Teilungserklärung und Sondernutzungsrecht – Haftung bei fehlerhafter Zuordnung
Verfasst von
Max Hortmann
03 Nov 2025
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Teilungserklärung und Sondernutzungsrecht – Haftung bei fehlerhafter Zuordnung
Einleitung
Die rechtssichere Zuordnung von Sondernutzungsrechten in der Teilungserklärung zählt zu den sensibelsten Punkten des Wohnungseigentumsrechts. Ein einziger Lageplanfehler, eine unklare Beschreibung oder eine missverständliche Verweisung in der Gemeinschaftsordnung kann dazu führen, dass ein Eigentümer Flächen nutzt, die ihm tatsächlich nicht zustehen – mit weitreichenden rechtlichen und finanziellen Konsequenzen.
Sondernutzungsrechte sind rechtlich „Zwitterrechte“: Sie sind dem Sondereigentum zugeordnet, aber inhaltlich auf Teile des Gemeinschaftseigentums bezogen. Daraus entsteht ein Spannungsfeld zwischen individueller Nutzung und gemeinschaftlicher Ordnung. Fehlerhafte Eintragungen oder spätere Änderungen ohne korrekte Zustimmung können nicht nur zu Eigentümerstreitigkeiten führen, sondern auch Notarhaftung und Rückabwicklungsansprüche auslösen.
Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, die Haftungsfragen bei fehlerhaften Teilungserklärungen und die besonderen Anforderungen an Änderungen oder Korrekturen von Sondernutzungsrechten.
Fehlerhafte Zuordnung und Mitwirkungspflichten
Die Zuordnung von Sondernutzungsrechten erfolgt in der Regel durch die Teilungserklärung und die dazugehörigen Pläne (§ 7 Abs. 4 WEG). Werden dabei Fehler gemacht – etwa durch eine falsche Parzellierung, fehlerhafte Nummerierung oder eine missverständliche Beschreibung der Flächen – entsteht ein unrechtmäßiger Zustand, der durch die Wohnungseigentümergemeinschaft korrigiert werden muss.
Nach der Entscheidung des AG Dresden (Urt. v. 30. 05. 2008 – 150 C 8017/07) ist ein Eigentümer, dem versehentlich ein Sondernutzungsrecht eingeräumt wurde, verpflichtet, an dessen Aufhebung mitzuwirken. Grundlage ist das gemeinschaftliche Treueverhältnis und der Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB.
Fehlerhafte Zuordnungen beeinträchtigen regelmäßig die Mitgebrauchsrechte anderer Eigentümer (§ 13 Abs. 2 WEG) und können den Wert ihrer Einheiten mindern. Der rechtswidrig begünstigte Eigentümer darf den Vorteil daher nicht dauerhaft behalten. In der Praxis bedeutet das: Der Fehler muss entweder durch eine einvernehmliche Änderungsvereinbarung oder im Streitfall durch gerichtliche Entscheidung beseitigt werden.
Notarhaftung bei fehlerhaften Teilungserklärungen
Notare spielen bei der Begründung von Wohnungseigentum eine Schlüsselrolle. Sie sind verpflichtet, die Teilungserklärung einschließlich Aufteilungsplan und Sondernutzungszuweisungen auf Plausibilität und Vollständigkeit zu prüfen.
Die BGH-Rechtsprechung (Urt. v. 17. 01. 2002 – IX ZR 434/00) betont, dass Notare auch für inhaltliche Fehler haftbar gemacht werden können, wenn sie eine fehlerhafte oder unvollständige Zuordnung nicht erkennen. Ihre Pflicht beschränkt sich nicht auf die Beurkundung, sondern umfasst die gebührenfreie Nachbesserung und gegebenenfalls den Ersatz von Kosten für eine Neubeurkundung.
Das OLG München (Urt. v. 11. 10. 2007 – 1 U 2537/07) hat die Notarhaftung zudem auf Fälle erweitert, in denen der Notar es unterlassen hat, auf die Notwendigkeit zusätzlicher Grunddienstbarkeiten hinzuweisen, wenn sich Sondernutzungsflächen überlappen. Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, haftet der Notar für die späteren Schäden, die aus der unklaren Rechtslage entstehen.
In der Praxis ist die Notarhaftung besonders relevant, wenn:
Aufteilungspläne widersprüchlich sind,
Sondernutzungsflächen doppelt ausgewiesen wurden, oder
der Notar Änderungen in der Gemeinschaftsordnung ohne rechtliche Prüfung beurkundet hat.
Änderung von Sondernutzungsrechten – formelle Anforderungen
Sondernutzungsrechte sind nach der Begründung des Wohnungseigentums dinglich verfestigt und nur mit Zustimmung aller dinglich Berechtigten änderbar (§ 10 Abs. 2, § 15 WEG). Änderungen bedürfen der notariellen Beurkundung und Eintragung im Grundbuch.
Das OLG München (Beschl. v. 01. 08. 2023 – 34 Wx 166/23 e) betonte, dass ein Eintragungsantrag erst dann wirksam wird, wenn die Zustimmung aller Berechtigten vorliegt. Wird eine Zwischenverfügung nicht beachtet oder der Antrag zurückgenommen, kann das Grundbuchamt die Änderung ablehnen.
Fehlerhafte oder unvollständige Änderungsbeschlüsse bergen erhebliche Risiken:
Die Änderung ist nicht wirksam, wenn nicht alle Eigentümer zustimmen.
Die Eintragung im Grundbuch kann beanstandet oder gelöscht werden.
Es drohen Rückabwicklungen und Schadensersatzforderungen.
Bereits kleine Abweichungen zwischen Lageplan, Teilungserklärung und tatsächlicher Nutzung können zu gravierenden Widersprüchen führen. Das zeigt auch der Beschluss des OLG München v. 04. 02. 2016 – 34 Wx 396/15, wonach eine Eintragung nur zulässig ist, wenn der Lageplan exakt dem Aufteilungsplan entspricht.
Grundbuchrechtliche Präzision und Dokumentationspflicht
Ein zentrales Problem in der Praxis ist die Diskrepanz zwischen Text- und Planinhalt. Der Beschluss des OLG München v. 24. 09. 2018 – 34 Wx 194/18 verdeutlicht, dass jede Änderung an Nebenräumen oder Sondernutzungsflächen grundbuchrechtlich nachvollziehbar dokumentiert werden muss.
Wird beispielsweise ein Kellerraum einem anderen Sondereigentum zugeordnet, ohne dass diese Änderung im Grundbuch vermerkt wird, bleibt die alte Eintragung maßgeblich. Auch der Käufer kann sich dann auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs (§ 892 BGB) berufen – selbst wenn der tatsächliche Zustand abweicht.
Die Praxis erfordert daher höchste Präzision:
Änderungen der Teilungserklärung müssen beurkundet werden,
der Lageplan ist zu aktualisieren,
und die Grundbuchumschreibung muss zeitnah erfolgen.
Versäumnisse führen zu Rechtsunsicherheiten bei Eigentumsübertragungen, da Käufer und Kreditinstitute auf die formale Richtigkeit der Eintragungen vertrauen.
Konfliktpotenziale in der Eigentümergemeinschaft
Fehlerhafte oder unklare Sondernutzungszuweisungen führen regelmäßig zu Streit über Nutzungsrechte an Stellplätzen, Gartenflächen oder Kellerabteilen. Das OLG Hamm (Beschl. v. 13. 03. 2000 – 15 W 454/99) stellte fest, dass eine fehlgeschlagene Begründung eines Sondernutzungsrechts die Gemeinschaftsordnung nicht automatisch unwirksam macht, aber erhebliche Streitpotenziale schafft.
Auch nach OLG Oldenburg (Beschl. v. 04. 12. 2019 – 2 U 243/19) ist bei widersprüchlichen Formulierungen in der Teilungserklärung der objektive Empfängerhorizont maßgeblich (§§ 133, 157 BGB). Fehlt Klarheit, entscheiden Gerichte regelmäßig zugunsten der gemeinschaftlichen Nutzung.
In der Folge können:
Nutzungsrechte entfallen,
bauliche Veränderungen rückgängig gemacht werden,
und Eigentümer zur Beseitigung unrechtmäßiger Zustände verpflichtet werden.
Zudem kann die unklare Dokumentation von Sondernutzungsrechten die Veräußerung oder Beleihung einer Einheit erheblich erschweren, da Grundbuch und tatsächliche Nutzung nicht übereinstimmen (OLG München, Beschl. v. 12. 09. 2006 – 32 Wx 133/06).
Haftungs- und Präventionsstrategien
Zur Vermeidung von Haftungsrisiken sind folgende Maßnahmen unerlässlich:
Sorgfältige Planprüfung: Notare, Verwalter und Architekten müssen sicherstellen, dass Pläne, Flächenbeschreibungen und Teilungserklärung identisch sind.
Vertragliche Transparenz: Sondernutzungsrechte sollten eindeutig bezeichnet und mit einer klaren Flächenbeschreibung (z. B. „Stellplatz Nr. 7 laut Lageplan“) versehen werden.
Grundbuchaktualisierung: Jede Änderung oder Neuzuordnung muss unverzüglich im Grundbuch eingetragen werden, um spätere Kollisionen zu vermeiden.
Notarhaftungsprävention: Notare sollten ihre Beurkundungspraxis dokumentieren und prüfen, ob aus den Plänen Unklarheiten resultieren. Eine Haftungsfreistellung ist ausgeschlossen, wenn der Fehler offenkundig war (§ 19 Abs. 1 BNotO).
Kommunikation in der WEG: Eigentümer sollten über Änderungen frühzeitig informiert werden. Konsens und Transparenz beugen gerichtlichen Auseinandersetzungen vor.
Fehlerhafte oder unvollständige Zuordnungen von Sondernutzungsrechten in der Teilungserklärung sind kein bloßes Formalproblem – sie betreffen die Substanz des Wohnungseigentumsrechts. Sie können den Wert einzelner Einheiten mindern, zu gerichtlichen Streitigkeiten führen und erhebliche Haftungsrisiken für Notare, Verwalter und Eigentümer begründen.
Die Präzision der Teilungserklärung ist daher zentraler Bestandteil jeder Immobilientransaktion. Änderungen dürfen nur unter strikter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen vorgenommen werden, und jede Unklarheit sollte frühzeitig korrigiert werden.
Sowohl für WEG-Verwalter als auch für Notare gilt: Fehlervermeidung ist Haftungsprävention. Nur durch transparente Dokumentation und regelmäßige Prüfung der Eintragungen lässt sich die Stabilität der Eigentümerstruktur langfristig sichern.
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