Europäisches Nachlasszeugnis – Der Schlüssel zum Erbe in der EU

Verfasst von
Max Hortmann
26 Oct 2025
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Europäisches Nachlasszeugnis – Der Schlüssel zum Erbe in der EU

Mit dem Europäischen Nachlasszeugnis den Erbanspruch in der EU nachweisen – schnell, einheitlich, anerkannt.

Einleitung

Das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) ist eines der zentralen Instrumente der EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO), um grenzüberschreitende Erbfälle effizient zu gestalten. Es ermöglicht Erben, Vermächtnisnehmern und Nachlassverwaltern, ihre Rechtsstellung in anderen Mitgliedstaaten nachzuweisen, ohne dort ein zusätzliches Verfahren anstrengen zu müssen. Besonders bei Nachlässen mit Immobilien, Konten oder Unternehmensanteilen in mehreren EU-Staaten sorgt das ENZ für eine einheitliche Beweiskraft und verhindert kostspielige Doppelverfahren. Die Praxis zeigt: Wer das ENZ frühzeitig beantragt, kann Nachlassstreitigkeiten deutlich beschleunigen und Rechtssicherheit schaffen.

Rechtlicher Rahmen

Die Rechtsgrundlage für das Europäische Nachlasszeugnis findet sich in den Artikeln 62 bis 73 der EU-Erbrechtsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 650/2012).

  • Ausstellung: Zuständig sind Nachlassgerichte oder Notare im Mitgliedstaat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers.
  • Geltungsbereich: Das ENZ gilt in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich.
  • Funktion: Es dient als Nachweis über
    • die Rechtsstellung als Erbe,
    • die Verfügungsbefugnis über Nachlassgegenstände,
    • und die Rechte von Vermächtnisnehmern.

Damit ersetzt das ENZ den nationalen Erbschein im grenzüberschreitenden Kontext und schafft eine einheitliche Grundlage für die Nachlassabwicklung in Europa.
(vgl. Deutsches Notarinstitut, DNotI-Report 2012, 121–123; Burandt/Dargel, FamRB 2015, 116–119)

Kernaussagen der Rechtsprechung

Die Rechtsprechung bestätigt die umfassende Anerkennungspflicht des Europäischen Nachlasszeugnisses:

  • Anerkennung: Nach Art. 69 Abs. 1 EuErbVO ist das ENZ in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten ohne weiteres Verfahren anzuerkennen.
  • Beweiskraft: Die im ENZ enthaltenen Angaben gelten als richtig, bis der Gegenbeweis erbracht wird.
  • Praxisfall: Das OLG München (Beschl. v. 10. 02. 2020 – 34 Wx 357/17) entschied, dass ein im ENZ bestätigter Alleineigentumserwerb eines Miterben Grundbuchwirkung entfaltet, solange keine gegenteiligen Beweise vorliegen.

Damit stärkt die Rechtsprechung die Verbindlichkeit des Nachlasszeugnisses und dessen Funktion als europaweit gültigen Eigentums- und Rechtsnachweis.

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Juristische Bewertung

Das Europäische Nachlasszeugnis ist kein bloßes Formaldokument, sondern ein rechtsverbindliches Beweismittel mit unmittelbarer Wirkung. Es ersetzt nationale Erbnachweise, solange die Angaben im Zeugnis korrekt und vollständig sind.
Die Vorteile liegen klar auf der Hand:

  • Vereinheitlichung des Nachweissystems im europäischen Raum,
  • Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen,
  • und Schnelligkeit der Nachlassabwicklung.

Allerdings ist der Anwendungsbereich auf Mitgliedstaaten der EU-ErbVO beschränkt. Drittstaaten wie die Schweiz oder die USA erkennen das ENZ nicht automatisch an – hier bleibt eine notarielle oder konsularische Beglaubigung notwendig.

Praktische Streitfelder

Trotz der Vereinheitlichung ergeben sich in der Praxis typische Reibungspunkte:

  1. Überschneidung mit nationalen Erbscheinen: Einige Mitgliedstaaten halten parallel an eigenen Nachlassbescheinigungen fest, was zu Kompetenzkonflikten führen kann.
  2. Übersetzungs- und Korrekturprobleme: Falsche oder unvollständige Übersetzungen können die Anerkennung im Ausland verzögern.
  3. Nachlassspaltung: Wenn der Nachlass Vermögenswerte in Drittstaaten umfasst, gelten teils unterschiedliche nationale Regeln.

Solche Fälle verdeutlichen, dass das ENZ zwar Rechtssicherheit innerhalb der EU schafft, aber bei internationalen Nachlässen mit außereuropäischen Bezügen weiterhin sorgfältige juristische Koordination erfordert.
(vgl. OLG München, 34 Wx 357/17; Kalbfleisch/Schlote, UVR 2013, 82–91)

Strategien & Handlungsempfehlungen

Für Erben und Nachlassverwalter gilt: Wer das Europäische Nachlasszeugnis effizient nutzen möchte, sollte strategisch vorgehen.

  • Antragstellung: Das ENZ wird grundsätzlich im Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassersbeantragt.
  • Verwendung: Es kann in jedem teilnehmenden EU-Staat unmittelbar vorgelegt werden, etwa bei Banken, Grundbuchämtern oder Behörden.
  • Nachweise: Alle erforderlichen Unterlagen (Testament, Erbschein, Sterbeurkunde) sollten frühzeitig zusammengestellt werden.
  • Fristen: Eine rechtzeitige Beantragung verhindert Verzögerungen bei der Erbauseinandersetzung.

Besonders bei internationalen Familienkonstellationen empfiehlt sich eine vorausschauende Testamentsgestaltung, die bereits auf die spätere Verwendung eines ENZ ausgelegt ist.

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Das Europäische Nachlasszeugnis ist heute der Schlüssel zur effizienten Nachlassabwicklung in der Europäischen Union. Es schafft einheitliche Beweisstandards, reduziert bürokratische Hürden und stärkt die Rechtsposition der Erben.Gerade in Zeiten zunehmender Mobilität – mit Wohnsitzwechseln, Zweitimmobilien und internationalen Familien – bietet das ENZ die notwendige Rechtssicherheit, um Nachlassverfahren schnell, anerkannt und rechtssicher abzuschließen.

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