Schriftform und Due Diligence – Wie Investoren Mietverträge wirklich prüfen
Verfasst von
Max Hortmann
28 Oct 2025
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Schriftform und Due Diligence – Wie Investoren Mietverträge wirklich prüfen
Einleitung
Bei Immobilientransaktionen entscheidet die Schriftform häufig über den Wert eines Objekts. Ein Mietvertrag, der formwidrig geschlossen wurde, kann jederzeit ordentlich gekündigt werden – und damit fällt die wirtschaftliche Kalkulation ganzer Investments. Gerade in Due-Diligence-Prozessen gilt die Prüfung der Schriftform als zentrale juristische Risikokontrolle: Sie bestimmt, ob ein Mietvertrag tragfähig ist, ob Renditen stabil sind und ob das Investment rechtssicher funktioniert.
Der folgende Beitrag zeigt, wie Investoren, Kanzleien und Vermieter Schriftformrisiken erkennen, bewerten und systematisch absichern können – von der Dokumentenprüfung über Vertrags-Audits bis zur Integration in digitale Compliance-Prozesse.
Schriftform als Due-Diligence-Risiko
Schriftformmängel gehören zu den Top-3-Risikofeldern in immobilienbezogenen Due-Diligence-Prüfungen. § 550 BGB verlangt, dass langfristige Mietverträge vollständig schriftlich fixiert und von allen Parteien ordnungsgemäß unterzeichnet sind. Fehlt eine Seite, ein Nachtrag oder eine Unterschrift, ist der Vertrag formnichtig und kündbar.
Mirbach/Thelen (Ott, Handbuch 2025) betonen, dass gerade bei Portfolioprüfungen formale Defizite ein „Hidden Deal Breaker“ sein können. Jeder Schriftformmangel verändert den Kapitalisierungsfaktor – denn ein kündbares Mietverhältnis wird in der Bewertung mit Abschlag berücksichtigt. Damit wird aus einem juristischen Problem ein Bilanzrisiko.
Erwerb und Bestandsprüfung
Die Mietvertragsprüfung im Rahmen der Due Diligence folgt einem klaren Dreischritt: Informationsbeschaffung – Analyse – Dokumentation.
Informationsbeschaffung: Sämtliche Mietverträge, Nachträge, Übergabeprotokolle, Anlagen, Indexierungen und Korrespondenzen müssen zusammengetragen werden. Wichtig ist die Kontrolle, ob sämtliche Nachträge tatsächlich unterschrieben und dem Hauptvertrag zugeordnet sind.
Analyse: Prüfer bewerten, ob die Schriftform eingehalten ist und welche Klauseln potenzielle Risiken bergen (z. B. unklare Flächenangaben, fehlende Bezugnahmen, unwirksame Optionsklauseln). Zudem wird geprüft, ob Kündigungsrechte aus Schriftformmängeln bestehen – ein kritischer Punkt für Investoren.
Dokumentation: Die Ergebnisse werden in Legal-Risk-Tabellen festgehalten, die für die Kaufpreisfindung und Gewährleistungsregelungen entscheidend sind. Diederichsen/Zimmer (ZfIR 2015) empfehlen, jede Schriftformabweichung gesondert zu kennzeichnen, da sie „in der Transaktion wirtschaftliche Relevanz entfaltet, auch wenn kein Prozess droht“.
Schriftform in internationalen Transaktionen
Bei grenzüberschreitenden Immobilientransaktionen – etwa deutschen Fonds, die französische oder spanische Objekte erwerben – stellt sich die Frage, welches Recht gilt. Nach Art. 14 Rom-I-VO ist das Recht des Vertrags maßgeblich; doch in der Praxis müssen deutsche Investoren bei ausländischen Mietverträgen prüfen, ob diese formalen Anforderungen des jeweiligen Landes genügen und gleichzeitig § 550 BGB-Risiken im deutschen Bewertungsstandard berücksichtigen.
Beispiel: Ein französischer Mietvertrag, der nur in Kopie vorliegt, kann in Deutschland nicht als vollwertige Urkunde gelten. Bei der Übernahme durch einen deutschen Fonds muss daher eine notarielle Beglaubigung oder neue Unterzeichnungerfolgen, um Beweiswert und Investorenvertrauen zu sichern.
Asset-Transaktionen und wirtschaftliche Auswirkungen
In Asset-Deals (Share-oder Asset-Transaction) ist die Schriftformprüfung Teil des Legal Due Diligence Tracks. Sie beeinflusst direkt den Kaufpreis:
Stabile Mietverhältnisse erhöhen den Ertragswert.
Formmängel führen zu Abschlägen oder zu Kaufpreisrückbehalten („escrow accounts“).
Bei großen Portfolios setzen Käufer zunehmend auf automatisierte Schriftform-Audits: KI-basierte Tools analysieren Vertragsstrukturen, erkennen unvollständige Unterschriften oder fehlende Verweise und markieren Risiken. Kanzleien begleiten diesen Prozess rechtlich und bestätigen die Ergebnisse in Legal Opinion Reports.
Checklisten und Audit-Methoden
Professionelle Due-Diligence-Teams arbeiten mit Schriftform-Checklisten, die typischerweise folgende Punkte abdecken:
Formprüfung: Sind alle Vertragsbestandteile körperlich verbunden und unterzeichnet?
Nachtragsprüfung: Sind Änderungen formwirksam dokumentiert?
Vertretungsprüfung: Wurden Vollmachten und Unterschriften ordnungsgemäß nachgewiesen?
Befristung & Kündigung: Ergibt sich aus dem Vertrag eine gesetzliche Kündbarkeit?
Digitaler Nachweis: Sind E-Signaturen qualifiziert oder nur fortgeschritten?
Ergänzend wird eine Risk-Scoring-Matrix verwendet, die jede Abweichung mit einem Risikowert versieht (niedrig = formkonform – hoch = Kündigungsgefahr). Solche Systeme werden zunehmend von institutionellen Vermietern eingesetzt, um Portfolios revisionssicher zu halten.
Compliance-Integration bei institutionellen Vermietern
Institutionelle Eigentümer wie Fonds, Versicherungen oder Real-Estate-AGs integrieren Schriftform-Audits in ihr Compliance-Management-System. Dabei wird jede Vertragsunterzeichnung dokumentiert, digital signiert (qeS) und mit einem Audit-Trail versehen. Diese Dokumentation reduziert nicht nur Formrisiken, sondern erhöht auch den Transaktionswert: Käufer können nachweisen, dass keine formalen Schwachstellen bestehen.
Mirbach/Thelen (2025) sehen hier den nächsten Entwicklungsschritt: Schriftformprüfung als Teil der ESG-Compliance– Transparenz und Nachvollziehbarkeit werden zu Nachhaltigkeitskriterien im rechtlichen Sinne.
Prozessuale Bedeutung
Wird nach Erwerb eines Objekts ein Schriftformmangel entdeckt, hängt die Verteidigung von der Beweisführung ab. Investoren müssen nachweisen können, dass sie bei Erwerb alle Unterlagen geprüft und keine Mängel verschwiegen haben. Die Dokumentation des Prüfprozesses ist deshalb auch prozesstaktisch relevant. Wer einen ordnungsgemäßen Due-Diligence-Bericht vorlegt, kann Ansprüche aus Gewährleistung oder arglistiger Täuschung abwehren.
Juristische Bewertung
Schriftformprüfung ist kein rein formales Thema, sondern Bestandteil der Risikosteuerung im Immobilien- und Gesellschaftsrecht. Sie verknüpft Vertragsrecht, Bewertungsrecht und Corporate Governance. Ein Formfehler kann den Unterschied zwischen einem sicheren Investment und einem streitanfälligen Objekt ausmachen.
Für Kanzleien bietet sie ein profitables Tätigkeitsfeld – zwischen Transaktionsberatung, Litigation-Support und Digital-Compliance.
Fazit
Die Einhaltung der Schriftform ist ein entscheidender Faktor in jedem Immobilientransaktionsprozess. Sie beeinflusst Bewertung, Vertragsstabilität und Verhandlungsposition. Wer Due-Diligence-Prozesse professionell strukturiert, Risiken dokumentiert und Compliance-Systeme nutzt, sichert nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche Stabilität.
Schriftformprüfung ist Due Diligence – und Due Diligence ist Kapitalerhalt.
Schriftform im Gewerbemietrecht – Die häufigsten Fehlerquellen
Wenn Schriftformverstöße zur Kündigung führen: Im Gewerbemietrecht entscheidet die Einhaltung der Schriftform nach § 550 BGB oft über Millionenwerte. Diese Serie zeigt, wo die gefährlichsten Formfehler lauern – und wie Mieter oder Vermieter sie strategisch nutzen können.
Fazit & Kontakt Die Schriftform ist mehr als Formalie – sie ist ein juristisches Werkzeug. Wenn Sie vermuten, dass Ihr Mietvertrag fehlerhaft ist oder eine strategische Prüfung wünschen: 👉 Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung.
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