Subventionsbetrug bei Corona-Hilfen: Strafbarkeit, Rückforderung und Verteidigung nach § 264 StGB - Anwalt erklärt

Verfasst von
Max Hortmann
10 Nov 2025
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🖋️ Von Rechtsanwalt Max Nikolas Mischa Hortmann, Frankfurt am Main – Vertragsautor jurisPR-ITR / AnwZertOnline

Einleitung – Von der Rettung zur Risikoquelle

2020–2022 herrschte wirtschaftspolitischer Ausnahmezustand: Corona‐Soforthilfen, Überbrückungshilfen sowie November‐/Dezemberhilfen wurden in Rekordzeit ausgezahlt – bewusst mit schlanker Prüfung. Die Kehrseite zeigt sich seither in Prüf‐ und Ermittlungswellen: Wer heute falsche oder unvollständige Angaben nicht offenlegt oder Mittel zweckwidrig verwendet, gerät schnell in den Fokus von § 264 StGB (Subventionsbetrug) – ganz ohne dass ein individueller Irrtum eines Sachbearbeiters nötig wäre.

Warum Behörden jetzt so zielgerichtet vorgehen:
Datengetriebene Abgleiche (ELSTER, Steuer‐ID, Register‐ und Zahlungsdaten) machen Unstimmigkeiten schnell sichtbar. Wie fokussiert die Finanzbehörden dabei vorgehen – gerade bei digitalen Geschäftsmodellen und Plattform‐Einkünften – habe ich im BR24‐Interview eingeordnet:
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Dieses Flaggschiff‐Stück ordnet die Rechtsgrundlagen ein, beschreibt typische Tathandlungen (Falschangaben, Überkompensation, Zweckentfremdung), zeigt die verwaltungsrechtliche Rückforderung (Rücknahme/Widerruf, § 48/§ 49 VwVfG) und skizziert Verteidigungsstrategien – von taktischer Rückzahlung bis zur Einstellung gegen Auflagen (§ 153a StPO).

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Dieser Beitrag ist Teil 1 der Reihe und beleuchtet den Subventionsbetrug im Kontext der Corona‑Hilfen (§ 264 StGB). Die weiteren Teile:

Der Subventionsbegriff bei Corona‑Hilfen (§ 264 Abs. 7 StGB)

Was gilt rechtlich als „Subvention“?
§ 264 StGB schützt bestimmte staatliche Leistungen vor Missbrauch. Subventionen sind Leistungen aus öffentlichen Mitteln, die ohne marktmäßige Gegenleistung an Betriebe oder Unternehmen gewährt werden und der Förderung der Wirtschaft dienen. Ob der Bescheid die Leistung ausdrücklich „Subvention“ nennt, ist unerheblich – es kommt auf die sachliche Ausgestaltung an. Für die Praxis der Antragstellung und Abrechnung verweise ich auf die Grundlagen des Zuwendungsrechts in meinem Beitrag „Zuwendungsrecht und Vergabe – Fördermittel rechtssicher anwenden“.

Corona‑Hilfen als Subventionen
Soforthilfen, Überbrückungshilfen sowie November-/Dezemberhilfen erfüllen diese Merkmale: Es handelt sich um finanzielle Zuschüsse aus öffentlichen Kassen, ohne unmittelbare Gegenleistung, mit dem Ziel, die betriebliche Liquidität zu sichern. Sie sind daher dem Schutzbereich des § 264 StGB zugeordnet.

Was nicht darunter fällt
Nicht jede staatliche Unterstützung ist eine Subvention i.S.d. § 264 StGB. Steuerliche Billigkeitsmaßnahmen (z. B. Stundungen, Erlasse) folgen eigenen Regeln. Wer solche Erleichterungen durch unzutreffende Angaben erlangt oder trotz Wegfall der Voraussetzungen nicht offenlegt, bewegt sich regelmäßig im Steuerstrafrecht – vgl. „Projekt 370 – Steuerhinterziehung durch Unterlassen“. Sozialleistungen mit personenbezogener Bedürftigkeitsprüfung (z. B. Kurzarbeitergeld) sind demgegenüber überwiegend nicht subventionsstrafrechtlich erfasst; hier steht die individuelle Existenzsicherung im Vordergrund, nicht die Wirtschaftsförderung eines Betriebs.

Zweckbindung und Kontrolllogik
Corona‑Zuschüsse waren zweckgebunden (betriebliche Kosten, Liquiditätsengpass). Die zweckwidrige Verwendung(z. B. private Entnahmen) berührt daher unmittelbar den Tatbestand. Auf Verwaltungsseite knüpft die Kontrolle der Mittelverwendung an die haushaltsrechtlichen Grundsätze an; kompakt zur Leitplanke der Verwaltungspraxis siehe „§ 55 BHO – Vergabegrundsatz und Kontrolle der Mittelverwendung“.

Fazit
Wer Corona‑Hilfen beantragt oder verwendet, bewegt sich im Subventionsstrafrecht. Unkenntnis über den Subventionscharakter schützt nicht. Entscheidend sind korrekte Angaben zu Antragsvoraussetzungen, Doppelförderungen und Verwendungszweck sowie eine prüffeste Dokumentation.

Teil 1/3 der Reihe Subventionsbetrug: Corona‑Hilfen. Weiter: Energie/Gebäude (2) & Innovation/Digital (3).
Dieser Beitrag gehört zur 3‑teiligen Serie. Nächste Teile: Energie/Gebäudeförderung und Innovationsprogramme.

Typische Risiken und Tathandlungen: Überkompensation, Zweckentfremdung, Nichtanzeige

Der Straftatbestand des § 264 StGB kennt vier Handlungsarten. In der Praxis der Corona‑Hilfen sind drei Konstellationen besonders risikoreich:

1) Falsche Angaben im Antrag (Abs. 1 Nr. 1)
Bereits unrichtige oder unvollständige Angaben zu subventionserheblichen Tatsachen – etwa zum Liquiditätsengpass, zu Umsätzen, Fixkosten oder zur Unternehmensstruktur – erfüllen den Tatbestand, sobald der Antrag mit der Falschangabe gestellt ist. Beispiele: Angeben eines nicht existierenden Betriebs, „Aufblähen“ der Fixkosten oder das Vorschieben fingierter Beschäftigtenzahlen. Für Organträger erhöht sich das Risiko zusätzlich über Organisations‑ und Überwachungspflichten (Stichwort: Vier‑Augen‑Prinzip, Freigabeprozesse) – vertieft im Beitrag „Geschäftsführerhaftung in der GmbH – Risiken, Sorgfaltspflichten und Compliance“.

2) Überkompensation nicht gemeldet (Abs. 1 Nr. 3)
Corona‑Zuschüsse sollten nur die pandemiebedingte Lücke schließen, keine Gewinne erzeugen. Treten nachAntragstellung relevante Änderungen ein (z. B. greift eine Versicherung, Umsätze ziehen an, Fixkosten fallen geringer aus), entsteht eine Überkompensation. Dann besteht regelmäßig eine unverzügliche Mitteilungspflicht(Subventionsrecht/ANBest‑P). Das Unterlassen der Mitteilung lässt den Zuwendungsgeber in Unkenntnis einer subventionserheblichen Tatsache – und ist tatbestandsrelevant. Praktisch wichtig: Eine prüffeste Dokumentation der Entwicklung sowie interne Revision/Controlling‑Pfade; zur Verwaltungs‑ und Prüflogik vgl. „Rechnungshof‑ und Innenrevision – Vergabeprüfungen richtig bestehen“.

3) Zweckentfremdung der Mittel (Abs. 1 Nr. 2)
Die Hilfen waren zweckgebunden (betriebliche Fixkosten, Liquidität). Private Entnahmen oder artfremde Ausgaben verstoßen gegen die Verwendungsbeschränkung – tatbestandsmäßige zweckwidrige Verwendung. Maßgeblich ist der Verwendungszeitraum, nicht eine spätere „Rückführung“ ins Unternehmen. Zur haushaltsrechtlichen Leitplanke auf Verwaltungsseite (Wirtschaftlichkeit/Sparsamkeit) siehe „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – Pflicht im Vergaberecht“.

Praxis‑Hinweis: Viele Verstöße entstehen nicht aus Täuschungsabsicht, sondern aus fehlender Prozesssicherheit. Wer Zahlenquellen, Prognosegrundlagen und Änderungen fortlaufend dokumentiert, Zuständigkeiten klar regelt und Abweichungen sofort meldet, reduziert das Strafrisiko drastisch. Sonderfälle – etwa der Gebrauch falscher Bescheinigungen (Abs. 1 Nr. 4) – betreffen insbesondere manipulierte Bestätigungen „prüfender Dritter“ oder fingierte Belege.

Abgrenzung zu Betrug (§ 263 StGB) und Steuerhinterziehung (§ 370 AO)

Subventionsbetrug vs. „normaler“ Betrug
§ 264 StGB ist im Subventionskontext lex specialis zu § 263 StGB. Geht es um Täuschungen rund um die Bewilligung, Auszahlung oder Verwendung von Subventionen, verdrängt § 264 StGB den allgemeinen Betrugstatbestand. Praktische Folge: Es braucht keinen individuellen Irrtum eines Sachbearbeiters und keinen nachgewiesenen Vermögensschaden– die Tat ist bereits mit Einreichen des falschen Antrags vollendet. Das gilt auch bei automatisierter Auszahlung ohne Einzelfallprüfung. Nur wenn eine Leistung keine Subvention i.S.d. § 264 ist (z. B. rein personenbezogene Sozialleistung), bleibt Raum für § 263 StGB.

Subventionsbetrug vs. Steuerhinterziehung
Sobald falsche Angaben gegenüber dem Finanzamt ins Spiel kommen, verlässt man § 264 StGB und befindet sich im Steuerstrafrecht (§ 370 AO). Typische Konstellationen:

  • Erschlichene Steuervorteile (z. B. Corona‐bedingte Stundungen/Herabsetzungen mit unzutreffenden Angaben): Das ist Steuerhinterziehung, nicht Subventionsbetrug. Zur Verfahrensdynamik zwischen Prüfung und Strafsache vgl. „Betriebsprüfung droht Steuerverfahren?“.
  • Falsche Steuererklärungen (Corona‐Zuschüsse als Betriebseinnahmen nicht erklärt oder „niedriger“ angegeben): Ebenfalls § 370 AO. Zum Ablauf und den Stellschrauben im Steuerstrafverfahren siehe „Strafverfahren Steuerhinterziehung § 370“.
  • Korrektur & Milderung: Wo steuerlich möglich, kann eine Selbstanzeige Sanktionsrisiken reduzieren – aufarbeitungspflichtig, fristkritisch und mit Nachzahlungspflicht; vertieft in „Projekt 370 – Selbstanzeige“.

Überschneidungen
In Mehrfachkonstellationen können neben § 264 StGB weitere Delikte stehen (z. B. Urkundenfälschung bei „Bescheinigungen“ oder Geldwäsche bei Weitertransfer). Ob Tatmehrheit oder Tateinheit vorliegt, wird gesamtwürdigend entschieden. Merksatz für die Praxis:

  • Täuschungen im Förderverfahren → § 264 StGB.
  • Täuschungen im Besteuerungsverfahren → § 370 AO.

Fazit
Die Schutzrichtungen unterscheiden sich: § 264 schützt das Vertrauen in die ordnungsgemäße Mittelverwendung; § 263 das Vermögen des Getäuschten; § 370 das Steueraufkommen. Wer Förderanträge stellt und steuerlich erklärt, braucht deshalb zweigleisige Compliance: saubere Antragsangaben & Zweckverwendung und korrekte steuerliche Erklärung.

Teil einer Trilogie zu Förder‑Compliance: Heute Corona‑Hilfen; danach Energie/Gebäude und Innovation/Digital.
Serie Subventionsbetrug (1/3): Corona‑Hilfen. Mehr: Energiezuschüsse (2/3) & Digital‑/Innovationsförderung (3/3).

Verwaltungsrechtliche Rückforderung: Bescheid nach §§ 48, 49 VwVfG und Folgen fürs Strafverfahren

Neben dem Strafrecht droht Empfängern unberechtigter Corona‐Hilfen die verwaltungsrechtliche Rückforderung. Die Bewilligungsstellen prüfen – etwa im Rahmen von Schlussabrechnungen oder Stichproben – ob die Mittel rechtmäßig bewilligt und zweckentsprechend verwendet wurden. Fallen Unstimmigkeiten auf, drohen Rückzahlung und regelmäßig eine Mitteilung an die Strafverfolgung.

Rechtsgrundlage und Vorgehen
Die Rückforderung erfolgt durch Verwaltungsakt (Rückforderungs‐/Aufhebungsbescheid, § 35 VwVfG). Maßgeblich sind:

  • Rücknahme (§ 48 VwVfG): War der Bewilligungsbescheid rechtswidrig (z. B. kein echter Liquiditätsengpass), kann die Behörde ihn rückwirkend aufheben – regelmäßig mit voller Erstattungspflicht. Zur Systematik von Rücknahme/Widerruf von Verwaltungsakten vgl. „Rücknahme oder Widerruf der Baugenehmigung – Was ist wann möglich?“.
  • Widerruf (§ 49 VwVfG): War der Bescheid zunächst rechtmäßig, wurden Mittel aber zweckwidrig genutzt oder Auflagen nicht erfüllt, kommt ein Widerruf in Betracht (insb. § 49 Abs. 3 VwVfG). Auch hier folgt die Rückzahlung.
  • Erstattung (§ 49a VwVfG): Wird aufgehoben oder widerrufen, sind Zuschüsse zu erstatten; regelmäßig werden Zinsen festgesetzt.

Rechtsschutz des Betroffenen
Gegen Rückforderungs‐/Aufhebungsbescheide ist – je nach Landesrecht – Widerspruch oder Anfechtungsklage zulässig. Praxisnah zur Widerspruchsarchitektur vgl. „Nachbar‐Widerspruch gegen die Baugenehmigung – so geht’s“. Wird die sofortige Vollziehung angeordnet, empfiehlt sich einstweiliger Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht; zur Logik und Dringlichkeit siehe „Eilrechtsschutz (Baustopp)“.

Bedeutung fürs Strafverfahren

  • Eigenständigkeit der Verfahren: Verwaltungs‐ und Strafverfahren laufen parallel und sind unabhängig. Ein obsiegender Rechtsstreit im Verwaltungsrecht beseitigt den strafrechtlichen Vorwurf nicht automatisch; umgekehrt begründet die Rückforderung nicht per se Schuld.
  • Erkenntnisse aus dem Verwaltungsverfahren: Angaben im Anhörungsverfahren und die Verwaltungsakte(Antrag, Bewilligung, Rückforderung) werden von Strafverfolgern häufig ausgewertet. Spätestens bei der Anhörung gilt: anwaltlich begleitet vortragen.
  • Rückzahlung als Milderungsfaktor: Freiwillige und zeitnahe Rückzahlung kann als Schadenswiedergutmachung strafmildernd wirken (bis hin zur Einstellung gegen Auflage). Sie hebt die Vollendung des Subventionsbetrugs jedoch nicht auf.

Bottom line: Wer Post zur Schlussabrechnung oder einen Rückforderungsbescheid erhält, befindet sich in einem zweigleisigen Risiko – verwaltungsrechtlich und strafrechtlich. Entscheidend sind prüffeste Dokumentation, klare Zuständigkeiten und eine stringente Kommunikationsstrategie gegenüber Behörde und Strafverfolgung.

Ermittlungslogik der Behörden: ELSTER, Steuer‐ID und Datenabgleich

Die Aufdeckung von Subventionsbetrug bei Corona‐Hilfen beruht auf intelligenten Datenabgleichen und klassischer Ermittlungsarbeit. Bereits im Antrag mussten Steuernummern/Steuer‐IDs im bundeseinheitlichen Format angegeben werden, um einen Abgleich mit den Finanzämtern zu ermöglichen. Flankierend prüfen Behörden Zahlungswege und Plattformdaten – wie IBAN‐/Account‐Bezüge oder Zahlungsdienstleister –, was ich im Beitrag „PayPal, Finanzamt, Steuern“ im Hinblick auf Datenflüsse an die Steuerverwaltung erläutere.

Nach der Auszahlung rückt der Abgleich mit ELSTER‐/Steuerdaten in den Fokus. Die Landesfinanzbehörden agieren hier (über Straf‐ und Bußgeldsachenstellen) zugleich als Ermittlungsbehörden; Abweichungen zwischen Antragszahlen und Steuererklärungen/Meldungen (USt‐VAs, Gewinnermittlungen) lösen häufig den Anfangsverdacht aus. Zur Behördenpraxis beim Datenzugriff und den Rechten/Haftungsrisiken auf Unternehmensseite siehe „DSGVO – Auskunftsrecht, Löschpflicht und Haftung“.

Auch Registerdaten (Handelsregister, Gewerbe) werden herangezogen, um Scheinbetriebe und Mehrfachanträge zu identifizieren. Bei größerem Verdacht folgen operativ‐strafprozessuale Maßnahmen – von der Vorladung über Durchsuchung bis zu Kontosperren/Arresten. Welche Schnittstellen zur Geldwäsche‐Compliance hier praktisch relevant werden (z. B. FIU‐Meldungen und Kontosperrungen), habe ich im Beitrag „Krypto‐Betrug & FIU‐Meldung – Anwalt begleitet Opfer“ aufgearbeitet.

Praxis: Reagiere koordiniert. Schon beim ersten Schreiben/Anruf keine Sachverhaltsangaben „aus dem Bauch heraus“ – erst Akteneinsicht, dann Strategie. Die Ermittler verfügen regelmäßig bereits über Antrag, Bescheid, Zahlungsflüsse und Steuerdaten; spontane Erklärungen schaffen oft nur Widersprüche.

Eine Verjährungsfrist von regelmäßig 5 Jahren (bei besonders schweren Fällen 10 Jahre) setzt den Behörden zusätzliche Taktung; maßgeblich ist typischerweise die letzte Auszahlung. Entsprechend laufen aktuell – je nach Programm – noch zahlreiche Verfahren an, um Fristabläufe zu vermeiden.

Einordnung in die Öffentlichkeit: Zur datengetriebenen Fokussierung der Finanzbehörden, etwa auf Influencer und Plattform‐Einnahmen, siehe mein Interview beim BR: „Steuerhinterziehung in Millionenhöhe – Influencer im Visier“
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Flagship‑Reihe, 1 von 3: Corona‑Hilfen. Ergänzend: Energie/Gebäudeförderung (2) und Innovationsförderung (3).
Bestandteil der 3‑teiligen Reihe. Jetzt Corona‑Hilfen; als Nächstes Energie/Gebäude, danach Innovation/Digital.

Verteidigungsstrategien: § 153a StPO, Rückzahlung und kommunikatives Geschick

Frühe anwaltliche Intervention
Zunächst: Schweigen gegenüber Ermittlungsbehörden, Akteneinsicht sichern und die Verteidigung strategisch ausrichten. In vielen Fällen lässt sich durch eine professionelle Erstkommunikation mit der Staatsanwaltschaft eine Deeskalation erreichen (z. B. Vermeidung von Durchsuchungen, geordnetes Nachreichen von Unterlagen). Taktische Leitplanken zur Rollenverteilung, Kommunikationswegen und Risiko‑Screening skizziere ich u. a. in „Risiken und Verteidigungsstrategien – Influencer“ (übertragbar auf Unternehmensfälle). Bei flankierenden Finanz‑/Bankenthemen gilt: auf Behörden‑ und Bankkontakte vorbereitet reagieren – vgl. „Verteidigung bei FIU‑Meldungen und Kontosperrung“.

Taktische Rückzahlung & Schadenswiedergutmachung
Wo Überzahlung oder Zweckverfehlung feststeht, kann eine freiwillige Rückzahlung – sauber dokumentiert und von der Verteidigung orchestriert – die Tür zu § 153a StPO (Einstellung gegen Auflagen) öffnen. Wichtig: Klar kommunizieren, dass die Zahlung ohne Präjudiz für die Schuldfrage erfolgt. Flankierend lohnt der Blick auf steuerliche Nebenfolgen solcher Zahlungen (Zeitpunkt, Qualifikation, Zinsen), dazu praxisnah „Krypto‑Betrug und Rückzahlung – steuerliche Behandlung“ – übertragbare Grundsätze zur Einordnung von Erstattungen/Wiedergutmachung.

Argumentation: Irrtum, Unklarheit, Verbotsirrtum
§ 264 StGB verlangt mindestens bedingten Vorsatz. In der Corona‑Praxis waren Förderbedingungen teils unübersichtlich und dynamisch; hieran knüpfen Verteidigungsansätze (Tatbestands‑/Verbotsirrtum, Vertrauen auf fachkundigen Rat). Substantiell wird diese Linie, wenn die Dokumentation stimmt (Prognosegrundlagen, interne Memos, externe Beratung).

Opportunitätsprinzip & § 153a StPO
Selbst bei objektiven Pflichtverstößen kommt eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung in Betracht, wenn Schadenskompensation, Kooperation und geringer Unrechtsgehalt zusammentreffen. Timing ist entscheidend: Ein gestuftes Vorgehen (Akteneinsicht → Nachbelegung → abgestimmte Wiedergutmachung → Gesprächsangebot zur Einstellung) erhöht die Chancen.

Kommunikatives Geschick & Reputationsschutz
Parallel zum Straf‑/Verwaltungsverfahren drohen Ruf‑ und Vertrauensschäden. Interne und externe Kommunikation sollten gesteuert werden (einheitliche Kernbotschaften, Krisen‑Q&A, Presselinien). Konkrete Handläufe (Leaks, Shitstorms, sensible Stakeholder‑Kommunikation) habe ich in „Wenn Unternehmen zur Zielscheibe werden – Diffamierung, Leaks, Shitstorms“ gebündelt.

Aus Fehlern lernen: Prävention statt Wiederholung
Nach Abschluss: Prozesse schließen (Vier‑Augen‑Prinzip, Prüfpfade, Meldewege), Schulungen, klare Verantwortlichkeiten. Praktische Grundsätze zu Prävention & Selbstschutz im digitalen und organisatorischen Alltag findest du in „Prävention & Selbstschutz im digitalen Raum“.

Fazit & CTA

Kurz gesagt: Corona‐Hilfen waren rechtlich Subventionen. Wer Anträge stellte oder Mittel nutzte, bewegt sich im Schutzbereich von § 264 StGB – ganz unabhängig davon, ob ein individueller Sachbearbeiter getäuscht wurde. Risiko-Hotspots sind: unrichtige Antragsangaben, Nichtanzeige späterer Änderungen, zweckwidrige Verwendung sowie Überkompensation ohne Rückmeldung. Parallel drohen verwaltungsrechtliche Rückforderungen (§§ 48, 49, 49a VwVfG) und – sobald Steuerangaben betroffen sind – separate Verfahren nach § 370 AO.

Was jetzt zählt:

  1. Dokumentation & Nachmeldungen sauber halten,
  2. kommunikativ gesteuert vorgehen (erst Akteneinsicht, dann Einlassung),
  3. Wiedergutmachung taktisch nutzen (Rückzahlung/§ 153a StPO),
  4. Verwaltungs‐ und Strafspur getrennt, aber koordiniert führen.

CTA – Vertraulich sprechen: Wenn Sie Bescheide, Schlussabrechnungen, Anhörungen oder Ermittler‐Post erhalten haben, melden Sie sich sofort – wir klären Lage, Optionen und Timing.
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Verwandte Artikel (aus deinem Archiv, thematisch kuratiert)

Teil 1 – Corona‑Hilfen & § 264 StGB (8 FAQ)

1) Sind Corona‑Hilfen rechtlich „Subventionen“?
Ja. Zuschüsse wie Soforthilfe/Überbrückung/November‑/Dezemberhilfe sind regelmäßig Subventionen mit Zweckbindung.

2) Welche Handlungen sind typischerweise strafbar?
Unrichtige/unvollständige Antragsangaben, zweckwidrige Verwendung, Nichtanzeige späterer Änderungen, falsche Bescheinigungen.

3) Verdrängt § 264 StGB den „normalen“ Betrug (§ 263)?
Ja, im Förderkontext gilt § 264 als lex specialis. Ein individueller Behörden‑Irrtum ist nicht erforderlich.

4) Wann greift stattdessen § 370 AO (Steuerhinterziehung)?
Sobald falsche steuerliche Angaben im Spiel sind (z. B. Hilfen nicht erklärt, erschlichene Stundung), ist § 370 AO einschlägig.

5) Was ist „Überkompensation“ – und muss ich sie melden?
Übersteigt die Hilfe den tatsächlichen Bedarf, ist unverzüglich anzuzeigen und ggf. zu erstatten. Nichtanzeige birgt Strafrisiko.

6) Hebt eine Rückzahlung die Strafbarkeit auf?
Nein. Rückzahlung wirkt strafmildernd (z. B. § 153a StPO), löscht die Tat aber nicht.

7) Gibt es „tätige Reue“?
Ja: Wird vor Auszahlung die Effektuierung freiwillig verhindert (Korrektur/Rücknahme), kann Strafaufhebung greifen.

8) Wie reagiere ich auf Anhörung/Ermittlungsbrief?
Schweigen, Akteneinsicht über Verteidiger, erst dann gezielte Einlassung; Zahlen/Belege vorab intern klären.

Max Hortmann
Rechtsanwalt
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