelung (§ 57 Abs. 1 StGB). Sie setzt voraus:

  • Zeitliche Voraussetzung: Der Verurteilte muss mindestens zwei Drittel der Freiheitsstrafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt haben.
  • Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit: Das Gericht muss zu der Prognose gelangen, dass von dem Verurteilten keine weiteren Straftaten zu erwarten sind. Hierbei wird eine Abwägung zwischen dem Freiheitsinteresse des Gefangenen und dem Schutz der Allgemeinheit vorgenommen.
  • Einwilligung des Verurteilten: Ohne Zustimmung ist eine Entlassung nicht möglich.
  • Individuelle Faktoren: Berücksichtigt werden Persönlichkeit, Vorleben, Tatumstände, Verhalten im Vollzug sowie die sozialen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse.

👉 Die Zweidrittelregelung ist damit der „Normalweg“ zur vorzeitigen Entlassung.

2. Die Halbstrafenregelung – der Ausnahmefall

Unter bestimmten Umständen kann eine Reststrafenaussetzung auch schon nach der Hälfte der Strafe erfolgen (§ 57 Abs. 2 StGB):

  • Erstverbüßerprivileg: Wenn der Verurteilte zum ersten Mal eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese nicht länger als zwei Jahre dauert.
  • Besondere Umstände: In allen anderen Fällen nur dann, wenn besondere Umstände eine vorzeitige Aussetzung rechtfertigen (z. B. außergewöhnlich positives Vollzugsverhalten, starke soziale Einbindung, ernsthafte Therapie).

Auch hier gilt: Die allgemeinen Voraussetzungen der Zweidrittelregelung – insbesondere die positive Sozialprognose – müssen erfüllt sein.

👉 Die Halbstrafenregelung ist also restriktiv und kommt nur in besonderen Konstellationen in Betracht.

3. Unterschied zwischen Halbstrafen- und Zweidrittelregelung

  • Zweidrittelregelung: Standard, weniger streng, keine „besonderen Umstände“ erforderlich.
  • Halbstrafenregelung: Ausnahme, nur für Erstverbüßer mit Strafen bis zwei Jahre oder bei besonderen Umständen.

Mandanten sollten sich deshalb bewusst sein: Die meisten Entlassungen erfolgen nach der Zweidrittelregelung. Eine Halbstrafenentlassung muss immer besonders gut begründet werden.

4. Verfassungsrechtlicher Hintergrund – Resozialisierung als Vollzugsziel

Die Reststrafenaussetzung ist kein Gnadenakt, sondern Ausdruck eines verfassungsrechtlich geschützten Prinzips:

  • Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG): Jeder Gefangene bleibt Träger unveräußerlicher Rechte. Strafe darf nicht Selbstzweck sein.
  • Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG): Die Freiheit ist ein zentrales Grundrecht, Einschränkungen müssen verhältnismäßig sein.
  • Resozialisierung: Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass Resozialisierung das zentrale Ziel des Strafvollzugs ist. Gefangene sollen eine echte Chance bekommen, wieder in die Gesellschaft zurückzukehren.

👉 Genau hier setzt § 57 StGB an: Er schafft einen geregelten Weg zur Freiheit, wenn die Sicherheit der Allgemeinheit es erlaubt und die individuelle Entwicklung dafür spricht.

Fazit

Die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist ein gesetzlich verankerter Anspruch, kein Gnadenrecht. Sie bietet Verurteilten die Möglichkeit, früher entlassen zu werden – im Gegenzug müssen sie Auflagen und Bewährungsauflagen akzeptieren.

  • Zweidrittelregelung: der Normalfall.
  • Halbstrafenregelung: selten, aber möglich bei Erstverbüßern oder besonderen Umständen.
  • Verfassungsrechtlicher Kern: Resozialisierung und Schutz der Menschenwürde.

👉 Für Mandanten bedeutet das: Mit guter Vorbereitung, klarer Perspektive und anwaltlicher Unterstützung können die Chancen auf eine vorzeitige Entlassung erheblich steigen.

Voraussetzungen für die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung

Die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB eröffnet die Chance, einen Teil der Freiheitsstrafe auf Bewährung zu verbüßen. Damit das gelingt, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Diese betreffen einerseits den Zeitpunkt der Verbüßung, andererseits die Person und das Verhalten des Gefangenen sowie eine sorgfältige Abwägung mit dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit.

3.1 Zeitliche Voraussetzungen

Zweidrittelregelung – der Regelfall

Die Entlassung nach zwei Dritteln der Strafe ist der Normalfall. Voraussetzungen:

  • Zwei Drittel der Freiheitsstrafe müssen verbüßt sein, mindestens aber zwei Monate.
  • Die Entlassung muss „verantwortbar“ sein, d. h. sie darf nicht das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit gefährden.
  • Der Verurteilte muss einwilligen.

👉 Das bedeutet: Wer 3 Jahre Haft verbüßt, kann nach 2 Jahren einen Antrag stellen.

Halbstrafenregelung – die Ausnahme

In besonderen Fällen ist eine Entlassung schon nach der Hälfte der Strafe möglich:

  • Wenn es sich um die erste Freiheitsstrafe handelt und diese zwei Jahre nicht übersteigt.
  • Oder wenn besondere Umstände vorliegen, die eine vorzeitige Entlassung rechtfertigen.

👉 Die Halbstrafenregelung ist also ein Ausnahmeprivileg, das vor allem Erstverbüßern zugutekommt.

3.2 Persönliche Voraussetzungen

Die bloße Verbüßung eines Teils der Strafe reicht nicht aus. Entscheidend ist die Sozialprognose, die das Gericht treffen muss. Dabei spielen folgende Punkte eine Rolle:

  • Erstverbüßer vs. Wiederholungstäter: Erstverbüßer haben bessere Chancen, da schon die erste Haft oft eine starke Abschreckung darstellt. Wiederholungstäter und Personen mit gebrochenen Bewährungen werden strenger beurteilt.
  • Verhalten im Vollzug: Disziplinarfreies Verhalten, die Teilnahme an Arbeit, Ausbildung, Therapie oder Weiterbildung sind Grundvoraussetzungen. Allein ein unauffälliges Verhalten genügt aber nicht – es braucht aktive Mitwirkung an der Resozialisierung.
  • Soziale Perspektiven: Ein gesicherter Arbeitsplatz, eine Wohnung und die Unterstützung durch Familie oder Freunde erhöhen die Chancen erheblich. Ohne klare Perspektive wird eine günstige Prognose schwer.

👉 Kurz: Je stabiler das soziale Umfeld und je aktiver die Mitwirkung im Vollzug, desto größer die Chance auf eine Entlassung.

3.3 Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit

Die Reststrafenaussetzung ist immer eine Abwägung: Auf der einen Seite das Freiheitsinteresse des Verurteilten, auf der anderen Seite das Schutzbedürfnis der Gesellschaft.

  • Vorstrafen: Wer schon mehrfach straffällig wurde, hat schlechtere Karten.
  • Rückfallrisiken: Das Gericht prüft, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass weitere Straftaten folgen.
  • Gutachten und Vollzugsberichte: Oft werden psychiatrische oder psychologische Prognosegutachten eingeholt. Eine positive Prognose setzt voraus, dass die Ursachen der Straftat (z. B. Sucht, Aggression, Schuldenprobleme) bearbeitet wurden.

👉 Gerade die Frage der Prognose entscheidet in der Praxis: Ohne ein tragfähiges Gutachten wird kaum eine Reststrafenaussetzung bewilligt.

Fazit

Die Voraussetzungen für eine Reststrafenaussetzung sind streng, aber erfüllbar:

  • Zeitlich: Zwei Drittel als Standard, die Hälfte nur bei Erstverbüßern oder besonderen Umständen.
  • Persönlich: Positives Vollzugsverhalten und stabile Lebensperspektiven.
  • Sicherheit: Keine ernsthafte Gefahr neuer Straftaten.

👉 Für Mandanten bedeutet das: Eine gute Vorbereitung – oft gemeinsam mit einem Anwalt – ist entscheidend. Arbeitsangebote, Wohnungszusagen und stabile soziale Bindungen können den Ausschlag geben, ob ein Antrag erfolgreich ist oder nicht.

4. Verfahren der Reststrafenaussetzung: Zuständigkeit und Rolle von Gutachten

Die Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung ist kein Automatismus, sondern ein förmliches Verfahren. Es beginnt mit einem Antrag des Verurteilten und endet mit einem Beschluss der Strafvollstreckungskammer. Dabei spielen die Zuständigkeit des Gerichts und vor allem die Gutachten und Stellungnahmen eine entscheidende Rolle.

1. Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer

Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts, in dessen Bezirk sich die Justizvollzugsanstalt befindet, in der der Verurteilte einsitzt (§ 462a Abs. 1 StPO).

  • Wechsel der Zuständigkeit: Wird ein Gefangener in eine andere JVA verlegt, kann damit auch die Zuständigkeit wechseln – solange die bisherige Kammer noch nicht entschieden hat. Das kann in der Praxis zu Verzögerungen führen.
  • Mündliche Anhörung: Vor der Entscheidung hat der Verurteilte Anspruch auf mündliche Anhörung. Diese kann durch ein Mitglied der Kammer erfolgen. Nur wenn keine wesentlichen neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, darf das Gericht schriftlich entscheiden.

👉 Für Mandanten bedeutet das: Der Wohnort der JVA bestimmt das Gericht – und Verlegungen können das Verfahren komplizieren.

2. Rolle der Gutachten und Stellungnahmen

Ohne eine positive Prognose wird kaum eine Reststrafenaussetzung bewilligt. Hierfür greift die Kammer regelmäßig auf verschiedene Quellen zurück:

  • Prognosegutachten: Psychiatrische oder psychologische Gutachten sind oft entscheidend, wenn es um die Frage geht, ob Rückfallgefahr besteht. Die Strafvollstreckungskammer darf ein solches Gutachten anordnen (§ 454 Abs. 2 StPO).
  • Vollzugsplanberichte: Die Justizvollzugsanstalt erstellt regelmäßig Berichte über das Verhalten im Vollzug, Disziplinarverstöße, Teilnahme an Arbeit oder Therapien. Diese Stellungnahmen haben erhebliches Gewicht, weil sie den Alltag des Gefangenen am besten abbilden.

Probleme in der Praxis

  • Oberflächliche Gutachten: Manche Gutachten bleiben an der Oberfläche oder basieren auf kurzen Gesprächen. Das kann zu unzutreffend negativen Prognosen führen.
  • Verspätete Gutachten: Oft werden Gutachten erst kurz vor der Entscheidung vorgelegt, sodass kaum Zeit bleibt, Einwendungen vorzubringen.
  • Verfahrensfehler: Wenn ein Sachverständiger ein negatives Gutachten erstellt, muss er in der Regel mündlich angehört werden (§ 454 Abs. 2 S. 3 StPO). Unterbleibt dies, kann das ein Fehler sein, der die Entscheidung angreifbar macht.

👉 Hier setzt die Arbeit des Anwalts an: Gutachten prüfen, Gegengutachten anregen und auf die Anhörung drängen, wenn die Prognose negativ ist.

3. Ablauf des Verfahrens

Der Ablauf lässt sich in vier Schritten zusammenfassen:

  1. Antrag: Der Verurteilte (oder sein Anwalt) stellt einen Antrag auf Reststrafenaussetzung.
  2. Stellungnahme: Die Justizvollzugsanstalt gibt eine Einschätzung zum Vollzugsverlauf und zur Prognose ab.
  3. Gutachten: Falls notwendig, wird ein psychologisches oder psychiatrisches Prognosegutachten eingeholt.
  4. Anhörung und Entscheidung: Der Verurteilte wird mündlich angehört; auch der Sachverständige kann geladen werden. Anschließend entscheidet die Strafvollstreckungskammer.

4. Verfahrensfehler und deren Folgen

Fehler im Verfahren sind nicht selten – und sie können entscheidend sein:

  • Nichtanhörung von Gutachtern: Wird ein negativer Sachverständiger nicht mündlich gehört, ist das ein Verstoß gegen Verfahrensrecht. Solche Beschlüsse können erfolgreich angefochten werden.
  • Unzureichende Vollzugsberichte: Wenn Stellungnahmen der Anstalt oberflächlich oder verspätet sind, kann das Verfahren verzerrt werden. Hier hilft anwaltlicher Druck, damit das Gericht die bestmögliche Grundlage für seine Entscheidung hat.

Fazit

Das Verfahren zur Reststrafenaussetzung ist komplex und stark von Gutachten und Stellungnahmen geprägt. Für Gefangene bedeutet das: Ohne fundierte und faire Prognose sinken die Chancen erheblich.

👉 Genau deshalb ist anwaltliche Begleitung so wichtig:

  • Sie sorgt dafür, dass Gutachten überprüft und hinterfragt werden.
  • Sie achtet auf Verfahrensfehler, die eine Ablehnung anfechtbar machen.
  • Sie bereitet den Mandanten auf die mündliche Anhörung vor, die oft der entscheidende Moment ist.

Die Reststrafenaussetzung ist ein gesetzlich verankerter Anspruch – und kein Gnadenakt. Wer seine Rechte kennt und aktiv durchsetzt, kann früher in Freiheit entlassen werden.

5. Auflagen und Weisungen bei Reststrafenaussetzung

Eine Reststrafenaussetzung ist immer mit Pflichten verbunden. Wer vorzeitig in Freiheit kommt, muss zeigen, dass er diese Chance nutzen und keine weiteren Straftaten begehen wird. Deshalb knüpfen Gerichte die Entlassung an Auflagen und Weisungen.

Typische Auflagen und Weisungen

  • Bewährungshelfer: Fast immer wird ein Bewährungshelfer bestellt. Er begleitet den Entlassenen, überwacht die Einhaltung der Auflagen und dient als Ansprechpartner.
  • Wohnsitzauflage: Der Entlassene muss jeden Wohnsitzwechsel melden. Das Gericht will sicherstellen, dass er jederzeit erreichbar ist.
  • Arbeitsaufnahme: Wer arbeitet, hat Struktur im Alltag und eine legale Einkommensquelle. Deshalb wird oft die Verpflichtung ausgesprochen, eine Arbeit aufzunehmen oder aktiv nach einer zu suchen.
  • Schadenswiedergutmachung: Wenn durch die Straftat ein Schaden entstanden ist, kann das Gericht verlangen, dass dieser beglichen oder durch gemeinnützige Arbeit teilweise ausgeglichen wird.

Folgen von Verstößen

Wer gegen Auflagen verstößt, riskiert viel:

  • Widerruf (§ 56f StGB): Bei schweren oder wiederholten Verstößen kann die Aussetzung widerrufen werden – die Reststrafe muss dann abgesessen werden.
  • Mildere Maßnahmen: Nicht jeder Verstoß führt sofort zurück ins Gefängnis. Manchmal reichen strengere Auflagen oder eine Verlängerung der Bewährungszeit.

👉 Für Mandanten bedeutet das: Auflagen sind ernst zu nehmen. Sie sind nicht Schikane, sondern Bedingung für die Freiheit.

Bedeutung anwaltlicher Begleitung

Ein Anwalt kann schon im Vorfeld darauf hinwirken, dass die Auflagen realistisch und erfüllbar sind. Beispiel: Statt einer unkonkreten Arbeitsauflage („suchen Sie Arbeit“) kann vereinbart werden, dass Bewerbungsbemühungen regelmäßig nachgewiesen werden müssen. So lassen sich spätere Konflikte vermeiden.

6. Typische Probleme und Fallstricke

In der Praxis gibt es immer wieder Schwierigkeiten im Verfahren der Reststrafenaussetzung. Die wichtigsten sind:

Abgelehnte Aussetzungen wegen pauschaler negativer Prognose

Manche Gerichte lehnen mit der Begründung ab, die Prognose sei „nicht günstig“, ohne die Umstände im Detail zu prüfen. Das ist problematisch: Die Entscheidung muss eine umfassende Abwägung enthalten. Anwälte können hier erfolgreich angreifen und auf eine neue Prüfung drängen.

Überlange Verfahrensdauer

Oft dauert es Monate, bis eine Strafvollstreckungskammer entscheidet. Für die Betroffenen bedeutet das: unnötige Haftzeit und massive Unsicherheit. Das Bundesverfassungsgericht betont aber regelmäßig das Beschleunigungsgebot in Vollstreckungsverfahren.

Fehlende soziale Perspektiven

Viele Entlassungen scheitern daran, dass kein fester Wohnsitz oder Arbeitsplatz vorhanden ist. Ohne Perspektive gibt es keine günstige Sozialprognose. Ein Anwalt kann helfen, frühzeitig mit Angehörigen, Arbeitgebern oder Hilfsorganisationen Lösungen zu entwickeln.

Unterschiedliche Praxis der Strafvollstreckungskammern

Nicht jede Kammer entscheidet gleich. In manchen Bundesländern werden Halbstrafenaussetzungen großzügiger geprüft, in anderen sehr restriktiv. Das führt zu Ungleichbehandlungen, die nur durch sorgfältige Vorbereitung und strategisches Vorgehen ausgeglichen werden können.

Zusammenfassung

Die Reststrafenaussetzung ist ein starkes Instrument der Resozialisierung – aber sie ist mit Pflichten verbunden. Auflagen und Weisungen müssen eingehalten werden, sonst droht der Widerruf. Gleichzeitig gibt es typische Fallstricke: pauschale Prognosen, lange Verfahrensdauer, fehlende Perspektiven und regionale Unterschiede.

👉 Hier zeigt sich die Bedeutung der anwaltlichen Begleitung: Der Anwalt sorgt für realistische Auflagen, prüft negative Entscheidungen kritisch, entwickelt mit dem Mandanten Resozialisierungsperspektiven und greift Verzögerungen an. So steigen die Chancen erheblich, dass die Reststrafenaussetzung bewilligt wird – und die Freiheit früher zurückkehrt.

7. Rolle des Anwalts

Die Reststrafenaussetzung ist kein Selbstläufer. Auch wenn die Voraussetzungen im Gesetz stehen, entscheidet am Ende eine Strafvollstreckungskammer im Rahmen einer Prognose. Für Gefangene bedeutet das: Eine gute Vorbereitung entscheidet über Freiheit oder weitere Haftzeit. Genau hier setzt die Arbeit des Anwalts an.

Vorbereitung des Antrags

Ein erfahrener Anwalt stellt sicher, dass alle relevanten Unterlagen vorgelegt werden. Dazu gehören:

  • Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt,
  • Nachweise über ein stabiles soziales Umfeld (z. B. Familienkontakte, Wohnsituation),
  • Arbeits- oder Ausbildungsangebote,
  • Unterlagen zu Therapien oder Bildungsmaßnahmen im Vollzug.

Diese Dokumente sind entscheidend, um eine positive Sozialprognose zu untermauern.

Überprüfung und Anfechtung negativer Gutachten

Häufig scheitern Anträge an negativen Gutachten. Anwälte prüfen daher genau, ob diese auf einer tragfähigen Grundlage beruhen. Wenn nötig, regen sie Gegengutachten an und überprüfen, ob das Gericht seiner Pflicht zur bestmöglichen Sachaufklärung nachgekommen ist. Schon formale Fehler – etwa das Unterlassen einer notwendigen Anhörung des Gutachters – können eine Entscheidung angreifbar machen.

Strategien im Anhörungstermin

Der Anhörungstermin ist oft der entscheidende Moment. Ein Anwalt bereitet den Verurteilten darauf vor, seine Entwicklung glaubwürdig darzustellen. Es geht darum, dem Gericht zu zeigen:

  • Der Betroffene hat aus der Tat gelernt,
  • er verfügt über stabile Perspektiven für die Zukunft,
  • und er stellt keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit dar.

Die Argumentation stützt sich dabei stets auf den Spannungsbogen zwischen Freiheitsrecht und Sicherheitsinteressen.

Unterstützung von Angehörigen

Auch die Familie spielt eine zentrale Rolle. Ein Anwalt bindet Angehörige in die Entlassungsvorbereitung ein – etwa durch Bestätigungen zu Wohnsituation, Arbeitsplatz oder familiärer Unterstützung. So wird sichtbar, dass der Verurteilte nach seiner Entlassung sofort in ein stabiles Umfeld zurückkehren kann.

8. Fazit und Handlungsempfehlungen

Die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist kein Gnadenakt, sondern ein gesetzlich verankerter Anspruch, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

  • Resozialisierung im Vordergrund: Ziel ist es, Gefangene rechtzeitig in die Gesellschaft zurückzuführen, solange keine erhebliche Gefahr mehr besteht.
  • Gesetzliche Abwägung: Die Entscheidung ist stets ein Balanceakt zwischen den Freiheitsinteressen des Verurteilten und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit.
  • Bedeutung für Betroffene: Eine erfolgreiche Aussetzung eröffnet die Chance auf einen früheren Neubeginn, ein eigenverantwortliches Leben und soziale Stabilität.

Handlungsempfehlungen

  • Frühzeitig anwaltliche Beratung suchen: Bereits Monate vor Erreichen des Halbstrafen- oder Zweidrittelzeitpunkts sollten Unterlagen gesammelt und Strategien entwickelt werden.
  • Soziale Perspektiven sichern: Arbeitsplatz, Wohnung und familiäre Unterstützung sind die tragenden Säulen einer positiven Prognose.
  • Gutachten nicht ungeprüft akzeptieren: Negative Gutachten können überprüft und angefochten werden.
  • Anhörungstermin aktiv vorbereiten: Authentisches Auftreten und eine konsistente Darstellung sind oft ausschlaggebend.

👉 Kurz gesagt: Wer vorbereitet ist und anwaltliche Unterstützung nutzt, steigert seine Chancen auf Reststrafenaussetzung erheblich. Freiheit ist kein Zufall – sie ist das Ergebnis von Strategie, Vorbereitung und konsequenter Rechtsdurchsetzung.

Max Hortmann
Rechtsanwalt
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