Erbbaurecht und Heimfallklauseln – Rechte der Erwerber bei Altverträgen
Verfasst von
Max Hortmann
03 Nov 2025
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Erbbaurecht und Heimfallklauseln – Rechte der Erwerber bei Altverträgen
Einleitung
Das Erbbaurecht zählt zu den traditionsreichsten Gestaltungsformen des deutschen Immobilienrechts. Es erlaubt die Trennung von Grundstückseigentum und Bauwerkseigentum und schafft damit eine flexible Basis für Investitionen auf fremdem Boden. Viele dieser Verträge stammen aus den 1960er- bis 1980er-Jahren – Zeiträume, in denen wirtschaftliche und städtebauliche Rahmenbedingungen völlig andere waren als heute.
Diese Altverträge enthalten häufig Heimfallklauseln, also Regelungen, nach denen das Erbbaurecht bei bestimmten Ereignissen – etwa Vertragsverstößen oder Zeitablauf – automatisch auf den Grundstückseigentümer zurückfällt. In der Praxis entstehen hier Konflikte zwischen Bestandsschutz, Anpassungsbedarf und Entschädigungspflichten.
Der folgende Beitrag beleuchtet, wann und wie solche Klauseln wirksam sind, welche Rechte Erwerber von Erbbaurechten bei Altverträgen haben und in welchen Fällen eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB in Betracht kommt.
Rechtscharakter von Heimfallklauseln
Heimfallklauseln sind nach ständiger Rechtsprechung dingliche Ansprüche (§ 11 ErbbauV), die im Grundbuch eingetragen werden können. Sie berechtigen den Grundstückseigentümer, das Erbbaurecht bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen – meist bei Vertragsverletzung oder Insolvenz – zu übernehmen.
Bereits das FG Bremen (Urt. v. 15. 12. 1992 – II 134/90 K) stellte klar, dass der Heimfallanspruch nicht zwingend zu einer Grunderwerbsteuerpflicht führt, wenn das Erbbaurecht im selben Zuge an einen Dritten übertragen wird. Der Heimfall bleibt also ein eigenständiger, vom Erbbaurecht abgeleiteter Anspruch.
In der Praxis haben viele Altverträge jedoch starre Heimfallbedingungen, etwa feste Laufzeiten von 99 Jahren ohne Anpassungsklausel oder Rückübertragungspflichten ohne Entschädigung. Diese Klauseln können heute gegen § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) oder gegen das Gebot des redlichen Ausgleichs verstoßen, wenn sie dem Erbbauberechtigten jegliche wirtschaftliche Teilhabe am geschaffenen Wert entziehen.
Vertragsanpassung nach § 313 BGB
Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 ist die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ein zentrales Instrument zur Korrektur überalterter Vertragsstrukturen.
Eine Anpassung kommt in Betracht, wenn sich die wirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen seit Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und eine Partei an der unveränderten Vertragserfüllung unzumutbar festgehalten würde.
Bei Erbbaurechtsverträgen betrifft das vor allem:
erhebliche Verkehrswertveränderungen,
eine geänderte bauliche oder städtebauliche Nutzung,
sowie massive Wertverschiebungen durch Zins- und Bodenpreisentwicklungen.
Nach BGH v. 18. 10. 1985 – V ZR 144/84 und der Anmerkung Genius (2014) kann eine Anpassung des Erbbauzinses nach § 313 BGB möglich sein, sofern keine ausdrückliche Regelung im Vertrag besteht. Haben die Parteien dagegen bewusst ein Risiko übernommen (etwa über eine Wertsicherungsklausel), scheidet die Berufung auf § 313 BGB regelmäßig aus.
Heimfallklauseln, Erbbaurecht, Rechte der Erwerber
Entschädigungsansprüche beim Heimfall
Beim Heimfall oder Erlöschen des Erbbaurechts (§ 27 ErbbauV) entsteht regelmäßig ein Anspruch auf angemessene Entschädigung für die aufstehenden Gebäude. Maßstab ist in der Regel der Verkehrswert der Bauwerke im Zeitpunkt des Heimfalls, nicht der historische Herstellungswert.
Der BGH v. 29. 10. 2010 – V ZR 48/10 betont, dass solche Entschädigungen auch nach Jahrzehnten nicht unverhältnismäßig reduziert werden dürfen. Die öffentliche Hand darf Wiederkaufsrechte oder Heimfallansprüche mit extrem langen Ausübungsfristen (etwa 90 Jahre) nur dann beanspruchen, wenn der Erbbauberechtigte wirtschaftlich nicht unzumutbar benachteiligt wird.
In Altverträgen finden sich häufig Entschädigungsklauseln, die prozentual oder pauschal berechnet sind. Solche Klauseln können anpassungsbedürftig sein, wenn sie unter heutigen Marktbedingungen zu groben Ungleichgewichten führen.
Rechte der Erwerber bei Altverträgen
Erwirbt eine Person ein bestehendes Erbbaurecht, tritt sie in alle Rechte und Pflichten des Altvertrags ein (§ 11 ErbbauV). Daraus folgt, dass sie an überholte Heimfall- oder Entschädigungsregelungen gebunden ist.
Erwerber sollten daher vor dem Kauf prüfen:
ob das Heimfallrecht dinglich gesichert ist,
ob der Vertrag Anpassungsklauseln enthält,
und ob nach § 313 BGB ein Anpassungsanspruch besteht, falls die wirtschaftliche Grundlage entfallen ist.
Fehlen solche Regelungen, kann der Erwerber unter Umständen eine gerichtliche Anpassung verlangen, wenn die Aufrechterhaltung des alten Vertrags unbillig wäre. In der Praxis ist das jedoch selten erfolgreich, da Gerichte hohe Anforderungen an die Darlegung einer „schwerwiegenden Veränderung“ stellen.
Verhältnis zu Grunderwerbsteuer und öffentlicher Hand
Heimfall und Entschädigung lösen nicht automatisch grunderwerbsteuerliche Vorgänge aus. Entscheidend ist, ob durch den Heimfall ein Rechtsübergang des Grundstücks stattfindet oder lediglich eine schuldrechtliche Rückübertragung. Das FG Bremen (1992) stellte klar, dass beim Heimfall infolge Vertragsverletzung keine Steuer entsteht, wenn das Erbbaurecht im selben Akt an einen Dritten übertragen wird.
Öffentliche Eigentümer – insbesondere Kommunen und Kirchen – nutzen Heimfallrechte zunehmend zur städtebaulichen Steuerung. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Überzogene Fristen oder fehlende Entschädigungsmechanismen können gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen und im Einzelfall nichtig sein.
Praktische Handlungsempfehlungen
Für die Vertrags- und Beratungspraxis ergeben sich folgende Leitlinien:
Vertragsprüfung vor Erwerb: Erwerber sollten Altverträge vollständig einsehen, einschließlich Anlagen und etwaiger Nachträge. Die Heimfallbedingungen sind auf Aktualität und Transparenz zu prüfen.
Wertsicherung und Anpassung: Wenn der Erbbauzins deutlich vom Marktwert abweicht, kann eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB geprüft werden. Banken und Notare sollten auf dieses Risiko hinweisen.
Entschädigungsregelung klarstellen: Fehlen eindeutige Bestimmungen, sollte eine ergänzende Vereinbarung über den Bewertungsmaßstab (z. B. Gutachtenverfahren, Verkehrswert) getroffen werden.
Steuerliche Bewertung: Bei Übertragung oder Heimfall ist die Grunderwerbsteuerpflicht gesondert zu prüfen; sie hängt von der konkreten Ausgestaltung des Rechtsübergangs ab.
Kommunale Altverträge prüfen: Gerade bei öffentlichen Grundstücken empfiehlt sich eine Neubewertung der Heimfallklauseln unter Gesichtspunkten von Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit.
Heimfallklauseln, Erbbaurecht, Rechte der Erwerber
Fazit
Heimfallklauseln sind ein mächtiges Instrument, um Eigentumsrechte zu sichern, können aber bei Altverträgen zu erheblichen Rechts- und Wertungsproblemen führen. Der Gesetzgeber hat mit § 313 BGB einen flexiblen Korrekturmechanismus geschaffen – doch dessen Anwendung bleibt auf Ausnahmefälle beschränkt.
Erwerber sollten bei alten Erbbaurechten besondere Sorgfalt walten lassen, insbesondere bei Übertragungen oder Beleihungen. Eine fachkundige Prüfung der Heimfall- und Entschädigungsklauseln schützt vor hohen wirtschaftlichen Risiken und ermöglicht gegebenenfalls die Anpassung überholter Vertragsbestimmungen an heutige Marktbedingungen.
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