Grenzbepflanzung und Hecken – was das Nachbarschaftsrecht erlaubt

Verfasst von
Max Hortmann
10 Nov 2025
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Grenzbepflanzung und Hecken – was das Nachbarschaftsrecht erlaubt

Verfasst von Rechtsanwalt Max Nikolas Mischa Hortmann, Frankfurt am Main – Vertragsautor jurisAZO-ITR / PR-ITR

Wenn Bäume zu hoch und Hecken zu nah wachsen

Ein zu hoher Baum oder eine dichte Thuja-Hecke entlang der Grundstücksgrenze kann aus einem friedlichen Nebeneinander schnell einen Streitfall machen.
Während die einen Sichtschutz und Schatten genießen, empfinden andere die Pflanzenwand als Bedrohung für Licht, Luft und Aussicht.
Doch was ist tatsächlich erlaubt? Wann muss der Nachbar schneiden – und wann darf man selbst aktiv werden?

Dieser Beitrag erläutert, welche Regeln für Grenzbepflanzungen gelten, welche Rechte Sie als Eigentümer haben und wann die Verjährung greift.

Rechtliche Grundlagen: Nachbarrechtsgesetze der Bundesländer

Während § 910 BGB das Selbsthilferecht beim Überhang regelt, bestimmen die Landesnachbarrechtsgesetze die zulässigen Abstände und Höhen von Hecken, Bäumen und Sträuchern.
Es existiert also kein einheitliches Bundesrecht, sondern 16 unterschiedliche Regelungen.

Ziel all dieser Vorschriften ist ein gerechter Ausgleich zwischen Bepflanzungsfreiheit und Nachbarschutz.

Welche Abstände gelten?

Die konkrete Grenze hängt von Bundesland und Pflanzenart ab.
Hier ein Überblick über typische Werte:

  • Bayern: Bis 2 m Abstand → maximale Höhe 2 m; größere Pflanzen → Abstand min. 2 m.
  • Baden-Württemberg: Bis 2 m Abstand → max. 1,80 m Höhe; bis 3 m Abstand → max. 4 m Höhe.
  • Nordrhein-Westfalen: Kleinsträucher 0,50 m Abstand; hohe Bäume 1,50–2 m.
  • Berlin / Brandenburg: Verhältnisregel: Höhe ≤ 3 × Abstand.
  • Sachsen: Anspruch auf Rückschnitt erlischt 5 Jahre nach Überschreitung der zulässigen Höhe.

Die Werte gelten ab Grenzlinie, nicht ab Zaun oder Weg.
Bei Hanggrundstücken zählt regelmäßig das höhere Geländeniveau.

Wie wird die Höhe gemessen?

Gemessen wird vom natürlichen Boden bis zur höchsten Pflanzenspitze.
Bei Hanglagen orientieren sich Gerichte an der oberen Gelände-kante, um Nachteile des tieferliegenden Grundstücks auszugleichen.

Damit wird verhindert, dass Eigentümer in Hanglage unzumutbar beschattet werden.

Rückschnitt- und Beseitigungsansprüche

Überschreitet eine Hecke die zulässige Höhe oder steht zu nah, kann der Nachbar nach Landesrecht verlangen:

  1. Rückschnitt auf die erlaubte Höhe,
  2. Beseitigung bei unzulässiger Pflanzung.

Viele Landesgesetze (z. B. Bayern, NRW, BW) gewähren den Rückschnittanspruch dauerhaft,
während der Beseitigungsanspruch innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden muss (oft 5 Jahre ab Pflanzung).

Wächst die Hecke später wieder über die erlaubte Höhe hinaus, entsteht der Anspruch neu.

Verjährung und Verwirkung

Ein häufiger Irrtum: „Die Hecke steht seit zehn Jahren, also darf sie bleiben.“
Das stimmt nur teilweise.

  • Beseitigungsanspruch: verjährt oder erlischt nach 3 bis 5 Jahren (je nach Landesrecht).
  • Rückschnittanspruch: unverjährbar, solange die Beeinträchtigung fortbesteht.

Wer allerdings jahrelang untätig bleibt, riskiert die Verwirkung – also den Verlust seines Anspruchs aus Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Das gilt insbesondere, wenn der Nachbar im Vertrauen auf die Duldung Investitionen getätigt hat.

Sonderregelungen: Natur- und Artenschutz

Selbst wenn ein Anspruch besteht, sind öffentlich-rechtliche Schranken zu beachten:

1. Brut- und Schonzeiten

Vom 1. März bis 30. September verbietet § 39 Abs. 5 BNatSchG radikale Rückschnitte.
Zulässig sind nur Pflegeschnitte, wenn keine Vögel brüten.

2. Kommunale Baumschutzsatzung

Viele Städte schützen Bäume ab bestimmtem Stammumfang.
Ein Rückschnitt darf dann nur mit behördlicher Genehmigung erfolgen.

3. Landschafts- oder Naturschutzgebiet

In Schutzgebieten können zusätzliche Verbote bestehen.
Hier drohen empfindliche Bußgelder – also vorab bei der Unteren Naturschutzbehörde nachfragen.

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Wann darf man selbst zur Schere greifen?

Das Selbsthilferecht nach § 910 BGB erlaubt das Abschneiden überhängender Zweige – aber nicht das eigenmächtige Kürzen einer Hecke auf Nachbars Grundstück.

Wer ohne Erlaubnis fremden Boden betritt oder dort schneidet, begeht Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) und riskiert Schadensersatz.

Die richtige Vorgehensweise lautet daher:

  1. Nachbar schriftlich auffordern, die Hecke zu kürzen.
  2. Frist setzen (z. B. vier Wochen).
  3. Erst nach Ablauf gerichtliche Hilfe suchen.

Selbsthilfe ist nur zulässig, wenn sich Teile tatsächlich über die Grenze neigen.

Hecken in Gemeinschaftsanlagen

In Reihen- oder Doppelhausanlagen stehen Hecken oft auf der Grenze.
Dann gelten Sonderregeln:

  • Ist die Hecke gemeinsam errichtet worden, tragen beide Nachbarn Pflege- und Kostenteilung.
  • Entfernt einer sie ohne Zustimmung, droht Schadensersatz.
  • Streit über Pflegeaufwand kann über § 743 BGB (gemeinschaftliche Nutzung) gelöst werden.

Häufige Streitpunkte aus der Praxis

Schatten und Lichtentzug

Ein Recht auf „Sonnenlicht“ besteht grundsätzlich nicht.
Erst wenn eine Bepflanzung übermäßig beschattet oder die Belüftung wesentlich beeinträchtigt, kann ein Rückschnitt verlangt werden.

Wurzelschäden

Dringen Wurzeln in Nachbars Grundstück ein und beschädigen Pflaster oder Rohre, greifen § 910 BGB und § 823 BGB.
Der Eigentümer des Baumes haftet.

Obstbäume

Überhängende Früchte gehören dem Baumeigentümer; gefallenes Obst darf der Nachbar behalten (§ 911 BGB).
Ein Abschütteln überhängender Äste ist jedoch verboten.

Verfahren und Beweislast

Der Anspruchsteller muss beweisen,

  • dass die Pflanze die zulässige Höhe überschreitet,
  • wo die Grenze verläuft,
  • und dass eine Beeinträchtigung besteht.

Hilfreich sind Vermessungsunterlagen, Fotos und Zeugenaussagen.
Bestehen Zweifel, kann ein Vermessungsingenieur oder Sachverständiger hinzugezogen werden.

Kommunale Schlichtung und Mediation

In vielen Bundesländern (z. B. NRW, Hessen, BW) ist vor einer Klage ein Schlichtungsverfahren vorgeschrieben.
Ein Schiedsmann versucht, eine Einigung herbeizuführen.
Oft genügt bereits ein schriftlicher Vergleich: „Die Hecke wird jährlich im Oktober auf 2 m gekürzt.“

Eine Mediation ist meist günstiger und erhält die Nachbarschaftsbeziehung.

Praxisbeispiel

Ein Hausbesitzer in Baden-Württemberg klagte gegen seinen Nachbarn, weil dessen Kirschlorbeer-Hecke 3,5 m hoch war und 1 m von der Grenze entfernt stand.
Das Nachbarrechtsgesetz erlaubte bei diesem Abstand nur 2 m Höhe.
Das Gericht verurteilte den Beklagten, die Hecke auf 1,80 m zu kürzen – dauerhaft.

Das Urteil zeigt: Grenzwerte sind verbindlich, selbst wenn die Hecke schon viele Jahre steht.

Tipps für Eigentümer

  • Pflanzen Sie Bäume mit Abstand – spätere Konflikte sind teuer.
  • Beachten Sie örtliche Satzungen und Landesrecht, bevor Sie pflanzen.
  • Dokumentieren Sie Pflanzdatum und Abstand (Fotos, Skizze).
  • Sprechen Sie den Nachbarn an, bevor Sie schneiden oder klagen.
  • Ziehen Sie bei unklaren Grenzen einen Vermesser hinzu.

Häufige Fragen

Wie nah darf meine Hecke an die Grenze?
Das hängt vom Bundesland ab – meist 0,5 m bei 2 m Höhe, darüber 1–2 m Abstand.

Muss mein Nachbar seine Hecke kürzen, wenn sie mein Grundstück beschattet?
Nur, wenn die Höhe gegen das Landesrecht verstößt oder eine unzumutbare Beeinträchtigung vorliegt.

Darf ich die Hecke meines Nachbarn selbst kürzen?
Nur überhängende Zweige auf Ihrer Seite (§ 910 BGB). Alles andere wäre unzulässig.

Wann verjährt der Anspruch?
Je nach Landesrecht 3–5 Jahre ab Pflanzung; der Rückschnittanspruch bleibt bestehen.

Gilt das auch für Bäume?
Ja, allerdings mit oft größeren Abständen (bis 3–4 m).

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Fazit: Abstand halten ist der beste Nachbarschutz

Grenzbepflanzungen sind kein bloßes Gartenthema – sie betreffen Eigentumsrechte.
Wer Abstände und Höhen kennt, vermeidet Konflikte und teure Gerichtsverfahren.
Vor allem gilt: Rechtzeitig reagieren, aber mit Maß.

Offene Kommunikation, Rücksicht und rechtzeitige Information sind der beste Weg zu dauerhaftem Frieden zwischen Nachbarn.

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Max Hortmann
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