Bauzeitverzögerung im Bauträgervertrag – Schadensersatz und Nachfristsetzung

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Bauzeitverzögerung im Bauträgervertrag – Schadensersatz und Nachfristsetzung
Einleitung
Bauträgerverträge stellen eine komplexe Mischform aus Kauf- und Werkvertrag dar. Während der Erwerber die Immobilie bereits während der Bauphase finanziert, schuldet der Bauträger die rechtzeitige und mangelfreie Fertigstellung. Gerät das Bauvorhaben in Verzug, drohen erhebliche finanzielle Schäden – etwa durch Bereitstellungszinsen, Zwischenmieten oder entgangene Mieteinnahmen.
Die rechtliche Handhabung von Bauzeitverzögerungen erfordert die Abgrenzung zwischen Rücktritts-, Schadensersatz- und Nachfristrechten. Insbesondere die Frage, ob eine Nachfristsetzung erforderlich ist oder ob der Erwerber sofort zurücktreten darf, hängt von der Vertragsauslegung und der Zumutbarkeit ab.
Der Beitrag analysiert die aktuelle Rechtsprechung und zeigt, wie Käufer ihre Rechte effektiv sichern und Bauträger ihre Haftungsrisiken begrenzen können.
1. Rücktritt vom Vertrag ohne Nachfristsetzung
Nach der Rechtsprechung kann ein Bauträgervertrag in bestimmten Fällen als relatives Fixgeschäft ausgestaltet sein. In solchen Fällen verliert die Leistung bei verspäteter Fertigstellung ihren wirtschaftlichen Sinn, sodass ein Rücktritt auch ohne Nachfristsetzung möglich ist.
Das OLG Sachsen-Anhalt (Urt. v. 24. 09. 2015 – 9 U 82/14) entschied, dass der Käufer bei einem vertraglich fest vereinbarten Fertigstellungstermin zurücktreten kann, wenn dieser Termin wesentlich überschritten wird und das Bauobjekt für ihn nicht mehr rechtzeitig nutzbar ist. Dies gilt insbesondere bei Anlageobjekten oder bei Verträgen, in denen die zeitnahe Bezugsfertigkeit ausdrücklich Vertragsgrundlage ist.
Der Rücktritt ohne Nachfrist setzt voraus, dass der Termin als essentielle Vertragspflicht vereinbart wurde und die Verzögerung nicht auf einem vom Erwerber zu vertretenden Umstand beruht.
2. Nachfristsetzung und Voraussetzungen
In der Regel ist eine Nachfristsetzung erforderlich, bevor Schadensersatz oder Rücktritt verlangt werden kann (§ 323 BGB). Die Frist muss angemessen sein und eine Ablehnungsandrohung enthalten (§ 281 BGB).
Nach dem KG Berlin (Urt. v. 24. 06. 2025 – 21 U 156/24) ist eine Nachfrist von zwei bis drei Wochen bei Bauverzögerungen regelmäßig angemessen, sofern der Bauträger die Fertigstellung nicht durch höhere Gewalt oder fehlende Mitwirkung des Käufers verzögert.
Eine unangemessen kurze Frist wird nicht automatisch unwirksam, sondern kann in eine angemessene Frist umgedeutet werden (OLG Stuttgart 26. 04. 2001 – 19 U 217/00). Ein Verzicht auf die Nachfrist ist nur in Ausnahmefällen möglich, etwa bei arglistigem Verhalten des Bauträgers oder wenn die Fristsetzung objektiv unzumutbar ist (OLG Düsseldorf 07. 07. 2022 – I-21 U 9/22).
Für die Praxis bedeutet das: Käufer sollten ihre Fristsetzung stets schriftlich formulieren, den konkreten Termin benennen und eine klare Ablehnungsandrohung aufnehmen („Nach Ablauf dieser Frist lehnen wir die Erfüllung ab und machen Schadensersatz geltend“).
3. Schadensersatzansprüche bei Bauverzug
Gerät der Bauträger in Verzug, kann der Erwerber nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB Verzögerungsschäden geltend machen. Voraussetzung ist eine wirksame Mahnung oder Nachfristsetzung.
Typische Schadenspositionen sind:
- Mietkosten für Ersatzwohnungen,
- Bereitstellungszinsen für Darlehen,
- Mehraufwand für Zwischenlagerung oder doppelte Umzüge,
- entgangene Mieteinnahmen bei Anlageobjekten.
Das OLG Düsseldorf (I-21 U 9/22) bestätigte, dass solche Kosten zu ersetzen sind, wenn der Bauträger die Verzögerung zu vertreten hat. Eine pauschale Berufung auf Material- oder Fachkräftemangel reicht nicht aus, um den Verzug zu entschuldigen.
Für die Höhe des Schadens gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot: Nur adäquat kausale und nachgewiesene Kosten sind erstattungsfähig. Käufer sollten daher Belege und Zahlungsnachweise sorgfältig aufbewahren.

4. Vertragsklauseln und AGB-Kontrolle
Viele Bauträgerverträge enthalten Klauseln, die die Rechte der Erwerber bei Bauzeitverzögerung einschränken – etwa Mindestnachfristen von zwei Monaten oder pauschale Haftungsausschlüsse.
Nach dem OLG Frankfurt (Urt. v. 26. 10. 2022 – 29 U 62/21) sind solche Klauseln unwirksam, wenn sie den Käufer unangemessen benachteiligen oder intransparent formuliert sind (§ 307 BGB). Eine starr vorgegebene Nachfrist von zwei Monaten verstößt gegen das Transparenzgebot, da sie dem Erwerber die individuelle Interessenabwägung nimmt.
Zulässig sind dagegen Regelungen, die an objektive Kriterien (z. B. höhere Gewalt, Streik, Witterung) anknüpfen und klare Nachweispflichten des Bauträgers vorsehen. Bauträger sollten ihre Vertragsmuster regelmäßig überprüfen, um Haftungsfallen zu vermeiden.
5. Rücktritt und Schadensersatz nach Vertragsauflösung
Nach einem wirksamen Rücktritt wandelt sich der Bauträgervertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis (§ 346 BGB). Der Erwerber kann bereits geleistete Zahlungen zurückfordern und zusätzlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
Zu den ersatzfähigen Positionen zählen:
- vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten,
- Kosten der Einlagerung oder Ersatzunterkunft,
- Verzugszinsen auf Kaufpreisraten.
Das OLG Düsseldorf (I-21 U 9/22) bestätigte, dass Schadensersatzansprüche auch nach Rücktritt bestehen bleiben, solange sie auf Pflichtverletzungen beruhen, die vor Vertragsauflösung eingetreten sind. Der Rücktritt schließt also keine bereits entstandenen Verzögerungsschäden aus.
6. Einredephase und Verzugsausschluss
Solange der Bauträger berechtigt ist, die Leistung zu verweigern – etwa wegen offener Kaufpreisraten oder fehlender Mitwirkung des Erwerbers –, liegt kein Verzug vor (§ 320 BGB).
Nach dem KG Berlin (Urt. v. 27. 06. 2019 – 21 U 144/18) entfällt der Schadensersatzanspruch während einer berechtigten Einredephase. Der Bauträger kann sich auf § 320 BGB berufen, wenn der Käufer in Zahlungsverzug ist oder Änderungswünsche äußert, die den Bauablauf verzögern.
Allerdings muss der Bauträger die Einrede aktiv geltend machen und konkret darlegen, welche Forderung oder Handlung des Käufers die Verzögerung verursacht hat. Pauschale Behauptungen genügen nicht.
7. Beweislast und praktische Hinweise
Im Streitfall trägt der Erwerber die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt des Verzugs und den entstandenen Schaden. Bauträger wiederum müssen beweisen, dass sie den Verzug nicht zu vertreten haben.
Zur Beweissicherung empfiehlt sich:
- Schriftliche Kommunikation über Baufortschritt und Fristen,
- Dokumentation von Bauabnahmen und Übergabeprotokollen,
- Aufbewahrung sämtlicher Rechnungen über Ersatzaufwendungen.
Bauträger sollten ihrerseits Bautagebücher, Bauzeitenpläne und Nachtragsvereinbarungen dokumentieren, um unberechtigte Schadensersatzforderungen abzuwehren.

8. Fazit
Bauzeitverzögerungen gehören zu den häufigsten Konfliktfeldern im Bauträgerrecht. Für Käufer gilt: Nur wer schriftlich Fristen setzt, Verzögerungen dokumentiert und den Schaden belegt, kann erfolgreich Ansprüche durchsetzen.
Bauträger wiederum müssen ihre Vertragsgestaltung an die aktuelle Rechtsprechung anpassen. Starre Fristen, unklare AGB-Klauseln und mangelhafte Kommunikation sind typische Haftungsquellen.
Der rechtssichere Umgang mit Bauzeitverzögerungen erfordert daher sowohl präzise Nachfristsetzung als auch juristische Begleitung, um Rücktritt und Schadensersatz auf eine stabile rechtliche Grundlage zu stellen.
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