Wohnrecht und Nießbrauch – Streit um Bewertung, Löschung und steuerliche Folgen

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Wohnrecht und Nießbrauch – Streit um Bewertung, Löschung und steuerliche Folgen
Einleitung
Wohnrecht und Nießbrauch sind klassische Instrumente der Vermögens- und Nachfolgeplanung. Sie ermöglichen es, Immobilien zu übertragen und dennoch Nutzungsrechte zurückzubehalten – häufig im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Juristisch wie steuerlich handelt es sich dabei um komplexe Gestaltungen, die ohne präzise vertragliche Regelung zu erheblichen Streitigkeiten führen können.
Besonders relevant sind Fragen der Bewertung, der Löschung solcher Rechte bei nachträglicher Einigung oder Ablösung sowie der steuerlichen Behandlung der daraus resultierenden Zahlungen. Sowohl das Erbschaftsteuer- als auch das Einkommensteuerrecht stellen hier hohe Anforderungen an Transparenz und Nachweis.
Der folgende Beitrag beleuchtet die wesentlichen Problemfelder: die Berechnung des Kapitalwerts, die Ablösung von Nutzungsrechten, die einkommensteuerliche Behandlung und die typischen Konflikte im Zusammenhang mit Pflichtteilsergänzung und Bewertung divergierender Gutachten.
Rechtliche Einordnung von Wohnrecht und Nießbrauch
Das Wohnrecht (§§ 1090 ff. BGB) und der Nießbrauch (§ 1030 ff. BGB) sind dingliche Nutzungsrechte, die dem Berechtigten den Gebrauch oder die Fruchtziehung aus einem fremden Grundstück gestatten. Beide Rechte sind höchstpersönlich und somit nicht übertragbar oder vererbbar (§§ 1061, 1092 BGB).
In der Praxis werden sie meist als Sicherungsinstrumente innerhalb der Familie verwendet: Eltern übertragen das Eigentum an Kinder, behalten sich jedoch ein lebenslanges Wohnrecht oder einen Nießbrauch vor. Diese Gestaltung senkt den steuerlichen Wert des übertragenen Vermögens erheblich und ermöglicht eine steueroptimierte Nachfolgeplanung (Halaczinsky/Wochner 2022).
Während das Wohnrecht regelmäßig auf die persönliche Nutzung beschränkt ist, erlaubt der Nießbrauch auch die Vermietung und Verpachtung der Immobilie (§ 1030 BGB). Damit kann der Berechtigte weiterhin Einkünfte erzielen, was steuerlich weitreichende Folgen hat.
Bewertung von Wohn- und Nießbrauchsrechten
Die Bewertung dieser Rechte ist sowohl für steuerliche als auch zivilrechtliche Zwecke entscheidend. Maßgeblich ist § 14 BewG, wonach der Kapitalwert aus dem Jahreswert der Nutzung und der voraussichtlichen Lebensdauer des Berechtigten berechnet wird.
1. Kapitalwert und Jahreswert
Der Kapitalwert ergibt sich aus dem Jahreswert der Nutzung multipliziert mit dem altersabhängigen Vervielfältiger nach Anlage 9 zum BewG. Dabei wird auf die statistische Lebenserwartung abgestellt, nicht auf den Gesundheitszustand des Berechtigten.
Nach Schur/Schur (2020) sind folgende Faktoren maßgeblich:
- Art der Nutzung (Wohnrecht, Nießbrauch, Teilnießbrauch),
- jährliche Nutzungsvorteile (z. B. ersparte Miete),
- Abzüge für Nebenkosten und Instandhaltungen.
2. Ertragswertmethode
Für Zwecke der Verkehrswertermittlung (z. B. bei Verkauf oder Pflichtteilsergänzung) kommt regelmäßig das Ertragswertverfahren zur Anwendung (Stöckel 2004). Dabei werden die erzielbaren Bruttomieten um Werbungskosten, Instandhaltung und Verwaltung reduziert. So ergibt sich der Jahresertrag, der kapitalisiert den wirtschaftlichen Wert des Rechts wiedergibt.
Gerade bei gemischten Nutzungen – etwa teils Eigennutzung, teils Vermietung – kommt es häufig zu Bewertungsstreitigkeiten, da unterschiedliche Gutachtermethoden zu stark abweichenden Ergebnissen führen können (Daragan 2021).

Löschung und Ablösung von Nutzungsrechten
Ein häufiges Praxisproblem ist die nachträgliche Ablösung eines Nießbrauchs oder Wohnrechts, etwa wenn sich die familiären Verhältnisse ändern oder der Eigentümer die Immobilie veräußern möchte.
1. Einmalzahlung als Ablösung
Die Ablösung erfolgt meist durch eine Einmalzahlung des Eigentümers an den Berechtigten. Steuerlich wird diese Zahlung nach Halaczinsky/Wochner (2022) als nicht steuerbare Vermögensumschichtung behandelt, sofern sie im Privatvermögen erfolgt.
Beim Eigentümer gilt die Zahlung als nachträgliche Anschaffungskosten auf das Grundstück (§ 255 Abs. 1 HGB analog). Wird die Immobilie später veräußert, erhöht sich der Veräußerungsgewinn entsprechend.
2. Rückforderungsrechte
Besondere Aufmerksamkeit verdienen vertraglich vereinbarte Rückforderungsrechte, z. B. wenn die Immobilie ursprünglich im Wege der Schenkung übertragen wurde. Nach dem DNotI-Report 2002 kann der Verzicht auf den Nießbrauch eine ergänzungspflichtige Schenkung darstellen und Pflichtteilsergänzungsansprüche (§ 2325 BGB) auslösen. Auch nachträgliche Rückübertragungen sollten daher notariell dokumentiert und steuerlich offengelegt werden.
Steuerliche Folgen und Fallstricke
1. Schenkungsteuer
Bei Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt mindert der Kapitalwert des Nießbrauchs den steuerpflichtigen Erwerb (§ 12 ErbStG). Dadurch kann die Steuerlast erheblich reduziert werden. Wichtig ist, dass der Nießbrauch zivilrechtlich wirksam bestellt und im Grundbuch eingetragen wird.
Fehlerhafte Vertragsgestaltung kann dazu führen, dass das Finanzamt den Nießbrauch als „fingiert“ einstuft und den vollen Immobilienwert besteuert (Schur 2020).
2. Grunderwerbsteuer
Wird ein Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen, liegt häufig ein teilentgeltlicher Erwerb vor. Die Grunderwerbsteuer fällt auf den entgeltlichen Teil an (§ 8 GrEStG).
Die Abgrenzung ist diffizil: Maßgeblich ist, ob der Nießbraucher wirtschaftlich eine Gegenleistung erhält. Bei unentgeltlichen Familienübertragungen kann die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 6 GrEStG greifen.
3. Einkommensteuer
Erzielt der Nießbraucher Mieteinnahmen, sind diese Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) und von ihm zu versteuern (Stuhrmann 1998).
Bei entgeltlichem Nießbrauch kann zudem eine Abschreibung (AfA) auf den Gebäudeanteil geltend gemacht werden. Wird der Nießbrauch abgelöst, gilt die Zahlung des Eigentümers als Anschaffungskosten; beim Berechtigten entsteht kein steuerpflichtiger Gewinn (Bremen 2001).
Konfliktfelder und Bewertungsspitzen
Die meisten Streitigkeiten ergeben sich an der Schnittstelle von Bewertung, Pflichtteilsrecht und Steuerrecht:
- Pflichtteilsergänzungsansprüche:
Wird auf ein Nießbrauchsrecht verzichtet, kann dies den Pflichtteilsergänzungsanspruch beeinflussen. Nach DNotI (2002) ist zu prüfen, ob eine ergänzungspflichtige Schenkung vorliegt – maßgeblich ist, ob die wirtschaftliche Bereicherung bereits eingetreten war. - Bewertungsdivergenzen:
Unterschiedliche Bewertungsansätze (z. B. Ertragswert vs. Kapitalwert) führen häufig zu Abweichungen von mehreren Zehntausend Euro. Gerichte akzeptieren regelmäßig nur Gutachten, die auf nachvollziehbaren Bewertungsmodellen nach BewG basieren (Daragan 2021). - Pflichten bei Vertragsaufhebung:
Wird ein Nießbrauch aufgehoben, ohne steuerliche Meldung, drohen Nachversteuerungen oder Bußgelder. Auch Pflichtverletzungen gegenüber Miterben können haftungsrechtliche Folgen haben (§ 280 BGB).
Praxis- und Gestaltungsempfehlungen
Für die notarielle und steuerliche Praxis gelten folgende Grundsätze:
- Klare Vertragsgestaltung:
Jeder Nießbrauch oder jedes Wohnrecht sollte präzise beschrieben werden – Dauer, Umfang, Instandhaltungspflichten und Kostenverteilung müssen festgelegt sein. - Transparente Bewertung:
Gutachten nach BewG und Ertragswertverfahren sind unverzichtbar, wenn steuerliche oder erbrechtliche Ansprüche im Raum stehen. - Steuerliche Vorprüfung:
Bei Ablösung oder Löschung ist eine Abstimmung mit dem Steuerberater erforderlich, um ungewollte Schenkung- oder Einkommensteuerfolgen zu vermeiden. - Pflichtteilsschutz:
Schenkungen mit Nießbrauch sollten stets im Hinblick auf § 2325 BGB analysiert werden. Eine rechtliche Beratung verhindert spätere Ergänzungsansprüche. - Dokumentation und Nachweis:
Jede Zahlung, Ablösung oder Rückübertragung sollte schriftlich dokumentiert, notariell beurkundet und steuerlich offengelegt werden.

Fazit
Wohnrecht und Nießbrauch sind bewährte, aber hochsensible Gestaltungsmittel im Immobilien- und Erbrecht. Fehler in der Bewertung, fehlende steuerliche Dokumentation oder unklare Löschungsvereinbarungen können zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.
Sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Aufhebung dieser Rechte ist eine interdisziplinäre Beratung erforderlich, die Zivilrecht, Steuerrecht und Bewertungsrecht miteinander verzahnt. Nur so lassen sich Konflikte vermeiden und Nachfolgeregelungen rechtssicher gestalten.
Die genaue Ermittlung des Kapitalwerts nach BewG, die steuerliche Abstimmung mit dem Finanzamt und eine saubere notariell dokumentierte Löschung sichern die Rechtssicherheit aller Beteiligten.
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