Baulärm und Schadensersatz – wann Sie Anspruch auf Ruhe haben

Verfasst von
Max Hortmann
10 Nov 2025
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Eigentumsgrenzen und Vermessungsfehler – wer trägt die Kosten?

Verfasst von Rechtsanwalt Max Nikolas Mischa Hortmann, Frankfurt am Main – Vertragsautor jurisAZO-ITR / PR-ITR

Wenn Grenzen verrutschen – und Nachbarn sich streiten

Ein paar Zentimeter können im Nachbarrecht über Tausende Euro entscheiden.
Wer schon einmal einen Grenzstein gesucht oder einen Zaun gesetzt hat, weiß:
Eigentumsgrenzen sind nicht immer so eindeutig, wie sie auf der Karte aussehen.

Alte Vermessungen, technische Fehler oder Bauarbeiten führen oft dazu,
dass die tatsächliche Grundstücksnutzung nicht mehr mit den Kataster- und Grundbuchangaben übereinstimmt.
Dann stellt sich die Frage: Wer hat Recht – die Realität vor Ort oder die Akte im Amt?

Dieser Beitrag erklärt,
wie Eigentumsgrenzen rechtlich festgelegt werden,
wann eine Vermessung berichtigt werden kann,
und wer für die Kosten falscher Grenzverläufe aufkommen muss.

Rechtlicher Rahmen: Grundbuch und Liegenschaftskataster

Grundbuch – der Nachweis des Eigentums

Das Grundbuch weist aus, wem ein Grundstück gehört.
Es enthält Lage, Größe und rechtliche Belastungen (z. B. Wegerechte).
Doch es zeigt keine exakte Grenzlinie – dafür ist das Kataster zuständig.

Liegenschaftskataster – die technische Grundlage

Im Liegenschaftskataster sind die Flurstücke mit Grenzen, Gebäuden und Flächen verzeichnet.
Es ist die verbindliche Grundlage für das Grundbuch.
Weichen Realität und Kataster voneinander ab,
muss zunächst das Kataster berichtigt werden,
bevor das Grundbuch angepasst werden kann.

Wie Grenzen entstehen – und sich verschieben

Grenzen werden bei der Erstvermessung eines Grundstücks festgelegt und mit Grenzzeichen (Steinen, Nägeln, Bolzen) markiert.
Mit der Zeit gehen diese Zeichen verloren oder werden durch Bauarbeiten versetzt.
Auch technische Ungenauigkeiten alter Messungen führen zu Abweichungen.

Beispiele:

  • Grenzstein beim Pflastern versetzt
  • Zaun entlang falscher Linie gesetzt
  • Katasterfehler durch ungenaue Vermessung in den 1960er-Jahren

In solchen Fällen kann der tatsächliche Grenzverlauf nur durch eine amtliche Grenzfeststellung geklärt werden.

Grenzfeststellung und Grenzverwirrung

Was ist eine Grenzfeststellung?

Eine amtliche Grenzfeststellung wird von einem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur durchgeführt.
Dabei wird geprüft, wo die Grenze tatsächlich liegt,
und ob sie mit den Katasterdaten übereinstimmt.

Das Ergebnis ist ein Fortführungsnachweis,
der beim Katasteramt eingereicht wird.
Stimmen alle Beteiligten zu, gilt der Grenzverlauf als verbindlich.

Was ist Grenzverwirrung?

Von Grenzverwirrung spricht man,
wenn weder alte Pläne noch Grenzzeichen eindeutige Hinweise geben
und die Lage der Grenze unklar oder strittig ist.

Dann kann das Gericht eine Grenzscheidung (§ 920 BGB) durchführen
und den Verlauf „nach Billigkeit“ festlegen –
also nach einer Abwägung der Flächen, bisherigen Nutzung und Beweislage.

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Wer darf vermessen – und wann?

Nur Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure (ÖbVI)
oder die Katasterbehörden selbst dürfen amtliche Vermessungen vornehmen.

Eine Grenzfeststellung wird erforderlich:

  • bei Grenzstreitigkeiten,
  • vor dem Bau neuer Zäune oder Gebäude,
  • bei Teilung eines Grundstücks,
  • oder wenn Kataster- und Grundbuchdaten nicht übereinstimmen.

Berichtigung des Katasters

Stellt sich heraus, dass im Kataster ein Mess- oder Zeichenfehler vorliegt,
kann das Kataster berichtigt werden.
Dazu muss der Fehler nachweisbar sein – etwa durch historische Unterlagen oder Vergleichsmessungen.

Die Behörde erstellt daraufhin einen Fortführungsnachweis,
der den korrekten Grenzverlauf dokumentiert.
Dieser Nachweis kann anschließend Grundlage einer Grundbuchberichtigung (§ 22 GBO) werden.

Grundbuchberichtigung – wann sie nötig wird

Das Grundbuch ist nur so richtig wie das Kataster.
Wird im Kataster ein Grenzfehler korrigiert,
muss das Grundbuch ggf. angepasst werden,
damit Fläche und Eigentumsverhältnisse wieder übereinstimmen.

Beispiel:
Ein Grundstück wurde mit 500 m² eingetragen,
die neue Vermessung ergibt 520 m².
Dann muss das Grundbuch berichtigt werden – auf Antrag des Eigentümers.

Kosten: rund 150 – 400 € je nach Bundesland und Grundstücksgröße.

Kosten der Vermessung – wer zahlt?

Die Kosten einer Vermessung trägt grundsätzlich der, der sie beantragt.
Je nach Umfang und Bundesland liegen sie zwischen 700 € und 2 500 €.

Ausnahme:
Wenn die Vermessung erforderlich wird, weil das Amt oder ein Vermessungsingenieur
früher einen Fehler begangen hat,
kann Schadensersatz verlangt werden.

Haftungsgrundlage ist § 839 BGB (Amtshaftung)
oder bei privaten ÖbVI § 280 BGB i. V. m. dem Vermessungsvertrag.

Haftung für Vermessungsfehler

Fehler des Vermessungsingenieurs

ÖbVI sind freiberuflich, aber staatlich beliehen.
Sie haften persönlich, wenn sie:

  • falsche Grenzpunkte bestimmen,
  • Messdaten fehlerhaft übermitteln,
  • oder Pflichtverletzungen im Gutachten begehen.

Voraussetzung: Fahrlässigkeit oder Vorsatz.
Die Haftung ist versichert – jeder ÖbVI muss eine Berufshaftpflicht vorhalten.

Fehler der Katasterbehörde

Ist der Fehler auf eine behördliche Bearbeitung zurückzuführen
(z. B. falsche Eintragung, Übertragungsfehler),
kann Amtshaftung greifen (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG).
In diesem Fall haftet das Land, nicht der einzelne Beamte.

Rechte und Ansprüche der Nachbarn

Beseitigungsanspruch (§ 1004 BGB)

Steht ein Zaun, eine Mauer oder ein Gebäude auf Ihrem Grundstück,
können Sie Beseitigung verlangen –
es sei denn, eine Duldungspflicht (§ 912 BGB, Überbau) besteht.

Unterlassungsanspruch

Sie können verlangen, dass der Nachbar weitere Grenzverletzungen unterlässt.
Bei fortgesetztem Verhalten droht ein Ordnungsgeld.

Kostenerstattungsanspruch

Hat der Nachbar eigenmächtig auf Ihrem Grund vermessen oder gebaut,
muss er die Kosten für Wiederherstellung oder Vermessung tragen.

Beweislast im Grenzstreit

Der Kläger (meist der, der eine Änderung will)
muss beweisen, dass die Grenze anders verläuft, als der Gegner behauptet.

Beweismittel:

  • Vermessungsunterlagen, Katasterauszüge
  • alte Lagepläne, Bauakten, Kaufverträge
  • Fotos, historische Grenzsteine
  • Zeugen (z. B. frühere Eigentümer)

Fehlen Beweise, entscheidet das Gericht nach Billigkeit (§ 920 Abs. 2 BGB).

Praktisches Vorgehen bei Grenzstreitigkeiten

  1. Gespräch suchen – sachlich, schriftlich bestätigen.
  2. Katasterauszug anfordern beim Vermessungsamt.
  3. ÖbVI beauftragen für Grenzfeststellung.
  4. Beweissicherung durch Fotos und Notizen.
  5. Anwalt einschalten, wenn keine Einigung erzielt wird.
  6. Schlichtungsverfahren (Pflicht in vielen Bundesländern).
  7. Klage auf Grenzfeststellung beim Amtsgericht.

Mediation und Vergleich

Grenzstreitigkeiten eskalieren oft wegen Emotionen, nicht wegen Flächen.
Eine Mediation hilft, Kompromisse zu finden – etwa:

  • Anerkennung des Ist-Zustands gegen Entschädigung,
  • gemeinsame Vermessung auf Kostenhälfte,
  • oder dauerhafte Duldung mit Eintragung einer Dienstbarkeit.

Solche Vergleiche sind rechtssicher und kostengünstiger als Prozesse.

Beispiel aus der Praxis

Zwei Nachbarn in Rheinland-Pfalz stritten über den Verlauf einer Gartenmauer.
Das Kataster zeigte die Mauer vollständig auf Grundstück A,
tatsächlich verlief sie 30 cm auf Grundstück B.

Der Vermessungsingenieur hatte 1994 beim Einmessen
den Grenzpunkt um 25 cm versetzt.
Das Gericht bestätigte den Fehler,
die Katasterbehörde musste die Daten berichtigen,
und der Ingenieur haftete für die Vermessungskosten.

Ergebnis: Klarheit über die Grenze – und Schadensersatz von 1 850 €.

Besonderheiten bei gemeinsamer Nutzung

Manche Grenzen verlaufen mitten durch gemeinsame Einrichtungen:
Zäune, Mauern oder Wege.
Dann gelten die §§ 921 ff. BGB über Grenzanlagen.

Beide Nachbarn tragen die Kosten gemeinschaftlich,
dürfen die Anlage aber nur gemeinsam verändern oder entfernen.
Wer eigenmächtig handelt, macht sich schadensersatzpflichtig.

Öffentlich-rechtliche Abgrenzung

Grenzfeststellungen und Katasterkorrekturen sind Verwaltungsakte.
Wer mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist,
kann Widerspruch einlegen (§ 68 VwGO)
und notfalls vor dem Verwaltungsgericht klagen.

Zivilgerichte entscheiden dagegen über Eigentums- und Besitzfragen,
nicht über Katasterdaten.
Oft laufen beide Verfahren parallel – mit erheblichem Abstimmungsbedarf.

Prävention: So vermeiden Sie Grenzkonflikte

  • Vor jedem Neubau Grenzpunkte amtlich einmessen lassen.
  • Alte Zäune nicht einfach übernehmen, ohne Kataster zu prüfen.
  • Nach Grundstückskauf: Grenzbegehung mit Vermessungsamt.
  • Pflanzungen mit Abstand setzen – späterer Rückschnitt kostet doppelt.
  • Grenzzeichen dokumentieren, nicht überbauen oder entfernen.
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Fazit: Klare Grenzen schützen Eigentum und Nachbarschaft

Grenzen sind die Basis des Eigentumsrechts.
Fehlerhafte Vermessungen führen schnell zu Konflikten,
doch das Recht bietet klare Werkzeuge:
Katasterberichtigung, Grenzfeststellung und Ausgleichsansprüche.

Wer frühzeitig prüft, bevor er baut oder verkauft,
vermeidet Prozesse und sichert sein Eigentum langfristig.
Denn im Nachbarrecht gilt:
Präzision ist Frieden.

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Max Hortmann
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