Vergabeverfahren richtig anfechten – Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer
Verfasst von
Max Hortmann
01 Nov 2025
•
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Vergabeverfahren richtig anfechten – Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer
Einleitung
Wenn der Zuschlag an einen Mitbewerber geht und das Verfahren nicht transparent oder fair erscheint, ist das Nachprüfungsverfahren das zentrale Instrument, um Vergaberechtsverstöße anzugreifen. Es schützt Bieter vor fehlerhaften Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber und sichert die Einhaltung der Vergabegrundsätze nach §§ 97 ff. GWB – Transparenz, Gleichbehandlung, Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit.
Doch die Hürden sind hoch: Nur wer rechtzeitig rügt, Fristen wahrt und präzise begründet, kann das Verfahren kippen. Dieser Beitrag zeigt die praktischen Schritte, Fristen und Taktiken, mit denen Bieter ihre Rechte erfolgreich durchsetzen.
1. Die Rügepflicht – Erste Hürde im Rechtsschutz
Bevor ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden kann, muss der Bieter die Vergabestelle auf den Fehler aufmerksam machen – durch eine Rüge (§ 160 Abs. 3 GWB).
Unverzügliche Rüge
Eine Rüge muss unverzüglich, also „ohne schuldhaftes Zögern“, erhoben werden.
In der Praxis bedeutet das: innerhalb weniger Tage nach Kenntnis des Vergabeverstoßes.
Wird die Rüge zu spät erhoben, ist sie präkludiert – der Bieter verliert seine Rechte.
Beispiel: Ein Bieter erfährt aus den Vergabeunterlagen, dass unzulässige Wertungskriterien verwendet wurden. Er muss diesen Fehler sofort rügen – spätestens binnen 3–5 Werktagen.
Form der Rüge
Die Rüge ist formfrei, sollte aber schriftlich und dokumentierbar erfolgen.
Sie muss den Vergabeverstoß konkret benennen und die Rechtsverletzung begründen.
Ziel ist es, der Vergabestelle die Möglichkeit zu geben, den Fehler selbst zu korrigieren, bevor ein Verfahren bei der Kammer eingeleitet wird.
2. Fristen im Nachprüfungsverfahren
a) Rügefrist
Die Rüge muss sofort nach Kenntnis des Fehlers erfolgen (§ 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB).
Bei verspäteter Rüge ist der Nachprüfungsantrag unzulässig.
b) Antrag bei der Vergabekammer
Wird die Rüge von der Vergabestelle zurückgewiesen, hat der Bieter 15 Kalendertage Zeit, einen Antrag bei der Vergabekammer einzureichen (§ 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB).
Nach Ablauf dieser Frist wird der Zuschlag bestandskräftig – spätere Anfechtungen sind ausgeschlossen.
c) Sonderfall – Nichtinformation
Wenn die Vergabestelle die vorgeschriebene Vorabinformationspflicht (§ 134 GWB) verletzt, läuft die Frist erst ab Zuschlagserteilung. Dennoch gilt auch hier: Schnelles Handeln ist entscheidend.
3. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags
Ein Antrag ist nur zulässig, wenn der Bieter:
ein eigenes Interesse am Auftrag hat,
durch den behaupteten Vergabefehler in seinen Rechten verletzt sein kann,
und ohne den Verstoß eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte (§ 160 Abs. 2 GWB).
Er muss den Vergabeverstoß schlüssig darlegen – also nachvollziehbar erklären,
welche Vorschrift verletzt wurde,
wie sich der Fehler auf seine Chancen auswirkt,
und warum der Fehler erheblich ist.
Beispiel: Ein Bieter kann darlegen, dass die Wertungskriterien nachträglich geändert wurden, ohne dass er Gelegenheit hatte, sein Angebot anzupassen – ein klarer Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB).
Risiko Direktvergabe
4. Ablauf des Nachprüfungsverfahrens
a) Antragstellung bei der Vergabekammer
Der Antrag muss folgende Angaben enthalten:
Bezeichnung des Auftraggebers und des Vergabeverfahrens,
Darstellung der Tatsachen und Vergabeverstöße,
Beweismittel (z. B. Vergabeunterlagen, Schriftwechsel, Rüge).
Die Kammer prüft die formellen Voraussetzungen und kann Akteneinsicht gewähren (§ 165 GWB), um den Sachverhalt zu klären.
b) Entscheidung der Vergabekammer
Die Kammer kann:
das Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufheben,
den Auftraggeber zur Fehlerkorrektur verpflichten,
oder den Zuschlag für unwirksam erklären, wenn er unter Verstoß gegen das Vergaberecht erteilt wurde.
c) Beschwerde zum Oberlandesgericht
Gegen Entscheidungen der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zum OLG möglich (§ 171 GWB). Die Beschwerde muss binnen zwei Wochen eingelegt werden.
5. Taktik und Erfolgsaussichten
a) Präzision statt Emotion
Erfolg hat, wer präzise Verstöße belegt – nicht, wer pauschal „Ungerechtigkeit“ behauptet. Daher ist eine juristisch fundierte und technisch dokumentierte Rüge entscheidend.
b) Beweissicherung
Alle Kommunikation, Bewertungsmatrizen, Bieterfragen und Antworten sollten archiviert werden. Diese Unterlagen bilden die Grundlage der Beweisführung.
c) Akteneinsicht
Die Akteneinsicht ermöglicht Einblick in interne Bewertungsunterlagen, Wertungstabellen und Vergabevermerke – ein zentrales Instrument zur Begründung des Antrags.
d) Erfolgsaussichten
Die Vergabekammer hebt Vergabeverfahren regelmäßig auf, wenn:
Wertungskriterien unklar oder nachträglich geändert wurden,
Transparenzpflichten verletzt wurden,
Eignungskriterien unzulässig oder diskriminierend waren,
oder Bieterfragen nicht beantwortet wurden.
6. Rechtsfolgen bei erfolgreichem Antrag
Aufhebung des Vergabeverfahrens: Der Auftraggeber muss neu ausschreiben oder korrigieren.
Unwirksamkeit des Zuschlags: Bereits erteilte Zuschläge können für nichtig erklärt werden (§ 135 GWB).
Kostenersatz: Der obsiegende Bieter kann Erstattung seiner Verfahrenskosten beantragen (§ 182 GWB).
Oft führt schon die Rüge oder der Antrag dazu, dass die Vergabestelle das Verfahren freiwillig korrigiert, um ein negatives Kammerurteil zu vermeiden.
Risiko Direktvergabe
Fazit & Call-to-Action
Das Nachprüfungsverfahren ist ein scharfes Schwert im Vergaberecht – aber nur, wenn es präzise, schnell und rechtlich fundiert geführt wird. Bieter müssen Verstöße unverzüglich rügen, alle Fristen kennen und ihre Argumentation juristisch sauber dokumentieren.
Wer diese Regeln beachtet, kann nicht nur den Zuschlag stoppen, sondern oft das gesamte Verfahren neu aufrollen lassen.
Wenn Sie ein Vergabeverfahren anfechten oder prüfen möchten, ob ein Nachprüfungsantrag Erfolg verspricht, beraten wir Sie mit Erfahrung und strategischem Weitblick.
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