Vertretungsmacht und Signaturfehler – Wenn die falsche Hand unterschreibt
Verfasst von
Max Hortmann
28 Oct 2025
•
Lesezeit:
Diesen Beitrag teilen
Vertretungsmacht und Signaturfehler – Wenn die falsche Hand unterschreibt
Einleitung
Unterschriften entscheiden über Wirksamkeit und Bestand von Mietverträgen. Gerade im institutionellen Immobilienbereich unterzeichnen häufig Hausverwaltungen, Property- oder Asset-Manager im Namen von Vermietern – oft ohne ausreichende Vollmacht oder ohne klaren Hinweis auf ihre Vertretungsbefugnis. Fehlt die rechtliche Grundlage oder ist die Unterschrift formwidrig, kann der gesamte Vertrag angreifbar sein. Bei langfristigen Mietverhältnissen ist dies besonders gravierend: Nach § 550 BGB führt ein Schriftformmangel dazu, dass das Mietverhältnis vorzeitig kündbar ist.
Der folgende Beitrag analysiert die typischen Fehler bei der Unterzeichnung von Gewerbemietverträgen, erläutert die Folgen mangelnder Vertretungsmacht und zeigt, wie Mandanten ihre Vertragsarchitektur absichern können.
Rechtlicher Rahmen: Vertretungsmacht und Schriftform
Nach deutschem Zivilrecht gilt: Ein Vertreter kann rechtswirksam nur handeln, wenn er eine entsprechende Vollmachtbesitzt (§ 164 BGB). Unterzeichnet jemand ohne Vollmacht, ist das Geschäft schwebend unwirksam, bis der Vertretene es genehmigt (§ 177 BGB).
In Kombination mit dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB wird diese Grundregel zum Sprengsatz: Ein Vertrag gilt nicht nur als formnichtig, wenn keine beidseitige Unterschrift vorliegt, sondern auch, wenn der Unterzeichner nicht eindeutig erkennbar im Namen der vertretenen Partei gehandelt hat. Die Formvorschrift verlangt, dass aus der Urkunde selbst hervorgeht, wer für wen unterschrieben hat.
Fehlt dieser Vertretungszusatz („i.V.“, „ppa.“, „für die Vermieterin XYZ GmbH“), liegt ein Schriftformverstoß vor – selbst dann, wenn die Vollmacht materiell bestand, aber nicht nach außen dokumentiert wurde.
Unterschrift durch Unbefugte – typische Fehlerquellen
In der täglichen Vertragspraxis treten immer wieder dieselben Muster auf:
Hausverwaltung ohne Nachweis: Eine Mitarbeiterin der Verwaltung unterzeichnet den Vertrag, ohne dass eine schriftliche Vollmacht beiliegt.
Asset-Manager mit falschem Titel: Es wird lediglich mit Namenszug unterschrieben, ohne Vertretungszusatz.
Gesellschafter oder Prokurist: Unterzeichnet nur einer von zwei Gesamtvertretern.
Nachtrag ohne Unterschrift des Berechtigten: Spätere Anpassungen werden „im Auftrag“ signiert, aber ohne klare Bevollmächtigung.
Alle diese Konstellationen führen dazu, dass die formelle Schriftform nicht gewahrt ist. Der Vertrag ist dann zwar wirksam zustande gekommen, aber nach § 550 BGB jederzeit ordentlich kündbar.
Digitale Vertragsmappe mit Unterschriften und Vollmachtsnachweisen – Symbol für die Prüfung von Vertretungsmacht und Schriftform bei Gewerbemietverträgen.
Rechtsprechung und dogmatische Leitlinien
Die Rechtsprechung ist eindeutig:
Das Thüringer OLG (1 U 130/07) stellte fest, dass bei langfristigen Mietverträgen die Unterzeichnung durch einen Nichtbevollmächtigten zur Nichteinhaltung der Schriftform führt, wenn die Vertretung nicht aus der Urkunde hervorgeht.
Nach der Literatur (Späth, ZMR 2010, 585) genügt es nicht, wenn die Vollmacht nur intern vorliegt – sie muss nach außen erkennbar dokumentiert werden.
Metz (VII. Pacht 2025) betont, dass auch bei Änderungen und Nachträgen die Schriftform erneut einzuhalten ist; ein einziger fehlerhafter Unterzeichner macht die gesamte Vereinbarung angreifbar.
Die ratio legis ist klar: Nur wer weiß, wer den Vertrag bindet, kann sich auf seine Beständigkeit verlassen. Jede Unklarheit gefährdet damit die Sicherheit langfristiger Investitionen.
Fehlende oder fehlerhafte Vollmacht – Rechtsfolgen
Handelt jemand ohne Vollmacht, entsteht nach § 177 BGB ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft. Der Vertrag wird erst mit Genehmigung des Vertretenen wirksam. Erfolgt keine Genehmigung, ist das Geschäft endgültig nichtig (§ 180 BGB).
Doch selbst wenn der Vertretene nachträglich genehmigt, bleibt die Formproblematik: Die Genehmigung ersetzt nicht die fehlende Unterschrift im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die Schriftform ist dann nicht „bei Abschluss“ gewahrt. Damit bleibt der Vertrag kündbar (§ 550 BGB).
Für Mieter bedeutet das: Sie können sich auf den Formmangel berufen, um aus einem langfristigen Vertrag auszusteigen. Für Vermieter ist es ein erhebliches Planungs- und Refinanzierungsrisiko.
Nachträge und Ergänzungen – Wiederholung der Fehler
Noch häufiger treten Signaturfehler in Nachträgen oder Änderungsvereinbarungen auf. Selbst wenn der Hauptvertrag ordnungsgemäß unterzeichnet wurde, genügt ein Nachtrag ohne Vollmacht oder Vertretungszusatz, um die Schriftform zu zerstören. Gerichte verlangen eine vollständige Wiederholung der Form, d. h. beidseitige Unterschrift, eindeutige Bezeichnung und Vertretungszusatz auch für jede spätere Anpassung.
Praxisbeispiel: Ein Asset-Manager erhöht eigenmächtig die Miete um 3 %, beide Parteien kommunizieren per E-Mail. Der Eigentümer erfährt erst später davon. Ohne schriftliche Genehmigung und ordnungsgemäße Unterschrift ist der Vertrag formunwirksam – und kündbar.
Organisationsverschulden und Haftungsfragen
Fehlende Vollmachten sind nicht nur formale, sondern auch organisatorische Versäumnisse. Wenn Unternehmen oder Fonds die interne Vertretungsordnung unklar lassen, riskieren sie Schadensersatzansprüche gegen ihre eigenen Mitarbeiter oder Beauftragten.
Beispiel: Ein Hausverwalter schließt einen Mietvertrag ohne Vollmacht; der Eigentümer muss den Vertrag später gegen Zahlung einer Abfindung auflösen. Dieser wirtschaftliche Schaden kann als Pflichtverletzung aus Geschäftsbesorgungsvertrag(§§ 280, 675 BGB) geltend gemacht werden.
Gerade institutionelle Vermieter (Versicherungen, REITs, Family Offices) sollten daher verbindliche Signatur-Policies etablieren, die auch elektronische Unterschriften (z. B. DocuSign mit Vollmachtsnachweis) abdecken.
Digitalisierung und elektronische Signaturen
Seit der Einführung qualifizierter elektronischer Signaturen (qeS) gewinnt auch hier die Formfrage neue Bedeutung. Eine digitale Signatur ist nur dann wirksam, wenn beide Parteien sie verwenden und die Signatur eindeutig der vertretungsberechtigten Person zugeordnet ist. Wird eine E-Signatur im Namen einer Gesellschaft angebracht, ohne dass deren Vertretungsbefugnis nachgewiesen ist, entsteht ein digitaler Schriftformmangel mit denselben Folgen wie bei Papierdokumenten.
Gerade bei Online-Tools (z. B. Asset-Management-Portale) ist unklar, ob der Unterzeichner tatsächlich vertretungsberechtigt war. Hier empfiehlt sich ein dokumentierter Signatur-Workflow mit eindeutiger Benutzeridentifikation und Vollmachtsnachweis.
Praxisempfehlungen für rechtssichere Unterschriften
Vollmachtsprüfung: Vor jeder Unterzeichnung muss geprüft werden, ob die handelnde Person vertretungsberechtigt ist.
Vertretungszusatz: Jede Unterschrift sollte den Zusatz enthalten („i.V. für XYZ GmbH“, „ppa.“).
Doppelte Kontrolle: Bei Gesamtvertretung sind beide Unterschriften erforderlich.
Archivierung: Vollmachten und Unterschriftsregelungen sind dauerhaft zum Vertrag zu nehmen.
Nachträge: Jede Vertragsänderung erfordert dieselbe Form – beidseitige Unterzeichnung durch Berechtigte.
Digitale Prozesse: Elektronische Signaturen nur mit qualifizierter Authentifizierung und Audit-Trail verwenden.
Strategischer Mandatsnutzen
Die Prüfung von Unterschriften- und Vertretungsmängeln ist ein klassisches forensisches Feld mit erheblichem wirtschaftlichem Potenzial. Kanzleien können sowohl auf Vermieter- als auch Mieterseite tätig werden:
Für Mieter: Angriff auf langfristige Verträge durch Nachweis formwidriger Unterschriften.
Für Vermieter: Absicherung bestehender Mietverhältnisse und präventive Vertragsprüfung.
Für institutionelle Eigentümer: Entwicklung von Signatur- und Vollmachtsrichtlinien als Compliance-Instrument.
Ein korrekt unterschriebener Vertrag ist nicht nur juristisch, sondern auch ökonomisch belastbarer – Banken und Investoren achten zunehmend auf die Dokumentationsqualität.
Digitale Vertragsmappe mit Unterschriften und Vollmachtsnachweisen – Symbol für die Prüfung von Vertretungsmacht und Schriftform bei Gewerbemietverträgen.
Fazit
Eine Unterschrift ohne Vollmacht kann ein Millionenobjekt in die rechtliche Schwebe bringen. Der Schriftformmangel nach § 550 BGB ist kein formales Detail, sondern eine strategische Schwachstelle. Wer Vertretungsverhältnisse klar dokumentiert und alle Vertragsparteien ordnungsgemäß signieren lässt, verhindert Kündigungsrisiken, Schadensersatzforderungen und Reputationsverluste.
Für die anwaltliche Beratung gilt: Jede Vertragsprüfung muss mit der Unterschrift beginnen – denn sie entscheidet über Bestand oder Fall eines Mietverhältnisses.
Schriftform im Gewerbemietrecht – Die häufigsten Fehlerquellen
Wenn Schriftformverstöße zur Kündigung führen: Im Gewerbemietrecht entscheidet die Einhaltung der Schriftform nach § 550 BGB oft über Millionenwerte. Diese Serie zeigt, wo die gefährlichsten Formfehler lauern – und wie Mieter oder Vermieter sie strategisch nutzen können.
Fazit & Kontakt Die Schriftform ist mehr als Formalie – sie ist ein juristisches Werkzeug. Wenn Sie vermuten, dass Ihr Mietvertrag fehlerhaft ist oder eine strategische Prüfung wünschen: 👉 Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung.
Diesen Beitrag teilen
Corporate Law & Real Estate
Max Hortmann
Rechtsanwalt
,
Hortmann Law
Suchen Sie dringend diskrete, juristische Unterstüzung?
Wir helfen Ihnen gerne persönlich weiter – schildern Sie uns Ihr Anliegen und wir finden gemeinsam eine Lösung.
Entdecken Sie weitere Beiträge zu aktuellen Themen rund um Digitalrecht, Cybercrime, Datenschutz, KI und Steuerrecht. Unsere verwandten Artikel geben Ihnen zusätzliche Einblicke und vertiefende Analysen.
Steuerrecht
Erbrecht & Mietrecht
Corporate Law & Real Estate
10/29/2025
October 29, 2025
Beteiligungen an Personengesellschaften im Nachlass – Schnittstelle von Erb- und Steuerrecht
Liegt Gesellschaftsvermögen im Nachlass, treffen Erben auf komplizierte Schnittstellen zwischen Erb-, Gesellschafts- und Steuerrecht. Der Beitrag zeigt, wie anwaltliche Beratung die Erbfolge rechtssicher gestaltet, persönliche Haftung vermeidet und steuerneutrale Lösungen bei Fortführung oder Abfindung ermöglich
Schriftformverstöße im Prozess – Beweislast, Taktik, Urteilspraxis Schriftformverstöße im Prozess – Beweislast, Taktik, Urteilspraxis
Digitale Akten verändern die Beweisführung. Wer muss die Schriftform beweisen, welche Signaturen gelten und wie nutzt man elektronische Beweise strategisch? Der Beitrag zeigt, wie Formklarheit zur Prozessstrategie wird – für Kanzleien und Vermieter.
Schriftform und Due Diligence – Wie Investoren Mietverträge wirklich prüfen
Bei Immobilien-Deals zählt jedes Detail: Schon ein Formfehler kann Millionen kosten. Dieser Beitrag erklärt, wie Investoren Mietverträge im Due-Diligence-Prozess prüfen, Schriftformmängel erkennen und Compliance-Systeme aufbauen, die Transaktionssicherheit und Rendite gewährleisten.