Wohnungsmodernisierung im WEG – Abgrenzung zu Instandhaltung und Anfechtungsrisiken
Verfasst von
Max Hortmann
03 Nov 2025
•
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Wohnungsmodernisierung im WEG – Abgrenzung zu Instandhaltung und Anfechtungsrisiken
Einleitung
Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) stehen zunehmend vor der Herausforderung, bauliche Maßnahmen rechtssicher zu planen und zu beschließen. Ob energetische Sanierungen, Fassadenarbeiten oder Aufzugsmodernisierungen – häufig stellt sich die Frage, ob es sich um Instandhaltung, Instandsetzung oder Modernisierung handelt.
Diese Unterscheidung ist entscheidend: Während Instandhaltungen meist mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können, erfordern Modernisierungen oft qualifizierte Mehrheiten oder sogar Einstimmigkeit. Fehler bei der Abgrenzung führen regelmäßig zu Anfechtungsklagen und Verzögerungen bei der Umsetzung.
Der folgende Beitrag zeigt, wie die Abgrenzung vorzunehmen ist, welche Finanzierungsformen zulässig sind und wann Eigentümerbeschlüsse erfolgreich angefochten werden können.
1. Abgrenzung zwischen Modernisierung und Instandhaltung
1.1. Instandhaltung und Instandsetzung
Unter Instandhaltung versteht man die Maßnahmen, die der Erhaltung des ordnungsgemäßen Zustands des gemeinschaftlichen Eigentums dienen (§ 18 Abs. 1 WEG). Instandsetzung liegt vor, wenn bereits eingetretene Mängel oder Schäden beseitigt werden.
Beispiele:
Austausch maroder Fenster durch gleichwertige Modelle,
Reparatur von Aufzügen oder Heizungsanlagen,
Erneuerung defekter Dachabdichtungen.
Solche Maßnahmen gelten als ordnungsgemäße Verwaltung und können mit einfacher Mehrheit beschlossen werden (§ 25 WEG). Sie dienen nicht der Verbesserung, sondern der Wiederherstellung des bisherigen Zustands.
1.2. Modernisierung
Modernisierungen gehen über reine Erhaltungsmaßnahmen hinaus. Sie zielen auf eine Verbesserung oder Anpassung an den Stand der Technik ab (§ 20 Abs. 2 WEG).
Das Bayerische Oberste Landesgericht (Beschl. v. 23. 02. 2005 – 2Z BR 167/04) stellte klar: Die Erstinstallation einer Solaranlage stellt eine bauliche Veränderung dar, die zugleich modernisierend wirkt, weil sie den Gebrauchswert der Anlage nachhaltig erhöht.
Typische Modernisierungen sind:
Installation einer Photovoltaikanlage,
Austausch der Heizungsanlage gegen energieeffiziente Systeme,
Einbau von Ladesäulen für E-Mobilität,
Aufzugserweiterungen oder Barrierefreiheit.
Die rechtliche Bewertung hängt davon ab, ob die Maßnahme dem Gebrauchswert dient oder nur dem Komfort einzelner Eigentümer.
2. Beschlussfassung und Mehrheitserfordernisse
2.1. Beschlusskompetenz
Seit der WEG-Reform 2020 (§ 20 WEG) ist die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen vereinfacht. Modernisierungen können mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, wenn:
sie der Energieeinsparung, der Barrierefreiheit oder dem Einbruchschutz dienen,
und die Kosten nicht unverhältnismäßig sind.
Im Gegensatz dazu erfordern bauliche Veränderungen, die nur einzelnen Eigentümern dienen, weiterhin deren Zustimmung (§ 20 Abs. 1 WEG).
2.2. Finanzierungswege
Die Finanzierung kann über:
Instandhaltungsrücklagen,
Sonderumlagen,
oder gemeinschaftliche Kredite erfolgen.
Nach dem LG Köln (Urt. v. 24. 11. 2011 – 29 S 111/11) darf die Rücklage nur für Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung genutzt werden. Eine „eiserne Reserve“ muss verbleiben.
Sonderumlagen sind zulässig, wenn sie ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (Mundt 2007). Kreditfinanzierungen sind dagegen zustimmungsbedürftig. Nach LG Bielefeld (Beschl. v. 15. 06. 2011 – 23 T 442/10) bedarf ein WEG-Kredit der Zustimmung sämtlicher Eigentümer, sofern die Gemeinschaftsordnung nichts anderes vorsieht.
3. Anfechtungsrisiken bei Beschlüssen
Beschlüsse über Modernisierungen sind häufig Gegenstand von Anfechtungsklagen. Gründe sind meist:
formelle Fehler bei der Einladung oder Tagesordnung,
unbestimmte Beschlussinhalte,
fehlerhafte Kostenschlüssel oder
unangemessene Belastung einzelner Eigentümer.
Nach dem LG Hamburg (Beschl. v. 23. 12. 2015 – 318 T 61/15) sind Beschlüsse unwirksam, wenn sie unklar formuliert sind – etwa wenn der Kostenverteilungsschlüssel fehlt oder nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen konkret beschlossen wurden.
Auch die fehlende Abwägung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten, etwa durch Förderprogramme, kann zur Ungültigkeit führen (LG Düsseldorf, Urt. v. 12. 06. 2013 – 25 S 152/12).
Die Kostenverteilung richtet sich nach § 16 Abs. 2 WEG, sofern die Eigentümer nichts anderes vereinbart haben. Der Verteilungsschlüssel kann per Mehrheitsbeschluss angepasst werden, wenn dies dem Gebrauchsvorteil entspricht (§ 16 Abs. 2 S. 2 WEG).
Problemfälle entstehen, wenn Eigentümer überproportional belastet werden, etwa bei:
Aufzugseinbau in Häusern mit Erdgeschosswohnungen,
Dämmmaßnahmen, von denen nur bestimmte Gebäudeteile profitieren.
In solchen Fällen kann der Beschluss angefochten werden, wenn die Kostenverteilung unbillig ist (§ 21 Abs. 4 WEG). Nach dem Bayerischen Obersten Landesgericht (Beschl. v. 17. 08. 2005 – 2Z BR 229/04) gilt ein Beschluss als ordnungswidrig, wenn er einzelne Eigentümer ohne sachlichen Grund benachteiligt.
5. Grenzen der Beschlusskompetenz
Die Eigentümergemeinschaft darf nur Maßnahmen beschließen, die dem Zweck der ordnungsgemäßen Verwaltung dienen. Maßnahmen, die über den Gemeinschaftszweck hinausgehen oder in das Sondereigentum eingreifen, sind nichtig.
Nach dem LG Itzehoe (Urt. v. 12. 07. 2011 – 11 S 51/10) ist ein Beschluss über bauliche Veränderungen unwirksam, wenn die erforderliche Zustimmung der betroffenen Eigentümer fehlt. Gleiches gilt, wenn die Eigentümergemeinschaft die Grenzen der Verwaltungskompetenz überschreitet – etwa bei individuellen Umbauten in Wohnungen.
6. Verhältnis zu Fördermitteln und energetischen Sanierungen
Energetische Sanierungen unterliegen seit der GEG-Novelle 2024 erhöhten Anforderungen. Maßnahmen zur Energieeffizienz gelten als privilegierte bauliche Veränderungen (§ 20 Abs. 2 WEG) und können daher mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.
Allerdings sind Fördermittelanträge (KfW, BEG EM) komplex. Versäumt die Verwaltung, Fördermöglichkeiten zu prüfen oder einzubringen, kann dies als Pflichtverletzung gelten und die Beschlüsse anfechtbar machen.
Das zeigt, wie wichtig die inhaltliche Vorbereitung von Beschlüssen ist: Eigentümer sollten über Förderungen, Rücklagenstand und Kostenmodelle transparent informiert werden.
7. Typische Fehlerquellen und Prävention
Die häufigsten Anfechtungsgründe sind:
Unklare Beschlussformulierung – fehlende Konkretisierung der Maßnahme,
Unvollständige Kostendarstellung,
Fehlende Mehrheitserfordernisse,
Nichtbeachtung alternativer Finanzierungswege,
Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
Zur Vermeidung empfiehlt sich:
detaillierte Beschlussvorlagen mit Kostentabellen,
Beifügung von Bau- und Finanzierungsplänen,
Einholung juristischer und technischer Gutachten vor der Abstimmung.
Ein transparentes Verfahren senkt das Risiko von Anfechtungsklagen erheblich.
Die Modernisierung von Gemeinschaftseigentum ist ein juristisch anspruchsvoller Prozess, der rechtliche, wirtschaftliche und soziale Interessen in Einklang bringen muss.
Die Abgrenzung zwischen Instandhaltung und Modernisierung bestimmt, welche Mehrheit erforderlich ist und wie Kosten verteilt werden dürfen. Fehler bei der Vorbereitung und Beschlussfassung führen schnell zu Anfechtungen, die die Umsetzung blockieren.
Für Eigentümergemeinschaften gilt: Nur klare Beschlüsse, transparente Finanzierung und sorgfältige Protokollierung gewährleisten Rechtssicherheit. Verwaltung, Beirat und Eigentümer sollten eng zusammenarbeiten, um Modernisierungsmaßnahmen effizient und rechtlich einwandfrei umzusetzen.
📞 Kontakt:Wir beraten Eigentümer, Verwalter und Beiräte bei Beschlussvorbereitung, Finanzierung und Anfechtung im WEG-Recht.www.hortmannlaw.com/contact
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