Kaufpreisfälligkeit und Besitzübergang – Wann zahlen, wann übernehmen?

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Kaufpreisfälligkeit und Besitzübergang – Wann zahlen, wann übernehmen?
Einleitung
Der entscheidende Moment im Grundstückskauf
Wann wird der Kaufpreis fällig – und wann darf das Grundstück tatsächlich übernommen werden? Diese Fragen entscheiden über das wirtschaftliche Risiko eines Immobilienkaufs. Wer zu früh zahlt oder zu früh übernimmt, kann im schlimmsten Fall Eigentum und Geld verlieren.
Warum die Reihenfolge zählt
Die Fälligkeit des Kaufpreises und der Besitzübergang sind zwei getrennte Rechtsakte, die im Vertrag sorgfältig aufeinander abgestimmt werden müssen. Gerade hier passieren in der Praxis die meisten Fehler – oft mit teuren Folgen für Käufer wie Verkäufer.
Ziel dieses Beitrags
Dieser Beitrag erklärt, wann der Kaufpreis rechtlich fällig wird, welche Sicherungen Käufer beachten sollten und wann der Besitz tatsächlich übergeht. Zudem werden die wichtigsten Schutzmechanismen, Pflichten des Notars und typische Streitpunkte aus der Rechtsprechung erläutert.
(Headerbild: Notar mit Kaufvertrag und Grundbuchauszug)
Rechtlicher Rahmen
1. Voraussetzungen der Kaufpreisfälligkeit
In Grundstückskaufverträgen wird die Fälligkeit meist an bestimmte Bedingungen geknüpft:
- Eintragung der Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers (§ 883 BGB). Sie schützt den Erwerber vor nachträglichen Belastungen oder Weiterveräußerungen (1)(2).
- Vorlage von Löschungsbewilligungen für bestehende Grundpfandrechte, sofern eine lastenfreie Übereignung vereinbart wurde (2).
- Erfüllung aller Sicherheiten: Der Kaufpreis darf erst gezahlt werden, wenn alle vertraglich vereinbarten Bedingungen nachweislich erfüllt sind (3).
2. Schutzwirkung der Vormerkung
Die Auflassungsvormerkung ist die zentrale Sicherung des Käufers. Der BGH (1) betonte, dass sie den Anspruch auf Eigentumsübertragung auch gegen Dritte schützt. Ohne Vormerkung besteht das Risiko, dass der Verkäufer das Grundstück doppelt veräußert oder belastet.
3. Rolle des Notars
Der Notar ist verpflichtet, Käufer und Verkäufer über die rechtliche Reihenfolge und die Risiken einer ungesicherten Vorleistung zu belehren (§ 17 BeurkG, § 19 BNotO). Unterlässt er dies, kann er haftbar sein (2)(3)(7)(8).
Besitzübergang und Risikoverteilung
1. Zeitpunkt des Übergangs
Mit dem Besitzübergang gehen regelmäßig Nutzungen, Lasten und Gefahren auf den Käufer über (§ 446 BGB). Das bedeutet: Ab dem vereinbarten Übergabetag trägt der Käufer alle laufenden Kosten, Steuern und Risiken – auch den zufälligen Untergang der Sache (4)(5).
2. Tatsächlicher Besitz vs. vertraglicher Stichtag
In der Praxis kann der tatsächliche Übergang vom vertraglichen Termin abweichen, etwa wenn der Käufer frühzeitig Schlüssel erhält oder das Grundstück schon nutzt. Maßgeblich ist immer der tatsächliche Besitzwechsel – auch steuerlich relevant (6).
3. Risiken bei vorzeitigem Besitzübergang
Wird der Besitz übergeben, bevor der Kaufpreis gezahlt ist, drohen erhebliche Risiken:
- Der Käufer könnte den Kaufpreis später nicht mehr leisten.
- Der Verkäufer verliert faktisch die Kontrolle über das Grundstück.
Zur Risikovermeidung werden häufig Zins- oder Nutzungsentschädigungen vereinbart (9)(10).
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Risiken und Schutzmaßnahmen
1. Keine Zahlung ohne Vormerkung
Die wichtigste Regel lautet: Zahlung erst nach Eintragung der Auflassungsvormerkung. Käufer sollten sich die Eintragung im Grundbuch nachweisen lassen, bevor sie überweisen (1)(2).
2. Notarielle Belehrungspflicht
Notare müssen über das Risiko ungesicherter Vorleistungen ausdrücklich belehren (7)(8). Bei Verstößen drohen Haftungsansprüche des Käufers. Besonders gefährlich sind Fälle, in denen Käufer den Kaufpreis vorzeitig überweisen, obwohl Sicherheiten fehlen.
3. Absicherung durch Fälligkeitsmitteilung
In der Praxis verschickt der Notar eine Fälligkeitsmitteilung, sobald alle Voraussetzungen erfüllt sind. Erst dann darf gezahlt werden. Käufer sollten keine Zahlungen leisten, solange diese Mitteilung nicht vorliegt.
Vertragliche Besonderheiten
1. Besitz vor Zahlung – mit Zinsklausel
Einige Verträge sehen vor, dass der Käufer das Grundstück schon vor Kaufpreiszahlung übernimmt. In solchen Fällen kann eine Zinszahlungspflicht als Nutzungsentgelt vereinbart werden. Der BGH (9) hält solche Klauseln grundsätzlich für wirksam, sofern sie transparent sind.
2. Rücktrittsrechte des Verkäufers
Bleibt die Kaufpreiszahlung trotz Fälligkeit aus, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten (§§ 323, 324 BGB). Das OLG Karlsruhe (5) betonte, dass Verkäufer sich dieses Rücktrittsrecht ausdrücklich vorbehalten sollten, um im Fall der Nichtzahlung rechtlich abgesichert zu sein.
3. Steuerliche Implikationen
Der Zeitpunkt des Besitzübergangs ist auch für steuerliche Zwecke maßgeblich – insbesondere für die Grunderwerbsteuer und Investitionszulagen (4)(6). Eine frühzeitige Übergabe kann daher steuerliche Konsequenzen auslösen, die Käufer kennen sollten.
Juristische Bewertung
1. Enge Verzahnung von Fälligkeit und Besitz
Kaufpreisfälligkeit und Besitzübergang bilden ein Spannungsverhältnis: Der Käufer möchte Sicherheit vor Zahlung, der Verkäufer Sicherheit vor Übergabe. Eine vertraglich präzise Abstimmung dieser Punkte ist unerlässlich.
2. Bedeutung der Vormerkung als Schutzinstrument
Die Auflassungsvormerkung ist der juristische Dreh- und Angelpunkt. Ohne sie ist jeder Grundstückskauf riskant. Sie verschafft dem Käufer faktisch Eigentumsschutz noch vor Eigentumserwerb (1)(3).
3. Verantwortung des Notars
Die Praxis zeigt, dass viele Risiken durch unzureichende notarielle Belehrung entstehen. Nach BGH-Rechtsprechung (7) muss der Notar Käufer ausdrücklich warnen, wenn sie zur Vorleistung verpflichtet werden.
Handlungsempfehlungen & Strategien
Für Käufer
- Zahlung erst nach Fälligkeitsmitteilung des Notars
- Vormerkung prüfen: Eintragung im Grundbuch bestätigen lassen
- Lastenfreiheit sicherstellen: Löschungsbewilligungen vorlegen lassen
- Risiken vermeiden: Keine Vorabnutzung ohne Vertrag und Zinsregelung
Für Verkäufer
- Rücktrittsrecht vertraglich sichern für den Fall der Nichtzahlung
- Übergabe erst nach Zahlung: Besitz nur nach vollständigem Zahlungseingang übergeben
- Dokumentation: Zahlungs- und Übergabezeitpunkte schriftlich festhalten
Für Notare
- Belehrungspflicht ernst nehmen: Deutlich über Vorleistungsrisiken aufklären
- Fälligkeitsmitteilung kontrollieren: Nur bei vollständiger Sicherheit freigeben
- Haftungsprävention: Alle Hinweise und Belehrungen dokumentieren

Fazit
Kaufpreisfälligkeit und Besitzübergang sind die kritischsten Phasen jedes Grundstückskaufs.
Käufer sollten niemals zahlen, bevor die Vormerkung eingetragen ist – Verkäufer sollten niemals übergeben, bevor der Kaufpreis auf dem Konto ist.
Notare tragen hier eine Schlüsselrolle: Sie sichern den Ablauf, informieren über Risiken und verhindern, dass beide Seiten in Vorleistung gehen.
(Fundstellen: (1) BGH 27.10.2006 – V ZR 234/05 · (2) OLG Frankfurt 11.07.2018 – 4 U 98/17 · (3) OLG Schleswig 25.05.2000 – 11 U 146/98 · (4) BFH 17.12.2009 – III R 92/08 · (5) OLG Karlsruhe 24.11.2010 – 6 U 107/09 · (6) Schoor, StBp 2022, 51–59 · (7) BGH 12.02.2004 – III ZR 77/03 · (8) OLG Schleswig 16.09.2004 – 11 U 45/03 · (9) BGH 26.05.2000 – V ZR 49/99 · (10) FG Dessau-Roßlau 05.08.2010 – 5 K 601/06)
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