Rückrufpflichten und Lieferantenregress – Haftung in der Zulieferkette

Verfasst von
Max Hortmann
01 Nov 2025
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Rückrufpflichten und Lieferantenregress – Haftung in der Zulieferkette

Einleitung

In modernen Industrieprozessen hängen Qualität und Sicherheit ganzer Produkte von einer komplexen Zulieferkette ab. Wenn eine Komponente fehlerhaft ist – etwa eine Hydraulikpumpe mit Serienmangel –, betrifft das nicht nur den unmittelbaren Käufer, sondern häufig auch weitere Stufen der Lieferkette. Dann steht nicht nur die Pflicht zum Rückruf im Raum, sondern auch die Frage: Wer trägt die Kosten?

Rückrufe können Millionenbeträge kosten, insbesondere wenn Ein- und Ausbaukosten, Transport, Ersatzlieferungen und Produktionsstillstände hinzukommen. Das Gesetz erlaubt es Herstellern und Verkäufern, solche Aufwendungen im Wege des Lieferantenregresses (§ 445a BGB) an ihre Vorlieferanten weiterzugeben – sofern der Mangel bereits beim Gefahrübergang bestand.
Dieser Beitrag zeigt, wann ein Rückruf rechtlich zwingend ist, welche Pflichten für Lieferanten und Hersteller gelten und wie die Regresskette in der Praxis funktioniert.

Rückrufpflichten – Wann müssen Produkte vom Markt genommen werden?

Sobald ein Produkt ein Risiko für Sicherheit oder Gesundheit darstellt, ist der Hersteller verpflichtet, unverzüglich Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Diese Pflicht ergibt sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 BGB), aus dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und aus branchenspezifischen Vorschriften wie der Maschinenrichtlinie.

Pflichten des Herstellers

  • Gefahrenüberwachung: Hersteller müssen ihre Produkte nach dem Inverkehrbringen beobachten. Ergeben sich Hinweise auf sicherheitsrelevante Mängel, müssen sie sofort reagieren.
  • Information und Rückruf: Sobald sich herausstellt, dass von einem Produkt eine erhebliche Gefahr ausgeht, ist der Hersteller verpflichtet, die zuständige Marktaufsicht zu informieren und einen Rückruf einzuleiten.
  • Schnelligkeit und Transparenz: Rückrufe müssen schnell, nachvollziehbar und dokumentiert erfolgen. Verzögerungen oder unzureichende Maßnahmen können strafrechtliche Folgen haben.

Kosten der Rückrufaktion

Rückrufe verursachen erhebliche Aufwendungen:

  • Rückholung betroffener Produkte aus dem Markt,
  • Austausch oder Reparatur,
  • Entsorgung mangelhafter Teile,
  • Kommunikations- und Informationskosten,
  • Ersatzlieferungen an Kunden.

Diese Kosten kann der Hersteller unter bestimmten Voraussetzungen auf den Zulieferer abwälzen – über den Lieferantenregress nach § 445a BGB.

Lieferantenregress (§ 445a BGB) – Der Rückgriff in der Kette

Der Lieferantenregress ist ein gesetzlicher Anspruch, der es Verkäufern ermöglicht, ihre eigenen Verluste und Aufwendungen aus der Mängelhaftung an den jeweiligen Lieferanten weiterzureichen.

Grundlage und Anwendungsbereich

Nach § 445a Abs. 1 BGB kann der Verkäufer vom Lieferanten Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Endkunden tragen musste – etwa für Reparatur, Ersatzlieferung oder Rückruf.
Der Anspruch gilt nicht nur im Verbraucherbereich (B2C), sondern ausdrücklich auch im B2B-Verhältnis, also zwischen gewerblichen Unternehmen.

Voraussetzungen

  1. Der Verkäufer hat dem Käufer gegenüber Gewährleistungsansprüche erfüllt (z. B. Nacherfüllung, Rücktritt oder Schadensersatz).
  2. Der Mangel war bereits bei Gefahrübergang auf den Verkäufer vorhanden.
  3. Der Verkäufer hat die Kosten tatsächlich getragen und dokumentiert.

Die Haftung in der Lieferkette ist damit verschuldensunabhängig: Der Zulieferer haftet, auch wenn ihn kein eigenes Verschulden trifft – entscheidend ist allein, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt der Lieferung existierte.

Kostenarten im Regress

Zu den regressfähigen Aufwendungen gehören insbesondere:

  • Kosten der Nachbesserung und Ersatzlieferung,
  • Transport- und Lagerkosten,
  • Ausbau und Wiedereinbau,
  • Arbeits- und Materialkosten,
  • Kosten des Rückrufs und der Entsorgung.

Gerade im Maschinenbau können diese Kosten erheblich sein, wenn etwa ein fehlerhaftes Hydraulikventil in Tausenden von Maschinen verbaut wurde.

Rückrufe sind Pflicht bei Gefahr. Hersteller können Ersatz von Lieferanten verlangen (§ 445a BGB).
Rückruf vermeiden: So regeln Sie Haftungsketten im Maschinenbau.

Verjährung und Fristen

Rückgriffsansprüche nach § 445b BGB verjähren zwei Jahre nach Erfüllung der Gewährleistungspflicht gegenüber dem Käufer – also ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verkäufer das defekte Produkt zurückgenommen, ersetzt oder den Kaufpreis gemindert hat.
Die absolute Verjährungsgrenze liegt bei fünf Jahren nach Lieferung an den Verkäufer.

In der Praxis empfiehlt sich eine vertragliche Verlängerung der Regressfristen, um spätere Rückrufe noch geltend machen zu können. Viele Lieferantenverträge enthalten Klauseln, die Regressrechte zeitlich beschränken – solche Klauseln müssen AGB-rechtlich überprüft werden.

Haftung in der Zulieferkette

Die Haftung in mehrstufigen Lieferketten wurde durch die Reform des Kaufrechts 2022 deutlich verschärft. Lieferanten haften jetzt ausdrücklich für Ein- und Ausbaukosten, wenn das gelieferte Teil mangelhaft war.

Beispiel:
Ein Hersteller von Hydraulikaggregaten kauft Pumpen von einem Zulieferer. Nach der Montage stellt sich heraus, dass eine fehlerhafte Dichtung zu Ölaustritt führt. Der Hersteller muss die Pumpen aus allen Maschinen ausbauen, ersetzen und einen Rückruf durchführen.
Diese Kosten – auch für Ausbau, Rückruf und Ersatzlieferung – kann er vollständig beim Zulieferer geltend machen.

Abdingbarkeit im B2B-Bereich

Zwischen Unternehmen kann § 445a BGB grundsätzlich durch individuelle Vereinbarung eingeschränkt werden.
Unwirksam sind jedoch AGB-Klauseln, die den Regress pauschal ausschließen oder unverhältnismäßig einschränken (§ 307 BGB).
Zulässig sind dagegen:

  • Regelungen zu Mitteilungspflichten bei Mängeln,
  • Kostenobergrenzen für Rückrufmaßnahmen,
  • abgestufte Haftungsverteilungen nach Verantwortung.

Digitale Komponenten und Updatepflichten

Seit 2022 gelten besondere Pflichten für Produkte mit digitalen Elementen (§ 475b BGB).
Hersteller müssen Software- und Sicherheitsupdates bereitstellen, damit das Produkt sicher und funktionsfähig bleibt.
Wird diese Pflicht verletzt, kann der Verkäufer ebenfalls Rückgriff auf den Lieferanten nehmen.

Beispiel:
Ein elektronisch gesteuertes Hydraulikventil erfordert regelmäßige Software-Updates zur Druckregelung.
Bleibt ein Update aus und führt zu Fehlfunktionen, haftet der Verkäufer gegenüber seinen Kunden – und kann anschließend den Zulieferer in Regress nehmen.

Praktische Handlungsempfehlungen

1. Vertragliche Regelungen:
Jeder Liefervertrag sollte klare Bestimmungen zur Haftung, Rückrufpflicht und Kostentragung enthalten. Empfehlenswert sind:

  • genaue Definition von Rückruf- und Informationspflichten,
  • abgestufte Haftung nach Verantwortungsbereich,
  • Dokumentations- und Meldepflichten bei Qualitätsmängeln.

2. Qualitätssicherung:
Lieferanten sollten nachweislich Qualitätssicherungsmaßnahmen (z. B. ISO-Zertifizierung) betreiben und Prüfprotokolle bereitstellen.
Diese Nachweise dienen im Regressfall als Entlastung.

3. Transparente Kommunikation:
Rückrufe müssen innerhalb der Kette offen und koordiniert erfolgen. Verschweigen oder Verzögern verschärft die Haftung.

4. Versicherungsdeckung:
Eine Produkthaftpflichtversicherung sollte ausdrücklich Rückruf- und Regresskosten abdecken. Ohne entsprechende Deckung können solche Fälle existenzbedrohend sein.

Juristische Bewertung

Die aktuelle Gesetzeslage stärkt zwar den Käuferschutz und die Endverbrauchersicherheit, erhöht aber gleichzeitig das Risiko für Lieferanten und Zulieferer.
Das Rückruf- und Regressrecht zwingt Unternehmen zu sorgfältigem Qualitätsmanagement und klarer vertraglicher Absicherung.
Wer als Lieferant Komponenten an OEMs liefert, sollte seine Vertragsklauseln regelmäßig prüfen lassen, um Haftungserweiterungen zu vermeiden.

Gleichzeitig profitieren Hersteller von der Möglichkeit, Kosten durch den gesetzlichen Regress zurückzuholen. Das schafft Ausgleich und Fairness in der Wertschöpfungskette – erfordert aber Dokumentation und rechtzeitige Geltendmachung.

Rückrufe sind Pflicht bei Gefahr. Hersteller können Ersatz von Lieferanten verlangen (§ 445a BGB).
Rückruf vermeiden: So regeln Sie Haftungsketten im Maschinenbau.

Fazit & Call-to-Action

Rückrufe sind keine Ausnahme mehr, sondern Teil moderner Produktsicherungsstrategien.
Wer fehlerhafte Hydrauliksysteme oder Komponenten in Umlauf bringt, muss schnell reagieren, um Sicherheitsrisiken zu vermeiden – und gleichzeitig seine Rückgriffsrechte sichern.

Ein strukturierter Lieferantenregress reduziert Verluste, schafft Kostentransparenz und schützt vor ungerechtfertigten Forderungen.
Die Grundlage ist immer eine rechtssichere Vertragsgestaltung – sie entscheidet, ob ein Rückruf den Hersteller ruiniert oder zur Routine wird.

Wenn Sie Ihre Haftungs- und Rückrufklauseln prüfen oder rechtssicher gestalten möchten, beraten wir Sie umfassend – technisch versiert und rechtlich fundiert.

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