Welches Erbrecht gilt? – Die EU-Erbrechtsverordnung und internationale Erbfälle

Verfasst von
Max Hortmann
26 Oct 2025
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Welches Erbrecht gilt? – Die EU-Erbrechtsverordnung und internationale Erbfälle

Welches Erbrecht gilt bei Auslandsnachlässen? Was die EU-ErbVO für Erben und Erblasser wirklich bedeutet.

Einleitung

Die Frage nach dem anwendbaren Erbrecht ist im internationalen Kontext entscheidend, insbesondere bei grenzüberschreitenden Nachlässen. Die EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) bietet hier eine einheitliche Regelung, die Konflikte durch Rechtswahl vermeiden kann.

Ausgangspunkt: Erben über Landesgrenzen hinweg

Die zunehmende Mobilität innerhalb Europas führt dazu, dass immer mehr Menschen Vermögen im Ausland besitzen oder ihren Lebensabend im EU-Ausland verbringen. Immobilien in Spanien, Konten in der Schweiz, Kinder mit Wohnsitz in Österreich – das Erbrecht muss dem folgen. Vor Inkrafttreten der EU-ErbVO im Jahr 2015 war unklar, welches nationale Erbrecht in solchen Fällen gilt. Das führte zu widersprüchlichen Entscheidungen und rechtlicher Unsicherheit.

Die EU-Erbrechtsverordnung (ErbVO Nr. 650/2012)

Ziel und Anwendungsbereich

Die Verordnung regelt das anwendbare Erbrecht sowie die internationale Zuständigkeit der Nachlassgerichte bei grenzüberschreitenden Erbfällen innerhalb der EU. Sie gilt seit dem 17. August 2015 in allen EU-Mitgliedstaaten – mit Ausnahme von Irland, Dänemark und dem Vereinigten Königreich.

Definition des "gewöhnlichen Aufenthalts"

Der zentrale Anknüpfungspunkt ist der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes (Art. 21 EuErbVO). Dieser ersetzt das Staatsangehörigkeitsprinzip und richtet sich nach dem Lebensmittelpunkt. Relevant sind z. B. Dauer, Regelmäßigkeit und Integration am Aufenthaltsort. Bei unsicheren Konstellationen (z. B. Wohnsitzwechsel kurz vor dem Tod) kann das Recht eines früheren Aufenthaltsstaates zur Anwendung kommen.

Welches Erbrecht gilt? – Die Anknüpfung über den Aufenthaltsort

Wohnsitzwechsel kurz vor dem Tod

Ein kurzfristiger Umzug – z. B. zu Pflegezwecken – führt nicht automatisch zur Anwendung des neuen nationalen Erbrechts. Entscheidend ist, ob der neue Wohnsitz bereits als Lebensmittelpunkt anzusehen ist. Ansonsten kann das Erbrecht des vorherigen Aufenthaltsstaates gelten (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO).

Mehrfache Staatsangehörigkeit

Erblasser mit mehreren Staatsangehörigkeiten können unter bestimmten Voraussetzungen das Recht eines der Heimatstaaten wählen (Art. 22 EuErbVO). Ohne ausdrückliche Rechtswahl greift jedoch allein der Aufenthaltsort.

Unterschiede zum Staatsangehörigkeitsprinzip

Vor der EU-ErbVO knüpften viele Rechtsordnungen an die Staatsangehörigkeit an. Das führte dazu, dass deutsche Erblasser mit Wohnsitz im Ausland nach deutschem Recht beerbt wurden – auch wenn die Verbindung zur Heimat minimal war. Die neue Verordnung sorgt für kohärente Zuständigkeit und Rechtssicherheit.

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Rechtswahl im Testament: Wann sie sinnvoll ist

Möglichkeit zur Bestimmung des Heimatrechts

Die EU-ErbVO erlaubt dem Erblasser, das Recht eines Staates zu wählen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Diese Rechtswahl muss ausdrücklich im Testament oder Erbvertrag erfolgen. Sie gibt Gestaltungssicherheit und verhindert Rechtszersplitterung im Erbfall.

Vorteile und Risiken einer Rechtswahl

Vorteil: Anwendung des bekannten Heimatrechts (z. B. deutsches Pflichtteilsrecht). Risiko: Unwirksamkeit durch Formfehler oder Mehrdeutigkeit. Eine falsch formulierte oder fehlende Rechtswahl kann zu Gerichtsverfahren, Anfechtungen und unerwarteten Steuerfolgen führen.

Formulierungsempfehlungen

Beispiel: „Für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen dieses Testaments wähle ich das deutsche Erbrecht, unabhängig von meinem gewöhnlichen Aufenthalt, meiner Staatsangehörigkeit und der Belegenheit der zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände im Zeitpunkt meines Todes.“

Konfliktpotenzial bei internationalen Nachlässen

Unterschiedliche Rechtssysteme

In Deutschland besteht ein zwingendes Pflichtteilsrecht. In vielen Common-Law-Staaten existiert das nicht. Ohne Rechtswahl kann ein Erblasser damit unbeabsichtigt seine Nachlassverteilung verändern. Auch Ehegattenerbrecht, Steuerrecht und Formvorschriften weichen stark voneinander ab.

Doppeltestamente und widersprüchliche Verfügungen

Wer in mehreren Ländern testiert, läuft Gefahr, widersprückliche Anordnungen zu hinterlassen. Besser: Ein zentrales, klar formuliertes Testament mit Rechtswahl – abgestimmt mit Experten für internationales Erbrecht.

Steuerliche Folgen

Unterschiedliche Erbschaftsteuermodelle können zur Doppelbesteuerung führen. Auch das Steuerrecht sollte bei der Rechtswahl beachtet werden, etwa bei Immobilien oder Betriebsvermögen im Ausland.

Handlungsempfehlung für Erblasser und Erben

Wann anwaltliche Nachlassplanung sinnvoll ist

Spätestens bei Auslandsvermögen, Wohnsitzwechsel oder mehreren Staatsangehörigkeiten sollte der Nachlass strukturiert geplant werden. Besonders bei Immobilien im Ausland oder Konten in anderen Staaten drohen sonst Formfehler, Streit oder steuerliche Nachteile.

Typische Fallkonstellationen

  • Deutscher Erblasser mit Immobilien in Spanien
  • Wohnsitz in Italien, Vermögen in Deutschland und Luxemburg
  • Konten im EU-Ausland, Kinder mit unterschiedlicher Staatsbürgerschaft

Für all diese Fälle braucht es eine saubere, vorausschauende Regelung – idealerweise mit Rechtswahl und steuerlicher Beratung.

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Fazit & Call-to-Action

Die EU-Erbrechtsverordnung sorgt für Klarheit im internationalen Erbrecht – aber nur, wenn man sie gezielt nutzt. Wer frühzeitig die Weichen stellt, kann Streit vermeiden, den Nachlass sichern und grenzüberschreitende Erbfälle sauber regeln.


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