Vorkaufsrecht der Gemeinde – Wenn der Kauf plötzlich scheitert

Verfasst von
Max Hortmann
01 Nov 2025
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Vorkaufsrecht der Gemeinde – Wenn der Kauf plötzlich scheitert

Einleitung

Wenn die Gemeinde das Grundstück beansprucht

Sie haben ein Grundstück gefunden, den Kaufvertrag unterzeichnet – und plötzlich meldet sich die Gemeinde: Sie macht ihr Vorkaufsrecht geltend. Viele Käufer wissen in diesem Moment nicht, was das bedeutet. Der Traum vom Eigenheim oder der geplanten Investition scheint zu platzen, noch bevor der Kauf vollzogen ist.

Warum das Vorkaufsrecht existiert

Das kommunale Vorkaufsrecht (§§ 24 ff. BauGB) soll der Gemeinde ermöglichen, Grundstücke in bestimmten Gebieten selbst zu erwerben, um städtebauliche Ziele zu sichern – etwa Grünflächen, sozialen Wohnungsbau oder öffentliche Infrastruktur.

Ziel dieses Beitrags

Der Beitrag erklärt, wann und unter welchen Bedingungen Gemeinden das Vorkaufsrecht ausüben dürfen, welche Fristen gelten und wie Käufer und Verkäufer sich gegen unberechtigte Eingriffe wehren können.

(Headerbild: Stadtplan mit markiertem Grundstück und Stempel „Vorkaufsrecht“)

Rechtlicher Rahmen

1. Gesetzliche Grundlagen

Die zentrale Rechtsgrundlage bildet § 24 BauGB. Danach dürfen Gemeinden ein Vorkaufsrecht nur in bestimmten Fällen ausüben – etwa wenn das Grundstück in einem Bebauungsplangebiet, Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich liegt.
Gemäß § 28 Abs. 2 BauGB muss die Gemeinde innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags entscheiden, ob sie das Vorkaufsrecht ausübt (1)(2).

2. Voraussetzungen der Ausübung

Das Vorkaufsrecht darf nur geltend gemacht werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt (§ 24 Abs. 3 BauGB). Eine bloße Erwerbsinteresse der Gemeinde reicht nicht aus (2).
Wird das Recht ohne sachliche Begründung ausgeübt, kann der Käufer dagegen Widerspruch und Klage einlegen (§ 80 Abs. 1 VwGO).

3. Verfahren und Fristen

Die Ausübung erfolgt durch Verwaltungsakt. Mit dessen Zustellung entsteht ein neuer Kaufvertrag zwischen der Gemeinde und dem Verkäufer – zu denselben Konditionen wie im ursprünglichen Vertrag (§ 28 Abs. 4 BauGB) (3)(4).
Versäumt die Gemeinde die Zweimonatsfrist, erlischt das Recht automatisch (§ 28 Abs. 5 BauGB).

Ablauf des Vorkaufsverfahrens

1. Mitteilungspflicht und Prüfungsphase

Nach Abschluss des Kaufvertrags muss der Notar diesen unverzüglich der Gemeinde anzeigen. Ab Zugang der Mitteilung beginnt die zweimonatige Prüfungsfrist zu laufen. In dieser Zeit entscheidet die Gemeinde, ob sie ihr Vorkaufsrecht ausübt oder verzichtet (1)(4).

2. Ausübung durch Verwaltungsakt

Wird das Recht ausgeübt, tritt die Gemeinde in den bestehenden Kaufvertrag ein. Käufer und Verkäufer werden hierüber durch einen Bescheid informiert. Der ursprüngliche Käufer verliert dadurch seinen Erwerbstitel, kann aber ggf. Entschädigung verlangen.

3. Rücktrittsrecht des Verkäufers

Reduziert die Gemeinde den Kaufpreis auf den Verkehrswert (§ 28 Abs. 3 BauGB), darf der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten. Diese Regel schützt Eigentümer vor unzumutbaren wirtschaftlichen Nachteilen (5)(6).

Notar prüft Grundstückskaufvertrag – Käuferrechte, Finanzierung, Haftung und Vorkaufsrecht rechtlich abgesichert.
Grundstückskauf rechtssicher gestalten – Finanzierung, Haftungsausschluss und Vorkaufsrecht im Immobilienrecht.

Entschädigung und Rechtsmittel

1. Entschädigungsansprüche

Erleidet der Käufer durch die Ausübung des Vorkaufsrechts Vermögensnachteile – etwa Notarkosten oder entgangene Investitionen –, kann er von der Gemeinde Entschädigung verlangen (§ 28 Abs. 6 BauGB).
Dies wurde durch den BGH (3) bestätigt: Entsteht dem Verkäufer durch verspätete Kaufpreiszahlung oder dem Käufer durch den Verlust der Erwerbschance ein Schaden, ist die Gemeinde ersatzpflichtig.

2. Widerspruch und Klage

Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt. Käufer können Widerspruch einlegen oder vor dem Verwaltungsgericht Klage erheben (§ 80 Abs. 1 VwGO) (2)(3).
Die Klage hat aufschiebende Wirkung – das Grundstück darf also bis zur gerichtlichen Klärung nicht anderweitig veräußert werden.

Einschränkungen und Ausnahmen

1. Kein Vorkaufsrecht bei Bebauung oder Eigennutzung

Gemäß § 26 BauGB ist das Vorkaufsrecht ausgeschlossen, wenn das Grundstück bereits bebaut ist oder der Käufer es für eigene Wohnzwecke nutzt (1).
Auch beim Erwerb innerhalb der Familie oder bei öffentlichen Trägern kann das Recht nicht geltend gemacht werden.

2. Ausübung zugunsten Dritter

Besonders umstritten sind Fälle, in denen Gemeinden das Vorkaufsrecht zugunsten Dritter ausüben, etwa für gemeinnützige Wohnbaugesellschaften oder Stiftungen (§ 27a BauGB). Hier ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob das Gemeinwohl tatsächlich gewahrt ist (2).

3. Erlöschen des Vorkaufsrechts

Das Recht erlischt automatisch, wenn die Gemeinde innerhalb der Frist nicht reagiert oder ausdrücklich auf die Ausübung verzichtet (§ 28 Abs. 5 BauGB) (4).

Juristische Bewertung

1. Öffentlich-rechtliche Kontrolle mit zivilrechtlichen Folgen

Das Vorkaufsrecht ist ein hybrides Instrument: Es wird durch Verwaltungsakt ausgeübt, hat aber unmittelbare zivilrechtliche Wirkung. Käufer verlieren ihren Erwerbsanspruch, ohne dass sie aktiv beteiligt werden.

2. Schutzmechanismen für Käufer

Das Gesetz gewährt Käufern Schutz über den Entschädigungsanspruch (§ 28 Abs. 6 BauGB) und die Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes (§ 80 VwGO). Käufer sollten frühzeitig prüfen, ob das Grundstück in einem Gebiet mit Vorkaufsrecht liegt.

3. Bedeutung für Verkäufer

Auch Verkäufer sollten beachten, dass sie nach Ausübung des Vorkaufsrechts an die Gemeinde verkaufen müssen – und zwar zu den Konditionen des ursprünglichen Vertrags, selbst wenn ein höheres Angebot vorlag.

Praktische Streitfelder & Angriffspunkte

1. Verspätete Ausübung durch die Gemeinde

Übt die Gemeinde das Recht nach Ablauf der Zweimonatsfrist aus, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig. Käufer können die Aufhebung beantragen und Schadensersatz verlangen (3)(4).

2. Fehlende Begründung des Allgemeininteresses

Wird das Vorkaufsrecht ohne nachvollziehbare städtebauliche Begründung ausgeübt, verstößt dies gegen § 24 Abs. 3 BauGB. Käufer sollten den Verwaltungsakt genau prüfen lassen, da viele Bescheide formell oder materiell fehlerhaft sind (2)(3).

3. Entschädigungshöhe und Zinsansprüche

Bei Rückabwicklung und verspäteter Kaufpreiszahlung kann der Verkäufer nach BGH-Rechtsprechung (5) Zinsen verlangen. Käufer sollten den Umfang ihrer Ersatzansprüche sorgfältig dokumentieren.

Handlungsempfehlungen & Strategien

Für Käufer

  • Vorkaufsrecht prüfen: Bereits im Vorfeld klären, ob das Grundstück in einem Gebiet mit Vorkaufsrecht liegt (§ 24 BauGB).
  • Widerspruchsfrist wahren: Innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids Widerspruch einlegen.
  • Schadensersatz prüfen: Bei unrechtmäßiger Ausübung der Gemeinde Entschädigungsansprüche geltend machen (§ 28 Abs. 6 BauGB).

Für Verkäufer

  • Fristen im Blick behalten: Zweimonatsfrist (§ 28 Abs. 2 BauGB) notieren und auf fristgerechte Entscheidung der Gemeinde achten.
  • Rücktrittsrecht sichern: Wenn der Kaufpreis auf Verkehrswert reduziert wird, Rücktritt erklären (§ 28 Abs. 3 BauGB).
  • Juristische Prüfung: Vor Vertragsunterzeichnung prüfen lassen, ob ein Vorkaufsrecht besteht und wie es im Vertrag zu berücksichtigen ist.

Für Gemeinden

  • Begründungspflicht beachten: Jede Entscheidung muss das öffentliche Interesse klar darlegen.
  • Verfahren sauber dokumentieren: Fristen, Bescheide und Aktenvermerke sind entscheidend für die Rechtmäßigkeit.
Notar prüft Grundstückskaufvertrag – Käuferrechte, Finanzierung, Haftung und Vorkaufsrecht rechtlich abgesichert.
Grundstückskauf rechtssicher gestalten – Finanzierung, Haftungsausschluss und Vorkaufsrecht im Immobilienrecht.

Fazit

Das Vorkaufsrecht der Gemeinde ist ein starkes, aber streng begrenztes Instrument. Es darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies erfordert – nicht aus bloßem Erwerbsinteresse. Käufer und Verkäufer sollten die rechtlichen Abläufe genau kennen, da Fristen und Begründungspflichten entscheidend sind.
Wer ein Grundstück erwerben will, sollte vor Vertragsabschluss prüfen, ob ein kommunales Vorkaufsrecht besteht – und sich im Fall eines Bescheids sofort anwaltlich beraten lassen.

(Fundstellen: (1) BGBl I Nr. 72 v. 10.11.2017 · (2) Noe, I. Bauplanungsrecht, 2025 · (3) BGH 05.05.1988 – III ZR 105/87 · (4) § 28 BauGB v. 14.06.2021 · (5) BGH 10.07.1986 – III ZR 44/85 · (6) Bruschke, UVR 2019, 244–248)


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