Rechtsfähige vs. treuhänderische Stiftung – zwei Wege zum Stiftungsziel
Stiftungsziel
Rechtsfähige vs. treuhänderische Stiftung – zwei Wege zum Stiftungsziel
Wer eine Stiftung gründen möchte, steht vor einer grundlegenden Entscheidung: Soll die Stiftung rechtsfähig sein oder als treuhänderische (nichtrechtsfähige) Stiftung organisiert werden? Beide Modelle haben sich in der Praxis bewährt – unterscheiden sich aber erheblich in Bezug auf Rechtspersönlichkeit, Verwaltung, Aufsicht und Flexibilität.
In diesem Beitrag vergleichen wir die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts mit der treuhänderischen Stiftung, zeigen ihre jeweiligen Vor- und Nachteile auf und helfen dabei, die richtige Struktur für Ihre Ziele zu wählen.
1. Die rechtsfähige Stiftung – klassisch, dauerhaft, eigenständig
Die rechtsfähige Stiftung entsteht durch ein Stiftungsgeschäft und bedarf der Anerkennung durch die zuständige Stiftungsbehörde. Sie ist eine eigene juristische Person und trägt ihre Rechte und Pflichten selbst.
Kernmerkmale:
Eigene Rechtspersönlichkeit (§ 80 BGB)
Staatliche Anerkennung erforderlich
Umfassende Stiftungsaufsicht durch das jeweilige Bundesland
Vermögen gehört der Stiftung selbst
Eintrag in das Stiftungsverzeichnis in vielen Bundesländern
Vorteile:
Hoher rechtlicher Status und Außenwirkung
Selbstständige Trägerin von Rechten und Pflichten
Dauerhafte Struktur mit hoher institutioneller Stabilität
Gilt oft als besonders glaubwürdig und professionell
Nachteile:
Gründungsprozess ist aufwändiger (Behördenkontakt, Anerkennungsverfahren)
Weniger flexibel bei Änderungen (z. B. Satzung oder Zweck)
Laufende Berichtspflichten und Aufsicht
2. Die treuhänderische Stiftung – flexibel und schnell gegründet
Die treuhänderische oder nichtrechtsfähige Stiftung entsteht durch einen Vertrag zwischen dem Stifter und einem Treuhänder (z. B. Privatperson, Verein oder eine bereits bestehende Stiftung). Diese Stiftung besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit – sie „hängt“ rechtlich am Treuhänder.
Kernmerkmale:
Keine eigene Rechtspersönlichkeit
Keine behördliche Anerkennung erforderlich
Keine Stiftungsaufsicht, sondern vertragliche Kontrolle
Vermögen bleibt im Eigentum des Treuhänders (Sondervermögen)
Vorteile:
Sehr schnelle und unbürokratische Gründung möglich
Geringere Gründungs- und Verwaltungskosten
Flexibel in Satzungsgestaltung und Auflösung
Ideal für Pilotprojekte oder kleinere Förderziele
Nachteile:
Kein eigenes Rechtssubjekt (kein Eigentum, keine Klagebefugnis)
Weniger öffentliche Wirkung
Abhängig von Zuverlässigkeit und Dauer des Treuhänders
Weniger dauerhaft angelegt
3. Steuerliche Gleichbehandlung beider Modelle
Sowohl die rechtsfähige als auch die treuhänderische Stiftung können steuerlich als gemeinnützig anerkannt werden, sofern sie die Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO erfüllen. Die Wahl der Rechtsform hat auf die steuerlichen Begünstigungen grundsätzlich keinen Einfluss.
Wichtig:
Ein wesentlicher Unterschied besteht bei der Ersatzerbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG): Diese greift nur bei rechtsfähigen Familienstiftungen, nicht bei treuhänderischen Stiftungen. Dies kann bei familiärer Zweckausrichtung relevant werden.
4. Wann eignet sich welche Stiftungsform?
KriteriumRechtsfähige StiftungTreuhänderische StiftungRechtspersönlichkeitJa (juristische Person)Nein (Sondervermögen beim Treuhänder)GründungsdauerWochen bis Monate (mit Anerkennung)Tage bis wenige Wochen (Vertrag)KostenHöher (Notar, Behörde, Aufsicht)Geringer (Vertragsgestaltung)FlexibilitätEingeschränktHochÖffentliche WirkungStarkBegrenztStiftungsaufsichtJa (Landesbehörde)Nein (nur zivilrechtlich)Steuerlich gemeinnützigJaJaErsatzerbschaftsteuerJa (bei Familienstiftung)Nein
5. Praxisempfehlung und hybride Lösungen
Für große, dauerhafte Fördervorhaben mit öffentlichkeitswirksamer Ausrichtung ist die rechtsfähige Stiftung oft die bessere Wahl.
Für kleinere Projekte, temporäre Förderziele oder Testphasen bietet sich die treuhänderische Stiftung an – sie kann später in eine rechtsfähige umgewandelt werden.
In der Praxis kann auch eine Kombination sinnvoll sein: z. B. eine treuhänderische Stiftung in der Startphase, später umgewandelt in eine rechtsfähige Stiftung mit institutioneller Stabilität.
FAQs zur Wahl der Stiftungsform
Welche Stiftungsform genießt mehr Ansehen in der Öffentlichkeit? Die rechtsfähige Stiftung hat in der Regel mehr öffentliche Sichtbarkeit und Reputation, insbesondere bei größeren Förderprojekten oder institutionellen Partnern.
Kann eine treuhänderische Stiftung später in eine rechtsfähige umgewandelt werden? Ja, viele Stiftungen beginnen als treuhänderische Konstruktion und werden später – nach erfolgreicher Pilotphase – rechtsfähig gemacht.
Welche Form ist schneller gegründet? Die treuhänderische Stiftung kann in wenigen Tagen durch einen einfachen Vertrag errichtet werden – ohne behördliches Verfahren.
Gilt die steuerliche Gemeinnützigkeit auch bei treuhänderischen Stiftungen? Ja. Voraussetzung ist, dass die Satzung (bzw. der Vertrag) den Vorgaben der Abgabenordnung (§§ 51 ff. AO) entspricht.
Wann ist die rechtsfähige Stiftung alternativlos? Wenn es um dauerhafte Vermögensbindung, hohe Fördersummen oder gesetzlich geregelte Aufgaben (z. B. in der Wissenschaft) geht, führt oft kein Weg an der rechtsfähigen Stiftung vorbei.
Die Wahl der Stiftungsform ist keine bloße Formalie – sie entscheidet über Flexibilität, Wirkung und Verwaltung. Ob treuhänderisch, rechtsfähig oder kombiniert: Wir helfen Ihnen, die passende Struktur für Ihre Ziele zu finden – rechtssicher, steuerlich optimal und zukunftsorientiert.
Entdecken Sie weitere Beiträge zu aktuellen Themen rund um Digitalrecht, Cybercrime, Datenschutz, KI und Steuerrecht. Unsere verwandten Artikel geben Ihnen zusätzliche Einblicke und vertiefende Analysen.
Steuerrecht
Erbrecht & Mietrecht
Corporate Law & Real Estate
10/29/2025
October 29, 2025
Beteiligungen an Personengesellschaften im Nachlass – Schnittstelle von Erb- und Steuerrecht
Liegt Gesellschaftsvermögen im Nachlass, treffen Erben auf komplizierte Schnittstellen zwischen Erb-, Gesellschafts- und Steuerrecht. Der Beitrag zeigt, wie anwaltliche Beratung die Erbfolge rechtssicher gestaltet, persönliche Haftung vermeidet und steuerneutrale Lösungen bei Fortführung oder Abfindung ermöglich
Schriftformverstöße im Prozess – Beweislast, Taktik, Urteilspraxis Schriftformverstöße im Prozess – Beweislast, Taktik, Urteilspraxis
Digitale Akten verändern die Beweisführung. Wer muss die Schriftform beweisen, welche Signaturen gelten und wie nutzt man elektronische Beweise strategisch? Der Beitrag zeigt, wie Formklarheit zur Prozessstrategie wird – für Kanzleien und Vermieter.
Schriftform und Due Diligence – Wie Investoren Mietverträge wirklich prüfen
Bei Immobilien-Deals zählt jedes Detail: Schon ein Formfehler kann Millionen kosten. Dieser Beitrag erklärt, wie Investoren Mietverträge im Due-Diligence-Prozess prüfen, Schriftformmängel erkennen und Compliance-Systeme aufbauen, die Transaktionssicherheit und Rendite gewährleisten.