Kameraüberwachung am Arbeitsplatz – Beweiswert vs. Persönlichkeitsrecht
Verfasst von
Max Hortmann
23 Oct 2025
•
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Kameraüberwachung am Arbeitsplatz – Beweiswert vs. Persönlichkeitsrecht
Kameraüberwachung am Arbeitsplatz birgt erhebliches Konfliktpotenzial – zwischen dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an Sicherheit und dem Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter muss sorgfältig abgewogen werden, besonders wenn heimliche Aufnahmen als Beweis dienen sollen
Einleitung: Überwachung als Zündstoff im Arbeitsverhältnis
Kameraüberwachung am Arbeitsplatz ist ein heikles Thema – rechtlich wie zwischenmenschlich. Arbeitgeber berufen sich auf Sicherheitsinteressen, Diebstahlprävention oder Kontrolle von Arbeitsabläufen. Beschäftigte hingegen empfinden die lückenlose Beobachtung oft als Misstrauen oder gar Eingriff in ihre Privatsphäre.
Ob im Lager, im Eingangsbereich oder – besonders kritisch – in Pausenräumen: Wird Videoüberwachung falsch eingesetzt, drohen nicht nur arbeitsrechtliche Spannungen, sondern auch rechtliche Konsequenzen. Vor allem, wenn unzulässig gewonnene Aufnahmen in Kündigungsverfahren oder als Beweismittel vor Gericht verwendet werden sollen.
Rechtlicher Rahmen der Videoüberwachung
DSGVO und BDSG: Zulässigkeit der Überwachung
Die Grundlage jeder Videoüberwachung im Beschäftigungskontext ist der Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO: Danach ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten erlaubt, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist – und nicht die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen.
Konkretisiert wird das im Beschäftigtendatenschutz durch § 26 Abs. 1 BDSG. Demnach ist die Erhebung personenbezogener Daten zulässig, wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Videoüberwachung kann darunterfallen – aber nur unter strengen Voraussetzungen.
Verhältnismäßigkeit und Zweckbindung
Zulässig ist eine Kameraüberwachung nur dann, wenn sie:
einem klar definierten, legitimen Zweck dient (z. B. Diebstahlaufklärung),
nicht auf andere Weise erreicht werden kann,
und so gestaltet ist, dass Eingriffe in die Rechte der Beschäftigten minimal bleiben.
Die Überwachung darf also kein Selbstzweck sein. Generelle Dauerüberwachung zur Leistungskontrolle oder zur Disziplinierung ist ebenso unzulässig wie das „Mitfilmen“ ohne erkennbaren Anlass.
Symbolbild zur Kameraüberwachung am Arbeitsplatz mit Fokus auf Datenschutz, Persönlichkeitsrecht und arbeitsrechtliche Risiken bei unzulässiger Videoüberwachung.
Grenzen der Zulässigkeit
Auch wenn die Videoüberwachung in bestimmten Fällen erlaubt ist, setzt das Datenschutzrecht dem Einsatz von Kameras am Arbeitsplatz enge Schranken. Wer diese Grenzen überschreitet, riskiert nicht nur Bußgelder, sondern auch die Unverwertbarkeit von Beweismitteln in arbeitsrechtlichen Verfahren.
Kein Dauer-Monitoring
Eine lückenlose Dauerüberwachung – etwa durch Kameras in Büros, Produktionsbereichen oder Fluren – ist grundsätzlich unverhältnismäßig und damit unzulässig. Beschäftigte dürfen nicht ständig das Gefühl haben, „unter Beobachtung“ zu stehen. Videoüberwachung darf nur dann stattfinden, wenn ein konkreter Anlass besteht – und selbst dann nur zeitlich und räumlich begrenzt.
Keine Überwachung in sensiblen Bereichen
Sozialräume, Umkleiden, Toiletten oder Ruhezonen sind absolut tabu. Eine Videoüberwachung in diesen Bereichen stellt regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar und ist nicht durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu rechtfertigen. Selbst das Aufzeichnen von Türbereichen solcher Räume kann unzulässig sein, wenn daraus Rückschlüsse auf das Verhalten einzelner Beschäftigter gezogen werden können.
Mitbestimmung des Betriebsrats
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht, wenn technische Einrichtungen eingeführt werden, die zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer geeignet sind.
Das bedeutet: Der Arbeitgeber darf keine Kameraüberwachung einführen, ohne vorher den Betriebsrat zu beteiligen und ggf. eine entsprechende Betriebsvereinbarung zu schließen. Andernfalls ist die Maßnahme rechtswidrig – und alle dadurch gewonnenen Daten sind unbrauchbar.
Symbolbild zur Kameraüberwachung am Arbeitsplatz mit Fokus auf Datenschutz, Persönlichkeitsrecht und arbeitsrechtliche Risiken bei unzulässiger Videoüberwachung.
Beweiswert im Arbeitsprozess
Ein zentrales Motiv für Arbeitgeber, Überwachungstechnik einzusetzen, ist die Verwendung von Videomaterial als Beweismittel – etwa bei Diebstahl, Pflichtverletzungen oder Arbeitszeitbetrug. Doch vor Gericht entscheidet sich oft nicht nur die Frage, was zu sehen ist, sondern ob das Material überhaupt verwertet werden darf.
Rechtsprechung von BGH und BAG
Sowohl der Bundesgerichtshof (BGH) als auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben in mehreren Entscheidungen klargestellt: Auch ein rechtswidrig erlangter Beweis kann im Einzelfall verwertbar sein, wenn das Interesse an der Aufklärung schwerer Pflichtverletzungen das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers überwiegt. Diese sogenannte Interessenabwägung erfolgt aber restriktiv.
Beispiel: Eine verdeckte Kameraüberwachung, mit der ein erheblicher Diebstahl nachgewiesen wurde, kann trotz Datenschutzverstoß unter Umständen verwendet werden – vorausgesetzt, der Arbeitgeber hatte keine andere Möglichkeit zur Aufklärung und handelte nicht vorsätzlich rechtswidrig.
Folgen für Kündigungsschutzverfahren
In der Praxis zeigt sich:
Rechtswidrig aufgezeichnete Videos sind oft nicht verwertbar, insbesondere wenn die Überwachung ohne konkreten Verdacht erfolgte oder gegen Transparenzpflichten verstößt.
Stützt sich eine Kündigung ausschließlich auf solche Aufnahmen, kann sie vor Gericht scheitern – die Kündigung wäre dann unwirksam.
Auch bei wirksamer Kameraüberwachung ist entscheidend, dass das aufgezeichnete Verhalten tatsächlich eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung darstellt.
Fazit: Arbeitgeber sollten sich bewusst sein, dass rechtswidrig beschaffte Beweise schnell zum Bumerang werden – insbesondere, wenn sie in Missachtung der DSGVO oder ohne Beteiligung des Betriebsrats entstanden sind.
Symbolbild zur Kameraüberwachung am Arbeitsplatz mit Fokus auf Datenschutz, Persönlichkeitsrecht und arbeitsrechtliche Risiken bei unzulässiger Videoüberwachung
Pflichten des Arbeitgebers
Damit eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz datenschutzkonform bleibt, müssen Arbeitgeber mehrere Pflichten aus der DSGVO und dem BDSG beachten – insbesondere Transparenz, Datensicherheit und Risikobewertung.
Transparenz- und Informationspflichten
Nach Art. 13 DSGVO müssen alle betroffenen Personen – also insbesondere Mitarbeiter – klar, verständlich und rechtzeitig darüber informiert werden:
dass Videoüberwachung stattfindet,
zu welchem Zweck,
auf welcher Rechtsgrundlage,
und wie lange die Aufnahmen gespeichert werden.
Dies erfolgt typischerweise durch Hinweisschilder an den Eingängen überwachter Bereiche sowie über interne Datenschutzhinweise. Versteckte Kameras oder Überwachung ohne vorherige Information sind – mit Ausnahme engster Ausnahmefälle – unzulässig.
Speicherbegrenzung und Löschkonzept
Videoaufnahmen dürfen nicht dauerhaft gespeichert werden. Die DSGVO verlangt eine zweckgebundene und zeitlich begrenzte Speicherung (Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO). In der Praxis bedeutet das meist:
Löschung nach wenigen Tagen (z. B. 48 oder 72 Stunden), wenn kein relevanter Vorfall erkannt wurde
längere Speicherung nur bei dokumentiertem Anlass (z. B. für arbeitsrechtliche Schritte)
Ein Löschkonzept ist daher Pflicht – es muss nachvollziehbar regeln, wann, wie und unter welchen Voraussetzungen Videodaten automatisiert oder manuell gelöscht werden.
Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA)
Wenn durch die geplante Überwachung ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten der Beschäftigten besteht – etwa bei systematischer oder verdeckter Überwachung –, muss vorab eine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO durchgeführt werden.
Diese DSFA dokumentiert:
Zweck und Notwendigkeit der Überwachung
Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Beschäftigten
technische und organisatorische Schutzmaßnahmen
verbleibende Risiken und deren Minimierung
Die DSFA ist nicht nur Nachweis für die eigene Sorgfalt, sondern kann im Streitfall entlastend wirken.
Fazit: Zwischen berechtigtem Interesse und unzulässiger Kontrolle
Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist kein rechtliches No-Go – aber sie erfordert Maß, Zielgenauigkeit und Transparenz. Arbeitgeber müssen sich bewusst sein: Wer Beschäftigte überwacht, greift tief in deren Persönlichkeitsrechte ein – und trägt daher eine besonders hohe Verantwortung.
Verstöße gegen die DSGVO können dazu führen, dass Beweismittel nicht verwertet werden dürfen oder empfindliche Bußgelder verhängt werden. Umso wichtiger ist es, frühzeitig rechtliche Rahmenbedingungen zu prüfen, Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte einzubinden und alle Maßnahmen gut zu dokumentieren.
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