Heilung, Verwirkung und Treu und Glauben – Verteidigungsstrategien des Vermieters

Verfasst von
Max Hortmann
28 Oct 2025
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Heilung, Verwirkung und Treu und Glauben – Verteidigungsstrategien des Vermieters

Einleitung

Ein Schriftformverstoß ist nicht nur ein Angriffspunkt für Mieter, sondern zugleich die Achillesferse des Vermieters. Wer langfristige Mietverträge verwaltet, muss wissen, dass § 550 BGB Formverstöße gnadenlos sanktioniert – doch ebenso bietet das Gesetz Verteidigungsansätze.
Verwirkung, Treu und Glauben und nachträgliche Heilung können verhindern, dass eine formfehlerhafte Vereinbarung zum Fallstrick wird. Der Beitrag zeigt, wie Vermieter Schriftformfehler entschärfen, Kündigungen abwehren und die Beweislast richtig nutzen.

Rechtlicher Rahmen – Warum Schriftformverstöße gefährlich sind

§ 550 BGB verlangt, dass langfristige Mietverträge in Schriftform abgeschlossen werden. Wird sie verletzt, kann der Vertrag mit gesetzlicher Frist ordentlich gekündigt werden. Der Mangel führt zwar nicht zur Nichtigkeit, zerstört aber die Laufzeitbindung.

Für Vermieter ist dieser Mechanismus riskant: Ein Mieter kann plötzlich aussteigen, obwohl der Vertrag zehn oder fünfzehn Jahre laufen sollte.
Deshalb entwickeln Kanzleien Verteidigungsstrategien, die den Schriftformverstoß neutralisieren – nicht durch Umgehung, sondern durch rechtlich anerkannte Korrekturmechanismen.

Heilung – nur durch neue Vereinbarung

Schriftformheilungsklauseln, die eine automatische „Heilung“ versprechen, sind unwirksam. Der BGH (XII ZR 114/16) und die Literatur (Bińkowski / Mönig, ZfIR 2018; Nemzov / Aspar 2019) stellen klar: Parteien können die gesetzliche Kündbarkeit nicht ausschließen.

Eine Heilung ist nur möglich, wenn beide Seiten eine neue formgerechte Urkunde unterzeichnen, die den bisherigen Inhalt vollständig wiedergibt.
Einseitige Bestätigungen oder Nachreichungen genügen nicht.

Elmar Streyl (NZM 2015, 28) betont, dass jede Heilung eine „Neuverkörpung“ des Vertrages darstellt. Damit beginnt eine neue Bindung, die wieder alle Formerfordernisse erfüllen muss.

Schriftform § 550 BGB – Treu und Glauben, Verwirkung, Heilung, Kanzlei Hortmann Law Frankfurt
Digitale Vertragsunterlagen mit hervorgehobenen Paragraphenzeichen – Symbol für Verteidigungsstrategien gegen Schriftformkündigungen im Gewerbemietrecht.

Nachträgliche Bestätigung und Nachholklauseln

In der Praxis versuchen Parteien häufig, Formfehler über sogenannte Nachholklauseln zu korrigieren („Die Parteien verpflichten sich, etwaige Formmängel unverzüglich zu beheben“).
Diese Klauseln sind rechtlich zulässig, schaffen aber keine automatische Heilung.
Ihr Wert liegt im Bereich des Treu-und-Glauben-Schutzes: Kündigt die Gegenseite, ohne die Möglichkeit zur Nachholung einzuräumen, kann die Kündigung treuwidrig sein (§ 242 BGB).

Das OLG Rostock (3 U 108/07) bestätigte: Wer sich vertraglich zur Heilung verpflichtet, darf sich später nicht sofort auf den Formmangel berufen.

Verwirkung als Verteidigungsstrategie

Der Einwand der Verwirkung schützt Vermieter, wenn der Mieter den Formmangel über längere Zeit hinnimmt und das Mietverhältnis fortsetzt.
Voraussetzungen:

  1. Zeitmoment: Der Berechtigte hat den Mangel lange nicht geltend gemacht.
  2. Umstandsmoment: Der Gegner durfte auf den Fortbestand vertrauen.

Dagny Liceni-Kierstein (2015) beschreibt Verwirkung als „Schutz berechtigten Vertrauens vor verspäteter Rechtsausübung“.
Beispiel: Ein Mieter nutzt die Fläche zehn Jahre, investiert, verlängert stillschweigend – erst danach beruft er sich auf den Schriftformfehler. In solchen Fällen hat die Kündigung keine Chance, weil sie gegen Treu und Glauben verstößt.

Treu und Glauben – die übergreifende Korrekturinstanz

Der wohl stärkste Verteidigungsansatz ist der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Eine Partei darf sich auf einen Formmangel nicht berufen, wenn sie ihn selbst verursacht oder daraus unbillige Vorteile zieht.

Die Rechtsprechung fordert eine Interessenabwägung:

  • Hat der Mieter im Vertrauen auf Vertragsbestand investiert?
  • Hat der Vermieter den Mangel bewusst herbeigeführt oder verschwiegen?
  • Führt die Kündigung zu einem untragbaren Ergebnis?

Das OLG Köln (1 U 43/04) wertete die Berufung auf einen selbst verschuldeten Formmangel als treuwidrig, weil der Vermieter jahrelang von der Vereinbarung profitiert hatte.
Diese Linie dient Kanzleien als Kernargument, wenn Mandanten sich gegen opportunistische Kündigungen verteidigen müssen.

Prozessuale Verteidigung und Beweislast

Im Prozess trägt grundsätzlich der Kündigende die Beweislast für den Schriftformmangel.
Der Vermieter kann mit positivem Gegenbeweis argumentieren:

  • Nachträgliche Heilung durch neue Urkunde;
  • Verwirkung durch langes Zuwarten;
  • Treuwidrigkeit durch widersprüchliches Verhalten.

Praktisch wichtig: Schon im frühen Stadium des Rechtsstreits sollte dokumentiert werden, dass der Vermieter zur Nachholung bereit war.
Eine einfache Korrespondenz („Wir schlagen eine formgerechte Neufassung vor“) kann entscheidend sein, um den Treuwidrigkeitseinwand zu untermauern.

Rechtsprechung zur Verteidigungsseite

  • BGH XII ZR 114/16: Heilungsklauseln unwirksam, aber Berufung auf Mangel kann treuwidrig sein.
  • OLG Köln 1 U 82/18: Vermieter darf sich auf Nachholklausel berufen, wenn der Mieter Heilung verweigert.
  • KG Berlin 8 U 116/16: Kündigung unzulässig, wenn Verlängerungsoption formlos, aber nachträglich bestätigt wurde.
  • OLG Rostock 3 U 108/07: Vertragsfortsetzung trotz Mangel kann Treuwidrigkeit begründen.

Diese Entscheidungen bilden die Grundlage für jede Verteidigungsstrategie gegen Schriftformkündigungen.

Ökonomische Bewertung

Für Vermieter hat die Verteidigung gegen Schriftformkündigungen hohe wirtschaftliche Bedeutung:
Ein verloren gegangener Langzeitmieter kann den Cash-Flow eines Objekts massiv beeinträchtigen.
Die juristische Strategie dient daher nicht nur der Prozessabwehr, sondern der Bestandssicherung und Werterhaltung.

Kanzleien, die präventive Schriftform-Checks und Nachholvereinbarungen anbieten, positionieren sich im Markt als Risikoverhinderer statt Schadensmanager.

Handlungsempfehlungen für Vermieter

  1. Vertragsarchiv prüfen: Alle Mietverträge auf Anlagenbindung und Unterzeichnung kontrollieren.
  2. Nachholvereinbarungen anbieten: Frühzeitig schriftliche Neufassungen vorbereiten.
  3. Kündigungsdrohung dokumentieren: Nachweis, dass der Vermieter zur Heilung bereit war.
  4. Treu-und-Glauben prüfen: Kündigung durch Mieter auf Rechtsmissbrauch hinterfragen.
  5. Prozessstrategie: Kombination aus Verwirkung, Heilung und Treu und Glauben – abgestimmt auf Beweislastsituation.

Strategischer Mandatsnutzen

Für die Kanzleipraxis bietet dieser Verteidigungsbereich gleich mehrere Chancen:

  • Bestandsmandate sichern: Regelmäßige Überprüfung von Portfolios institutioneller Vermieter.
  • Prozessverteidigung: Abwehr von Schriftformkündigungen mit klarer Argumentationslinie.
  • Beratungsprodukt: Entwicklung standardisierter Nachhol- und Heilungsvereinbarungen.

Mandanten profitieren doppelt: durch Bestandsschutz und strategische Rechtssicherheit.

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Fazit

Treu und Glauben, Verwirkung und Heilung sind die drei Schutzschilde des Vermieters gegen Schriftformkündigungen.
Sie neutralisieren formale Schwächen und verschieben das Risiko dorthin, wo es hingehört – zu jenen, die opportunistisch handeln.

Wer frühzeitig Nachholklauseln nutzt, klare Kommunikation dokumentiert und Investitionen der Gegenseite respektiert, macht den Schriftformverstoß rechtlich zahnlos.

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Fazit & Kontakt
Die Schriftform ist mehr als Formalie – sie ist ein juristisches Werkzeug.
Wenn Sie vermuten, dass Ihr Mietvertrag fehlerhaft ist oder eine strategische Prüfung wünschen:
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Max Hortmann
Rechtsanwalt
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