Beteiligungsstrukturen und Vertragsketten – Schriftform bei Mehrparteienverhältnissen
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Beteiligungsstrukturen und Vertragsketten – Schriftform bei Mehrparteienverhältnissen
Einleitung
Je mehr Gesellschaften und Vertreter an einem Gewerbemietvertrag beteiligt sind, desto höher ist das Risiko von Formfehlern. Ob GbR, GmbH & Co. KG, Joint-Venture oder Konzernmieter – bei Mehrparteienverhältnissen entscheidet die korrekte Unterschriftskette über Bestand oder Kündbarkeit des Vertrags.
§ 550 BGB verlangt, dass der gesamte Vertragsinhalt einschließlich aller Vertragsparteien aus der Urkunde selbst hervorgeht. Bereits kleine Abweichungen in der Firmierung, im Vertretungszusatz oder in der Unterschriftenreihenfolge können dazu führen, dass ein auf zehn Jahre geplanter Vertrag vorzeitig kündbar wird. Der folgende Beitrag zeigt, wie Schriftformverstöße in komplexen Gesellschaftsstrukturen entstehen und wie sie rechtssicher vermieden werden.
Rechtlicher Rahmen – Schriftform bei Mehrparteienverträgen
Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB gilt unabhängig von der Anzahl der Beteiligten. Beteiligt sind häufig mehrere juristische Personen, Personengesellschaften oder natürliche Personen, die gemeinsam als Vermieter oder Mieter auftreten. Die Unterschriftspflicht richtet sich nach der jeweiligen Vertretungsregelung (§§ 164 BGB, 125 S. 2 BGB).
Die Rechtsprechung verlangt:
Alle Vertragsparteien müssen aus der Urkunde klar ersichtlich sein.
Die Unterschriften müssen erkennen lassen, wer für wen handelt.
Bei Gesellschaften muss die Vertretungsbefugnis aus der Urkunde oder einem beigefügten Nachweis hervorgehen.
Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt ein Schriftformmangel vor, der das Mietverhältnis kündbar macht (§ 550 BGB).
Verträge zwischen mehreren Gesellschaften
In der Praxis werden häufig Mietverträge zwischen GbR-Gesellschaftern, einer GmbH & Co. KG oder zwischen Joint-Venture-Konstruktionen geschlossen. Das Problem: Die Unterschriften erfolgen oft uneinheitlich – ein Gesellschafter unterzeichnet ohne Zusatz, ein anderer im Namen der Gesellschaft, ein dritter „i.A.“ oder „ppa.“.
Das OLG Hamm (30 U 53/10) entschied, dass die Unterzeichnung eines Mietvertrags durch nur einen GbR-Gesellschafter ohne Vertretungszusatz die Schriftform verletzt. Der Vertrag war kündbar, weil aus der Urkunde nicht hervorging, dass der Unterzeichner für alle Mitgesellschafter handelte.
Gleiches gilt bei GmbH & Co. KG-Strukturen: Unterschreibt nur der Kommanditist oder ein nicht vertretungsberechtigter Prokurist, fehlt es an der formgerechten Erklärung.
Futuristische Darstellung eines Vertragsdokuments mit mehreren digitalen Unterschriften – Symbol für Beteiligungsstrukturen und Vertragsketten im Gewerbemietrecht.
Vertretungsregelungen und Abweichungen
Fehler in der Firmierung oder bei der Vertretungsangabe sind die häufigsten Ursachen für Schriftformverstöße in Corporate-Verträgen. Beispiele aus der Praxis:
Im Mietvertrag steht „ABC Projektentwicklung GbR“, unterschrieben wird aber von „ABC Projektentwicklung GmbH“.
Zwei Gesamtvertreter unterschreiben getrennt auf unterschiedlichen Exemplaren.
Ein Firmenstempel ersetzt die Unterschrift ohne Zusatz.
In allen Fällen fehlt die eindeutige Zurechnung. Ein Firmenstempel kann die Schriftform nicht ersetzen (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Das gilt selbst dann, wenn aus der begleitenden Korrespondenz die Parteien ersichtlich wären – § 550 BGB verlangt Klarheit aus der Urkunde selbst.
Vertreterkaskaden und Unterschriftsketten
Bei institutionellen Vermietern oder Fondsstrukturen entsteht oft eine Vertreterkaskade: Der Vertrag wird im Namen der Objektgesellschaft durch die Holding unterschrieben, vertreten durch die Verwaltung, handelnd für die Geschäftsführung.
Jede zusätzliche Ebene erhöht das Risiko von Formfehlern. Fehlt auf einer Stufe die dokumentierte Vollmacht oder der korrekte Vertretungszusatz („für die XYZ Real Estate GmbH & Co. KG, vertreten durch die A Verwaltungsgesellschaft mbH, Geschäftsführer M.“), ist die Schriftform verletzt.
Die Folge: Der Vertrag kann als unbefristet gelten und mit Frist gekündigt werden. Solche Fälle treten häufig in Joint-Venture-Strukturen auf, bei denen die Zuständigkeiten zwischen Asset- und Property-Management nicht klar geregelt sind.
Corporate-Governance-Bezug: GmbH & Co. KG und interne Beschlüsse
Bei Gesellschaftsstrukturen mit mehreren Entscheidungsebenen (z. B. GmbH & Co. KG) müssen zusätzlich interne Beschluss- oder Zeichnungsregeln eingehalten werden. Das OLG Düsseldorf (7 U 219/20) entschied, dass der Abschluss eines langfristigen Mietvertrags ohne erforderlichen Gesellschafterbeschluss unzulässig sein kann – auch wenn der Vertrag nach außen ordnungsgemäß unterzeichnet wurde.
Für die Schriftform bedeutet das: Fehlt der Nachweis der internen Legitimation, kann die Wirksamkeit zwar nach außen bestehen, aber das Vertragsverhältnis bleibt angreifbar, wenn der Beschluss im Streitfall nicht nachgewiesen wird.
Praktische Herausforderungen im Vertragsmanagement
In komplexen Unternehmensstrukturen sind mehrere Personen an der Unterzeichnung beteiligt – Geschäftsführer, Prokuristen, Fondsmanager, externe Verwalter. Die Gefahr liegt weniger in der fehlenden Absicht, sondern in der formellen Nachvollziehbarkeit.
Fehlt eine Unterschrift oder weicht die Reihenfolge ab, lässt sich später nicht mehr eindeutig feststellen, ob der Vertrag vollständig unterzeichnet wurde. Das kann ausreichen, um den Schriftformverstoß zu begründen.
Gerade bei internationalen Konzernen mit zentraler Unterschriftsregelung außerhalb Deutschlands ist Vorsicht geboten: Eine im Ausland geleistete elektronische Signatur genügt den deutschen Formerfordernissen meist nicht.
Rechtsprechung und Literatur
OLG Hamm (30 U 53/10): Unterschrift nur eines GbR-Gesellschafters ohne Vertretungszusatz verletzt die Schriftform.
OLG Düsseldorf (7 U 219/20): Fehlender Gesellschafterbeschluss bei GmbH & Co. KG kann zur Unwirksamkeit führen.
Späth, ZMR 2010: betont, dass auch interne Vertretungsfehler die Formwirkung zerstören, selbst wenn alle Parteien inhaltlich einig waren.
Damit ist klar: Schriftformverstöße entstehen nicht nur durch fehlende Seiten, sondern oft im Unterschriftenfeld.
Beweislast und Prozessführung
Im Streitfall trägt derjenige, der sich auf den Formmangel beruft, die Beweislast. Doch die Beweisführung ist schwierig: Liegt ein formunwirksamer Vertrag vor, wird der Vermieter gezwungen, die ordnungsgemäße Unterzeichnung und Vertretung nachzuweisen.
Deshalb sollten alle Vollmachten, Beschlüsse und Vertretungsnachweise dauerhaft in der Vertragsakte archiviert werden. Ein gut dokumentierter Signatur-Workflow – etwa durch digitale Signaturplattformen mit Vollmachtsnachweis – kann im Prozess entscheidend sein.
Strategische Bedeutung und Mandatsnutzen
Für Kanzleien liegt hier ein wichtiges Beratungsfeld: Die Schriftformprüfung in Mehrparteienverhältnissen kombiniert Gesellschafts-, Immobilien- und Prozessrecht.
Mandatsnutzen für Vermieter:
Prüfung interner Zeichnungs- und Beschlussstrukturen,
Absicherung von Corporate-Portfolios,
Entwicklung einheitlicher Signaturprozesse.
Mandatsnutzen für Mieter:
Analyse komplexer Vertretungsfehler als Angriffspunkt zur Vertragsauflösung,
strategische Nutzung von Formmängeln in Verhandlungen.
Die Kenntnis dieser Mechanismen kann über Millionenwerte entscheiden.
Prävention und Handlungsempfehlungen
Vertragspartner prüfen: Gesellschaftsstruktur und Vertretungsbefugnis vor Unterzeichnung abfragen.
Unterschriftszusätze vollständig: Jeder Unterzeichner mit Namen, Funktion und Gesellschaft.
Einheitliche Urkunde: Keine getrennten Unterschriftsseiten.
Corporate-Protokolle: Gesellschafterbeschlüsse dokumentieren und beifügen.
Digitale Signaturverfahren: Nur mit verifizierter Identität und Vollmachtsnachweis.
Futuristische Darstellung eines Vertragsdokuments mit mehreren digitalen Unterschriften – Symbol für Beteiligungsstrukturen und Vertragsketten im Gewerbemietrecht.
Fazit
Schriftformfehler in Mehrparteienverhältnissen sind ein Produkt moderner Unternehmensstrukturen. Je größer die Corporate-Kette, desto anfälliger wird der Vertrag. Die formelle Kontrolle über Zeichnung, Vollmacht und Beschluss ist daher keine Bürokratie – sie ist Bestandssicherung.
Wer die Schriftform beherrscht, schützt nicht nur Verträge, sondern auch Renditen.
Schriftform im Gewerbemietrecht – Die häufigsten Fehlerquellen
Wenn Schriftformverstöße zur Kündigung führen: Im Gewerbemietrecht entscheidet die Einhaltung der Schriftform nach § 550 BGB oft über Millionenwerte. Diese Serie zeigt, wo die gefährlichsten Formfehler lauern – und wie Mieter oder Vermieter sie strategisch nutzen können.
Fazit & Kontakt Die Schriftform ist mehr als Formalie – sie ist ein juristisches Werkzeug. Wenn Sie vermuten, dass Ihr Mietvertrag fehlerhaft ist oder eine strategische Prüfung wünschen: 👉 Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung.
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