Haftung bei Bauarbeiten zwischen Nachbarn – Wenn der Aushub Schäden verursacht
Einleitung
Bauarbeiten sind ein häufiger Zankapfel zwischen Nachbarn – insbesondere, wenn der Bagger auf dem Nachbargrundstück arbeitet, der Boden vibriert und plötzlich Risse in der Wand oder Feuchtigkeit im Keller auftauchen. Solche Schäden werfen komplexe Rechtsfragen auf: Wer haftet – der Bauherr, der Unternehmer oder beide?
Das deutsche Zivilrecht bietet klare Regelungen zum Schutz der Nachbarn. Bauherren und Bauunternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Arbeiten keine Schäden an angrenzenden Grundstücken verursachen. Wird diese Pflicht verletzt, drohen Schadensersatzansprüche – selbst dann, wenn kein Verschulden vorliegt.
Dieser Beitrag erklärt die wichtigsten Haftungsgrundlagen, typische Schadensfälle und wie betroffene Nachbarn ihre Ansprüche erfolgreich durchsetzen können.
1. Haftung des Grundstückseigentümers
Der Eigentümer haftet auch ohne eigenes Verschulden, wenn von seinem Bauvorhaben Beeinträchtigungen ausgehen, die das Nachbargrundstück schädigen. Grundlage ist der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Zweck des Anspruchs
Der Ausgleichsanspruch soll einen fairen Interessenausgleich schaffen:
- Der Nachbar muss Bauarbeiten grundsätzlich dulden,
- erhält aber Ausgleich, wenn daraus nicht zumutbare Beeinträchtigungen oder Schäden entstehen.
Typische Fälle:
- Bodenerschütterungen durch Ramm- oder Bohrarbeiten,
- Absinken des Nachbarbodens infolge von Aushubarbeiten,
- Feuchtigkeitsschäden an Grenzwänden durch Abrissarbeiten.
Da es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt, kommt es nicht darauf an, ob der Eigentümer oder die Bauleitung fahrlässig gehandelt hat.
2. Haftung von Bauunternehmern, Architekten und Statikern
Neben dem Bauherrn haften auch die ausführenden Unternehmen und Fachleute, wenn sie gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen (§ 823 BGB).
Beispiele:
- Der Bauunternehmer gräbt eine Baugrube zu tief aus, sodass sich die Nachbarwand senkt.
- Der Statiker berechnet die Stützwand falsch, wodurch das Nachbargrundstück abrutscht.
- Der Architekt überwacht die Bauausführung nicht ordnungsgemäß und übersieht gefährliche Setzungen.
Hier liegt eine deliktische Haftung vor, weil das Eigentum des Nachbarn verletzt wird.
Auch § 909 BGB spielt eine Rolle: Wer durch Bodenvertiefung das Nachbargrundstück schädigt, muss den Schaden ersetzen – unabhängig davon, ob die Arbeiten genehmigt waren.
3. Verkehrssicherungspflichten des Bauherrn
Auch wenn der Bauherr die Arbeiten an Dritte delegiert, bleibt er verantwortlich.
Er muss überwachen, dass auf seiner Baustelle keine Gefahren für Nachbargrundstücke entstehen.
Beispiele für Pflichtverletzungen:
- unzureichende Absicherung der Baugrube,
- fehlender Schutz gegen eindringendes Grundwasser,
- unzureichende Kontrolle von Erdbewegungen oder Abrissarbeiten.
Kommt der Bauherr dieser Pflicht nicht nach, haftet er – auch neben dem Unternehmer – für die entstandenen Schäden (§ 823 BGB i. V. m. Verkehrssicherungspflichten).
4. Typische Schadensbilder in der Praxis
Risse im Mauerwerk
Bauarbeiten verursachen Vibrationen und Setzungen – oft entstehen feine Haarrisse an Wänden, Fassaden oder Fundamenten.
- Beweissicherung vor Baubeginn (Fotos, Gutachten) ist entscheidend.
- Nachweislich durch Erschütterungen verursachte Schäden sind ersatzpflichtig.
Wasserschäden
Abrissarbeiten oder defekte Drainagen führen häufig zu Durchfeuchtung oder Überflutung angrenzender Keller.
Der Bauherr haftet, wenn keine geeigneten Schutzmaßnahmen getroffen wurden.
Setzungsschäden
Gravierende Schäden entstehen, wenn durch Aushubarbeiten die Standfestigkeit des Nachbargrundstücks beeinträchtigt wird.
Nach § 909 BGB darf niemand durch Bodenvertiefung dem Nachbarn die notwendige Stütze entziehen – andernfalls besteht Schadensersatzpflicht.
5. Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen
1. Anspruchsgrundlagen
- § 823 BGB: Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung (bei Verschulden).
- § 906 Abs. 2 S. 2 BGB: Ausgleichsanspruch ohne Verschulden.
- § 909 BGB: Haftung für unerlaubte Bodenvertiefung.
2. Nachweis und Beweissicherung
Der Nachbar muss belegen:
- dass der Schaden durch die Bauarbeiten verursacht wurde,
- und nicht auf natürliche Setzungen oder Vorschäden zurückzuführen ist.
Empfohlen sind:
- Sachverständigengutachten,
- Fotodokumentationen,
- Zeugen oder Messprotokolle (z. B. Erschütterungsmessungen).
3. Schadenshöhe
Der Anspruch umfasst:
- Wiederherstellungskosten,
- Kosten für Gutachten,
- ggf. Wertminderung am Gebäude,
- und in gravierenden Fällen Nutzungsausfall.
Kann der Nachweis eines Verschuldens nicht geführt werden, greift der verschuldensunabhängige Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB.
6. Prävention: So vermeiden Bauherren Haftungsrisiken
- Beweissicherung vor Baubeginn: Zustandsprotokolle und Gutachten der Nachbargebäude.
- Kommunikation: Frühzeitige Information der Nachbarn über Art, Dauer und mögliche Auswirkungen der Bauarbeiten.
- Technische Sicherung: Erschütterungsarme Bauverfahren, Stützmaßnahmen und Drainagen.
- Versicherungsschutz: Abschluss einer Bauherrenhaftpflicht oder Bauleistungsversicherung mit Nachbarschutzklausel.
- Vertragliche Absicherung: Klare Haftungszuordnung zwischen Bauherr, Unternehmer und Architekt.
Fazit & Call-to-Action
Wer baut, trägt Verantwortung – auch für die Sicherheit der Nachbargrundstücke.
Bauherren und Unternehmer müssen Risiken frühzeitig erkennen und absichern. Kommt es dennoch zu Schäden, greift die Haftung nach § 823 BGB, § 906 Abs. 2 BGB oder § 909 BGB.
Für geschädigte Nachbarn gilt: Dokumentieren, Gutachten einholen, Fristen wahren. Mit guter Beweislage lassen sich Ansprüche meist außergerichtlich durchsetzen.
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