Haftungsausschluss im Grundstückskaufvertrag – Wann unwirksam?

Verfasst von
Max Hortmann
01 Nov 2025
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Haftungsausschluss im Grundstückskaufvertrag – Wann unwirksam?

Einleitung

Typischer Ausgangspunkt: „gekauft wie gesehen“

„Was gilt, wenn im Kaufvertrag steht: ‚gekauft wie gesehen‘?“ – diese Formulierung klingt nach Sicherheit, sorgt aber regelmäßig für juristische Konflikte. Käufer und Verkäufer verstehen sie oft unterschiedlich: Während Verkäufer sie als vollständigen Haftungsausschluss begreifen, sehen Käufer darin nur den Ausschluss sichtbarer Mängel.

Hintergrund: Unsichtbare Risiken und verdeckte Mängel

In der Praxis entstehen Streitigkeiten häufig bei verdeckten Schäden – Feuchtigkeit im Keller, Altlasten im Boden, Schimmelbildung oder baurechtswidrige Umbauten. Gerade solche Mängel bleiben bei der Besichtigung verborgen und treten erst nach dem Kauf zutage.

Ziel dieses Beitrags

Viele Verkäufer glauben, mit einem pauschalen Haftungsausschluss auf der sicheren Seite zu sein. Tatsächlich schützt dieser nur begrenzt: Wer Mängel kennt oder hätte erkennen müssen, haftet weiterhin. Der Beitrag erläutert, wann ein Haftungsausschluss rechtlich wirksam ist, wann Gerichte ihn aufheben und welche Rechte Käufer in solchen Fällen haben.
(Headerbild: stilisierte Hausfassade mit dunklem Riss – Symbol für verdeckten Mangel.)

Rechtlicher Rahmen

1. Gesetzliche Grundlagen (§ 434 und § 444 BGB)

Nach § 434 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Kaufsache von der vereinbarten oder der üblichen Erwartung abweicht. § 444 BGB schränkt die Gestaltungsfreiheit beim Haftungsausschluss entscheidend ein: Der Ausschluss ist unwirksam, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Beschaffenheit garantiert hat.

2. Bedeutung der Vertragsformulierung

Typische Klauseln lauten:
„gekauft wie gesehen“, „unter Ausschluss der Gewährleistung“ oder „ohne Gewährleistung“.
Diese sind grundsätzlich zulässig, entfalten aber nur Wirkung für solche Mängel, die dem Verkäufer weder bekannt waren noch hätten bekannt sein müssen. Wird ein Mangel arglistig verschwiegen, bleibt die Haftung bestehen – unabhängig vom Vertragstext.

3. Abgrenzung zur Beschaffenheitsvereinbarung

Ein Haftungsausschluss wirkt nicht gegen ausdrücklich oder konkludent vereinbarte Eigenschaften. Wird also im Exposé, im Notartermin oder in der Objektbeschreibung eine bestimmte Beschaffenheit zugesichert – z. B. „trockenes Mauerwerk“ –, bleibt die Haftung auch bei einem Gewährleistungsausschluss bestehen.
Diese Unterscheidung ist wesentlich, wie Entscheidungen zu Altlastenverdacht (1), Feuchtigkeitsschäden (2) und Beschaffenheitsabreden im Gebrauchtgüterhandel (3)(4) zeigen.

Kernaussagen der Rechtsprechung

1. Altlastenverdacht als Sachmangel

Der BGH (1) stellte klar: Ein Haftungsausschluss greift nicht, wenn der Verkäufer dem Käufer bekannte frühere Nutzungen des Grundstücks verschweigt, die einen konkreten Verdacht auf Altlasten begründen. Entscheidend ist nicht, ob der Mangel objektiv nachgewiesen ist – schon der begründete Verdacht kann arglistiges Verhalten begründen.

2. Arglist auch bei billigender Inkaufnahme

In weiteren Entscheidungen (2)(5) konkretisierte der BGH, dass Arglist nicht zwingend sichere Kenntnis des Mangels erfordert. Es genügt, wenn der Verkäufer den Mangel für möglich hält und in Kauf nimmt, dass der Käufer ihn nicht erkennt. Typische Konstellationen sind Feuchtigkeitsränder, muffiger Geruch oder versteckte Schäden nach unsachgemäßer Sanierung.

3. Beweislast und sekundäre Darlegungspflicht

Die Beweislast für Arglist liegt beim Käufer. Allerdings trifft den Verkäufer eine sekundäre Darlegungspflicht: Er muss nachvollziehbar erläutern, weshalb er keine Kenntnis hatte. Dies verdeutlichte jüngst das Saarländische Oberlandesgericht (6), das betonte, dass bloßes Bestreiten ohne Erläuterung nicht ausreicht.

4. Reichweite der Haftung trotz Ausschluss

Selbst bei wirksamem Haftungsausschluss haften Verkäufer für Pflichtverletzungen, wenn sie bestimmte Beschaffenheiten zugesagt haben oder wenn ihre öffentlichen Äußerungen Erwartungen geweckt haben, die sich später als falsch herausstellen (2)(3)(4).

Nicht jeder Haftungsausschluss hält vor Gericht. Wer Mängel kannte, haftet trotzdem – auch bei „gekauft wie gesehen“.
Haftungsausschluss prüfen

Juristische Bewertung

1. Wirksamkeit mit Grenzen

Der Haftungsausschluss ist ein legitimes Mittel der Risikoverteilung. Er verliert seine Wirkung jedoch bei Verstößen gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder bei Arglist (§ 444 BGB). Die Grenze verläuft dort, wo der Verkäufer wissentlich falsche oder unvollständige Angaben macht.

2. Offenbarungspflicht als Kernpflicht

Verkäufer müssen alle ihnen bekannten Umstände offenlegen, die für den Kaufentschluss wesentlich sind. Dazu zählen Feuchtigkeit, frühere Sanierungen, Altlasten, Schädlingsbefall oder fehlende Genehmigungen. Wer solche Tatsachen verschweigt, riskiert den Vorwurf der Arglist – mit der Folge, dass der Haftungsausschluss vollständig entfällt.

3. Käuferrechte bei unwirksamem Haftungsausschluss

Wird Arglist festgestellt, kann der Käufer den Vertrag anfechten (§ 123 BGB) oder Schadensersatz nach §§ 280 ff. BGB verlangen. Außerdem kann er den Kaufpreis mindern oder vom Vertrag zurücktreten (§ 437 Nr. 2 BGB). Wichtig ist eine frühzeitige Beweissicherung, da die Beweislast meist beim Käufer liegt.

4. Bewertung für die Praxis

Die Rechtsprechung schützt Käufer stärker als häufig angenommen. Verkäufer sollten sich daher nicht auf pauschale Formulierungen verlassen, sondern prüfen, welche Informationen sie offenlegen müssen. Käufer wiederum sollten bei Verdacht auf unklare Angaben sofort juristische Hilfe in Anspruch nehmen.

Praktische Streitfelder & Angriffspunkte

1. Altlasten und Bodenverunreinigungen

Ein klassisches Streitfeld sind Altlasten oder kontaminierte Böden. Verkäufer müssen frühere Nutzungen angeben, die auf eine Belastung schließen lassen könnten – etwa Tankstellenbetrieb, Lackiererei oder Werkstatt. Ein Verschweigen dieser Tatsachen kann als Arglist gewertet werden (1).

2. Feuchtigkeit und Schimmelbildung

Feuchtigkeitsschäden gehören zu den häufigsten Konfliktursachen. Nach ständiger Rechtsprechung müssen Verkäufer Hinweise auf wiederkehrende Feuchtigkeit, muffigen Geruch oder Schimmelbildung offenlegen. Auch wenn der Mangel optisch kaschiert wurde, bleibt die Haftung bestehen (2)(5)(6).

3. Schwarzbauten und fehlende Genehmigungen

Fehlende Baugenehmigungen oder ungenehmigte Umbauten (z. B. ausgebauter Dachboden, Garage) gelten ebenfalls als offenbarungspflichtige Mängel. Wird eine solche Abweichung verschwiegen, entfällt der Haftungsausschluss. Käufer können den Vertrag anfechten oder Schadensersatz verlangen.

4. Beweissicherung durch Käufer

Käufer sollten vor und nach dem Erwerb umfangreiche Beweise sichern: Fotos, Gutachten, Zeugen oder Schriftverkehr. Auch scheinbar beiläufige Äußerungen des Verkäufers können entscheidend sein. Wer erst nach Übergabe auf Mängel stößt, sollte sofort rechtlichen Rat einholen, um Verjährungsfristen zu wahren.

Nicht jeder Haftungsausschluss hält vor Gericht. Wer Mängel kannte, haftet trotzdem – auch bei „gekauft wie gesehen“.
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Handlungsempfehlungen & Strategien

Für Käufer

  • Fragen vor Vertragsschluss: gezielte Nachfragen zu Feuchtigkeit, Altlasten, Umbauten, Energieversorgung.
  • Beweissicherung: Gutachten, Fotos, Besichtigungsprotokolle.
  • Vertragsprüfung: durch spezialisierten Anwalt, insbesondere bei Standardklauseln.
  • Keine voreiligen Unterschriften: erst nach Klärung sämtlicher offener Punkte.

Für Verkäufer

  • Offenlegungspflichten beachten: alle bekannten Mängel, Umbauten oder Nutzungen müssen genannt werden.
  • Dokumentation: Nachweise über Sanierungen, Genehmigungen und Inspektionen bereithalten.
  • Klauselgestaltung: Haftungsausschlüsse individuell formulieren und rechtlich prüfen lassen.
  • Vorsicht bei Exposés: Werbende Aussagen (z. B. „trocken“, „renoviert“) können Beschaffenheitsvereinbarungen begründen.

Empfehlung

Haftungsausschluss-Klauseln sollten nicht pauschal, sondern maßgeschneidert formuliert werden. Eine anwaltliche Prüfung vor der Beurkundung verhindert spätere Streitigkeiten über Arglist oder Unwirksamkeit.
Gerade bei älteren Gebäuden oder gewerblicher Vorbelastung lohnt sich eine rechtliche Risikoanalyse – nicht erst, wenn der Käufer bereits klagt.

(Fundstellen: (1) BGH 21.07.2017 – V ZR 250/15 · (2) BGH 09.02.2018 – V ZR 274/16 · (3) BGH 10.04.2024 – VIII ZR 161/23 · (4) BGH 27.09.2017 – VIII ZR 271/16 · (5) BGH 28.05.2021 – V ZR 24/20 · (6) OLG Saarbrücken 03.04.2025 – 4 U 27/24


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Max Hortmann
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