Mietgegenstand und Flächenpläne – Wenn die Anlage den Vertrag zerstört

Verfasst von
Max Hortmann
28 Oct 2025
Lesezeit:
Diesen Beitrag teilen

Mietgegenstand und Flächenpläne – Wenn die Anlage den Vertrag zerstört

Bestimmtheit der Mietsache als Kern der Schriftform

Die eindeutige Beschreibung des Mietgegenstands ist das Herzstück jedes Gewerbemietvertrags. Nur wenn aus der Vertragsurkunde klar hervorgeht, welche Fläche vermietet wird, ist die Schriftform des § 550 BGB gewahrt.

Fehlt diese Bestimmtheit – etwa durch unklare Bezeichnungen, fehlende Pläne oder widersprüchliche Angaben – wird der Vertrag kündbar. Der Gesetzgeber verlangt, dass der Mietgegenstand eindeutig identifizierbar ist, ohne Rückgriff auf mündliche Absprachen oder außerhalb der Urkunde liegende Unterlagen.

Bezugnahme auf Anlagen und Zuordnungsprobleme

Eine häufige Fehlerquelle liegt in der Bezugnahme auf Pläne oder Baubeschreibungen, die nicht oder nur teilweise Bestandteil des Vertrags sind. Die Schriftform wird nur gewahrt, wenn der Vertrag ausdrücklich auf die Anlage verweist und diese auch körperlich verbunden oder eindeutig zuordenbar ist.

Fehlt die Verbindung – etwa wenn Lagepläne lose beigeheftet oder digital separat gespeichert sind – liegt ein Schriftformmangel vor. Die Rechtsprechung (BGH XII ZR 253/01) verlangt, dass der gesamte Vertragsinhalt aus der Urkunde selbst ersichtlich sein muss.

Flächenabweichungen und „ca.-Angaben“

Oft enthalten Verträge Formulierungen wie „ca. 420 m² Bürofläche“. Solche Angaben entbinden die Parteien nicht von der Pflicht zur genauen Bestimmung. Weicht die tatsächliche Fläche erheblich von der vereinbarten ab, kann dies zu Mietminderung, Schadensersatz oder gar Kündigung führen.

Das OLG Rostock (7 U 200/97) stellte klar, dass eine ca.-Angabe keine völlige Unverbindlichkeit bedeutet, sondern durch Auslegung konkretisiert werden muss. Bereits eine Abweichung von über 10 % kann erhebliche Folgen haben.

Schriftform § 550 BGB – digitale Vertragsanalyse, Flächenplan, Gewerbemiete, Hortmann Law Frankfurt
Digitale Vertrags- und Flächenanalyse im Gewerbemietrecht – Visualisierung der Bestimmtheit der Mietsache und Prüfung der Schriftform nach § 550 BGB.

Fehlende oder unklare Anlagen

Besonders gefährlich sind Verweise wie „gemäß beiliegendem Plan“ oder „laut Anlage 1“, wenn diese Anlagen fehlen oder unleserlich sind. Ein fehlender Plan führt dazu, dass der Mietgegenstand nicht bestimmbar ist – und der Vertrag damit formunwirksam wird.

Auch ungenaue Planbezeichnungen („Grundriss EG“) ohne Datumsangabe oder Versionsnummer genügen nicht. In der Praxis kommt es häufig vor, dass mehrere PDF-Versionen eines Plans kursieren, aber nur eine unterzeichnet wurde.

Digitalisierung und Planverweise

Die Digitalisierung bringt neue Risiken: Pläne werden heute meist als PDF oder CAD-Datei geführt. Damit diese digitale Anlage wirksam Bestandteil des Vertrags ist, muss sie eindeutig identifizierbar und archiviert sein.

Wird sie nur per E-Mail übermittelt oder liegt sie auf einem Cloud-Server, ohne Signatur oder klare Zuordnung, entsteht eine Beweis- und Schriftformlücke. Kanzleien sollten hier eine digitale Versionskontrolle einführen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Praxisbeispiele und häufige Streitfälle

In der Praxis finden sich immer wieder Vertragsmängel wie:

  • Flächenangabe im Vertrag „410 m²“ – Plan zeigt 384 m²; keine schriftliche Korrektur.
  • Bezugnahme auf „Anlage 1“ – Plan fehlt in der Vertragsmappe.
  • Mieter erhält andere Raumaufteilung als im Plan vorgesehen.

Das KG Berlin (8 U 157/21) entschied, dass solche Widersprüche die Schriftform verletzen, da der Mietgegenstand nur durch mündliche Erläuterung bestimmbar wäre.

Strategische Bedeutung für Mieter und Vermieter

Für Mieter eröffnen solche Formmängel erhebliche Chancen:
Sie können den Vertrag vorzeitig kündigen oder Mietminderungen geltend machen, wenn die tatsächliche Nutzung von der Vereinbarung abweicht.

Für Vermieter liegt die Stärke in präziser Vertragsgestaltung:
Nur durch vollständige und nummerierte Anlagen kann ein Schriftformangriff abgewehrt werden. Eine klare Dokumentation – idealerweise mit digitaler Signatur und verbindlichem Index – verhindert spätere Streitigkeiten.

Beispiel aus der Rechtsprechung

Ein Gewerbemietvertrag über Lagerhallen in Hamm enthielt den Verweis „siehe beiliegenden Lageplan“. Der Plan war jedoch nur als digitaler Scan vorhanden und wurde nie mit dem Vertrag verbunden. Das OLG Hamm (5 U 112/19) entschied: Die Schriftform war nicht gewahrt. Der Mieter konnte mit gesetzlicher Frist kündigen.

Dieses Urteil zeigt, wie leicht sich ein langfristig geplanter Vertrag auflösen lässt, wenn die Anlage fehlt oder unklar ist.

Schriftform § 550 BGB – digitale Vertragsanalyse, Flächenplan, Gewerbemiete, Hortmann Law Frankfurt
Digitale Vertrags- und Flächenanalyse im Gewerbemietrecht – Visualisierung der Bestimmtheit der Mietsache und Prüfung der Schriftform nach § 550 BGB.

Fazit

Die Bestimmtheit der Mietsache ist das Fundament jedes wirksamen Mietvertrags. Schon kleine Unklarheiten bei Flächenangaben oder Planverweisen können zu einem Schriftformverstoß führen.

Eine gründliche Prüfung aller Vertragsunterlagen – auch der digitalen Anlagen – ist daher zwingend. Wer hier sorgfältig arbeitet, schützt sich vor kostspieligen Streitigkeiten und erhält die wirtschaftliche Stabilität seines Mietverhältnisses.

Schriftform im Gewerbemietrecht – Die häufigsten Fehlerquellen

Wenn Schriftformverstöße zur Kündigung führen:
Im Gewerbemietrecht entscheidet die Einhaltung der Schriftform nach § 550 BGB oft über Millionenwerte. Diese Serie zeigt, wo die gefährlichsten Formfehler lauern – und wie Mieter oder Vermieter sie strategisch nutzen können.

Schriftformpflicht als Zündschnur – § 550 BGB und seine wirtschaftliche Sprengkraft
Warum § 550 BGB die wirtschaftlich wichtigste Vorschrift im Gewerbemietrecht ist und wie kleine Formfehler zur sofortigen Kündigung führen können.

Nachträge und Änderungsvereinbarungen – Das Einfallstor für Formverstöße
Nachträge ohne klare Bezugnahme oder Unterschrift sind die häufigste Fehlerquelle. Dieser Beitrag zeigt, wie sie Formnichtigkeit verursachen.

Mietzins, Indexklauseln und Anpassungen – Wo digitale Änderungen die Form sprengen
E-Mail-Korrekturen oder digitale Nachträge sind riskant. Hier erfahren Sie, wann Mietzinsänderungen die Schriftform zerstören.

Bauträgerbeschreibungen und technische Anlagen – Verhängnisvolle Bezugnahmen
Fehlerhafte Verweise auf Baubeschreibungen oder technische Unterlagen führen häufig zur Unwirksamkeit – insbesondere bei Neubauten.

Vertretungsmacht und Signaturfehler – Wenn die falsche Hand unterschreibt
Hausverwaltungen und Asset-Manager unterschreiben oft ohne Vollmacht – dieser Artikel zeigt, wann das Mietverhältnis trotzdem nichtig ist.

Kündigung wegen Schriftformverstoß – Recht, Risiko, Rendite
Wie Sie Schriftformfehler als Kündigungsgrund einsetzen und welche taktischen Risiken bestehen. Ein Leitfaden für Mieter und Investoren.

Heilung, Verwirkung und Treu und Glauben – Verteidigungsstrategien des Vermieters
Wie Vermieter Schriftformverstöße heilen oder die Kündigung abwehren können – mit praxisnahen Argumenten und aktueller Rechtsprechung.

Beteiligungsstrukturen und Vertragsketten – Schriftform bei Mehrparteienverhältnissen
Mehrere Mieter, mehrere Gesellschaften – jede Unterschrift zählt. Hier erfahren Sie, wo sich bei Joint-Ventures die Formfehler verstecken.

Form und Digitalisierung – E-Signatur, DocuSign und PDF-Fallen
Was bei elektronischen Signaturen rechtssicher ist – und wann DocuSign & Co. die Schriftform unwirksam machen.

Schriftform und Due Diligence – Wie Investoren Mietverträge wirklich prüfen
Schriftformmängel als Dealbreaker: Warum Due-Diligence-Teams jedes Vertragsdokument einzeln prüfen müssen.

Schriftformverstöße im Prozess – Beweislast, Taktik, Urteilspraxis
Wie Gerichte mit Formverstößen umgehen, wer beweispflichtig ist und wie Sie prozessual die Oberhand behalten.

Fazit & Kontakt
Die Schriftform ist mehr als Formalie – sie ist ein juristisches Werkzeug.
Wenn Sie vermuten, dass Ihr Mietvertrag fehlerhaft ist oder eine strategische Prüfung wünschen:
👉 Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung.

Max Hortmann
Rechtsanwalt
,
Hortmann Law

Suchen Sie dringend diskrete, juristische Unterstüzung?

Wir helfen Ihnen gerne persönlich weiter – schildern Sie uns Ihr Anliegen und wir finden gemeinsam eine Lösung.

Verwandte Artikel

Das könnte Sie auch interessieren

Entdecken Sie weitere Beiträge zu aktuellen Themen rund um Digitalrecht, Cybercrime, Datenschutz, KI und Steuerrecht. Unsere verwandten Artikel geben Ihnen zusätzliche Einblicke und vertiefende Analysen.