Kameraüberwachung im Garten – Datenschutz unter Nachbarn
Verfasst von
Max Hortmann
10 Nov 2025
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Kameraüberwachung im Garten – Datenschutz unter Nachbarn
Verfasst von Rechtsanwalt Max Nikolas Mischa Hortmann, Frankfurt am Main – Vertragsautor jurisAZO-ITR / PR-ITR
Wenn Sicherheit zur Beobachtung wird
Immer mehr Eigentümer sichern Haus und Garten mit Kameras. Die Technik ist günstig, die Installation simpel – aber die Rechtslage komplex. Denn sobald die Kamera auch Nachbars Grundstück oder den Gehweg erfasst, trifft Sicherheitsinteresse auf Datenschutz.
Was viele nicht wissen: Schon der bloße Eindruck einer Überwachung kann eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. Dieser Beitrag erklärt, wann private Videoüberwachung erlaubt ist, welche Pflichten sich aus der DSGVO ergeben und wie Nachbarn sich gegen unzulässige Aufnahmen wehren können.
Die private Videoüberwachung bewegt sich im Spannungsfeld zweier Rechtsbereiche:
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – sobald Personen identifizierbar sind, handelt es sich um eine Datenverarbeitung.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – insbesondere § 1004 BGB analog schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor unzumutbarer Überwachung.
Zulässig ist eine Überwachung nur auf dem eigenen Grundstück, wenn keine fremden Bereiche erfasst werden oder eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vorliegt.
Wann gilt die DSGVO überhaupt?
Die DSGVO findet Anwendung, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden. Bilder und Videos zählen dazu, sobald eine Person erkennbar ist. Damit wird fast jede moderne Kamera – selbst eine einfache Türklingel mit Video – datenschutzrechtlich relevant.
Nicht anwendbar ist die DSGVO nur bei „rein persönlichen oder familiären Tätigkeiten“ (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO). Diese Ausnahme greift aber nicht, wenn die Kamera auch öffentliche Wege oder Nachbargrundstücke erfasst.
Damit gilt:
Wer außerhalb seines eigenen, privaten Lebensbereichs filmt, unterliegt der DSGVO.
Voraussetzungen für eine rechtmäßige Überwachung
Damit die Videoüberwachung rechtmäßig ist, müssen mehrere Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein:
Der Eigentümer muss ein berechtigtes Interesse nachweisen, etwa Schutz vor Einbruch oder Vandalismus. Dieses Interesse wird mit den Rechten der Betroffenen abgewogen. Wird Nachbars Garten oder der öffentliche Gehweg mitgefilmt, überwiegt regelmäßig das Persönlichkeitsrecht.
2. Datenminimierung
Nur der unbedingt erforderliche Bereich darf aufgezeichnet werden. Das bedeutet: Kameras müssen so ausgerichtet sein, dass weder der Nachbar noch öffentliche Flächen erfasst werden. Viele Modelle erlauben das Maskieren von Bildzonen – diese Funktion sollte unbedingt aktiviert werden.
3. Transparenz
Wer öffentlich zugängliche Bereiche (z. B. Einfahrt, Gehweg) überwacht, muss durch ein Hinweisschild auf die Videoüberwachung aufmerksam machen und eine verantwortliche Kontaktstelle angeben.
4. Speicherbegrenzung
Aufnahmen dürfen nur so lange gespeichert werden, wie sie zur Zweckerfüllung erforderlich sind – in der Regel wenige Tage. Dauerhafte Aufzeichnung „auf Vorrat“ ist unzulässig.
Sobald die Kamera auch nur teilweise das Nachbargrundstück erfasst oder der Eindruck einer möglichen Überwachung entsteht, ist das rechtswidrig. Das gilt selbst dann, wenn der Nachbar gar nicht tatsächlich aufgenommen wird, sondern nur das Gefühl hat, beobachtet zu werden.
Öffentliche Bereiche
Auch Bürgersteige, Straßen oder der gemeinschaftliche Hof dürfen nicht mitgefilmt werden. Die Überwachung öffentlicher Räume ist ausschließlich Behörden vorbehalten.
Kameraattrappen
Viele glauben, eine Attrappe sei harmlos. Tatsächlich hat die Rechtsprechung mehrfach entschieden: Schon die Attrappe kann eine unzulässige Beeinträchtigung darstellen, wenn sie auf Nachbars Grundstück gerichtet ist und den Eindruck echter Überwachung vermittelt.
Rechte des betroffenen Nachbarn
Wer sich beobachtet fühlt oder tatsächlich gefilmt wird, hat mehrere Ansprüche:
1. Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB analog)
Der Nachbar kann verlangen, dass die Kamera abgeschaltet oder neu ausgerichtet wird. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn keine Aufzeichnung stattfindet, aber der Überwachungsdruck objektiv wahrnehmbar ist.
2. Beseitigungsanspruch
Bei fest installierten Kameras kann der Betroffene deren Entfernung fordern, wenn eine andere Positionierung nicht ausreicht, um die Beeinträchtigung zu beseitigen.
3. Löschung der Daten
Nach Art. 17 DSGVO kann der Betroffene verlangen, dass unrechtmäßig gespeicherte Aufnahmen gelöscht werden.
4. Schadensersatz
Wer durch unzulässige Überwachung einen immateriellen Schaden erleidet (z. B. Angst, Rufschädigung), kann Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO verlangen. Gerichte erkennen inzwischen auch kleinere Summen (500–2 000 €) bei anhaltender Überwachung an.
Durchsetzung der Rechte
Betroffene sollten strukturiert vorgehen:
Gespräch suchen: Oft ist dem Betreiber nicht bewusst, dass die Kamera fremde Bereiche erfasst.
Schriftliche Aufforderung: Fordern Sie ihn mit Frist auf, die Kamera zu entfernen oder neu auszurichten.
Beschwerde bei der Datenschutzbehörde: Jede Landesdatenschutzbehörde kann den Fall prüfen und Anordnungen treffen.
Zivilrechtliche Schritte: Wenn keine Einsicht erfolgt, bleibt die Unterlassungsklage – meist mit guten Erfolgsaussichten.
Bußgelder und Sanktionen
Die Datenschutzaufsichtsbehörden können bei Verstößen Bußgelder bis 20 Mio. € oder 4 % des Jahresumsatzes verhängen – realistisch sind bei Privatpersonen Beträge im mittleren dreistelligen Bereich. Darüber hinaus können auch zivilrechtliche Kosten für Beseitigung und Schadensersatz entstehen.
Besonderheiten bei Wohnungseigentum und Mehrparteienhäusern
1. Gemeinschaftsflächen
Kameras auf gemeinschaftlichen Flächen (Eingang, Treppenhaus, Tiefgarage) dürfen nur installiert werden, wenn die WEG-Gemeinschaft einstimmig zustimmt. Ein einzelner Eigentümer darf keine Kamera anbringen, die andere Miteigentümer oder Besucher erfasst.
2. Vermieter und Mieter
Vermieter dürfen Gemeinschaftsbereiche nicht ohne Zustimmung der Mieter überwachen. Mieter wiederum dürfen nur innerhalb ihrer Wohnung oder ihres eigenen Balkonbereichs filmen – nicht den Hausflur oder Hof.
3. Smart-Doorbells
Klingeln mit Kamera (Ring, Nest u. a.) sind nur zulässig, wenn sie keine dauerhafte Aufzeichnung und keinen öffentlichen Bereich erfassen.
Abgrenzung zu polizeilicher oder behördlicher Überwachung
Private Kameras dürfen niemals die Aufgaben staatlicher Überwachung übernehmen. Eine Kamera, die z. B. den öffentlichen Straßenverkehr mitschneidet, verletzt die informationelle Selbstbestimmung Dritter und kann strafrechtliche Relevanz (§ 201a StGB – Bildaufnahmen) haben.
Praxisbeispiel
Ein Hauseigentümer installierte über seiner Garage eine Kamera, die auch die Einfahrt des Nachbarn filmte. Der Nachbar fühlte sich überwacht und klagte auf Unterlassung. Das Gericht entschied: Schon die bloße Möglichkeit, dass die Kamera den Nachbarn erfassen könnte, verletzt das Persönlichkeitsrecht. Der Eigentümer musste die Kamera neu ausrichten und die Aufnahmen löschen.
Dieses Beispiel zeigt: Es reicht nicht, keine Aufnahmen zu machen – es genügt der objektive Überwachungsdruck.
Was erlaubt ist – und was nicht
ZulässigUnzulässigÜberwachung des eigenen Grundstücks (Haus, Garage, Garten)Erfassung des Nachbargrundstücks oder öffentlicher FlächenKurzzeitige Aufzeichnung zur GefahrenabwehrDauerhafte 24-h-Aufzeichnung ohne AnlassNutzung von MaskierungszonenSchwenk- oder Zoom-Kameras mit weitem SichtfeldHinweisschild bei öffentlichem ZugangVersteckte Kameras oder Attrappen auf Nachbars SeiteSpeicherung für wenige TageLangzeitspeicherung ohne Zweck oder Einwilligung
Datenschutzkonforme Alternativen
Bewegungsmelder mit Licht statt Kamera
Türspione mit Live-Bild ohne Aufzeichnung
Zeitgesteuerte Kameras nur bei Abwesenheit
Software-Maskierung für Nachbarbereiche
So lassen sich Sicherheit und Datenschutz in Einklang bringen.
Häufige Fragen
Darf ich meinen Garten filmen, wenn die Kamera ein Stück Nachbars Zaun zeigt? Nur, wenn dieser Bereich technisch nicht anders auszublenden ist und keine Personen erkennbar sind. Besser: Kamera schwenken oder Maske aktivieren.
Kann ich eine Kamera anbringen, um Beweise für Vandalismus zu sammeln? Ja, aber nur kurzfristig und zielgerichtet. Danach müssen die Aufnahmen gelöscht werden.
Mein Nachbar hat eine Kamera auf mein Grundstück gerichtet. Was tun? Schriftlich zur Entfernung auffordern, Datenschutzbehörde informieren und bei Bedarf anwaltlich Unterlassung verlangen.
Sind Kameraattrappen erlaubt? Nein, wenn sie auf Nachbars Grundstück zeigen oder den Eindruck einer Überwachung vermitteln.
Darf eine Kamera den öffentlichen Gehweg mitfilmen? Nein. Öffentlich zugängliche Bereiche dürfen nur Behörden überwachen.
Regelmäßige Kontrolle: Prüfen Sie regelmäßig, ob die Kamera noch DSGVO-konform ausgerichtet ist.
Technische Nachrüstung: Moderne Systeme erlauben automatische Verpixelung fremder Bereiche.
Fazit: Sicherheit ja – Überwachung nein
Kameras können Sicherheit schaffen, dürfen aber keine Privatsphäre zerstören. Die Grenze verläuft dort, wo das Sicherheitsinteresse endet und das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn beginnt.
Wer sich an DSGVO, BGB und gesunden Menschenverstand hält, schützt nicht nur sein Eigentum, sondern auch den Frieden in der Nachbarschaft.
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