Gesundheits- und Verfahrensdaten im Netz – Schutz besonderer Kategorien personenbezogener Daten bei Angriffen im Netz

Verfasst von
Max Hortmann
31 Oct 2025
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Gesundheits- und Verfahrensdaten im Netz – Schutz besonderer Kategorien personenbezogener Daten bei Angriffen im Netz

Meta-Description:
Gesundheitsdaten, Verfahrensakten, DSGVO, § 203 StGB – rechtliche Folgen, Verantwortlichkeit und anwaltliche Durchsetzung bei Datenlecks.

Sensible Daten im digitalen Raum – neue Risiken durch Leaks und Angriffe

Gesundheits- und Verfahrensdaten sind der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
Sie betreffen Diagnosen, medizinische Befunde, Gerichtsakten oder interne Behördenkommunikation.
Werden sie veröffentlicht, ist nicht nur der Datenschutz verletzt, sondern die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG).

Die Fälle häufen sich: Krankenhauslecks, veröffentlichte psychiatrische Gutachten, gehackte Gerichtsserver.
Allein 2024 meldeten die europäischen Datenschutzbehörden über 2 700 Sicherheitsvorfälle im Gesundheitswesen – Tendenz steigend.

Diese Daten sind „besonders schutzwürdig“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO, weil sie Rückschlüsse auf Gesundheit, Sexualleben, Religion oder Herkunft zulassen.
Ihre Veröffentlichung führt regelmäßig zu Diskriminierung, sozialem Ausschluss und Reputationsverlust.

Rechtliche Grundlagen – Art. 9 DSGVO, Art. 82 DSGVO und § 203 StGB

Art. 9 DSGVO normiert ein grundsätzliches Verarbeitungsverbot für besondere Datenkategorien.
Eine Verarbeitung ist nur in eng definierten Fällen zulässig (z. B. Einwilligung, lebenswichtige Interessen, öffentliches Gesundheitsinteresse).
Diese enge Regelung dient der präventiven Gefahrenabwehr – sie verpflichtet Unternehmen und Behörden, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen (TOMs) zu implementieren.

Kommt es trotzdem zu einem Leak, greift die Haftung nach Art. 82 DSGVO:

„Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter.“

Dieser Schadensbegriff ist weit: Er umfasst auch Verlust von Kontrolle, Angst, Scham oder psychische Belastung (vgl. EuGH, Urt. v. 4.5.2023 – C-300/21, Österreichische Post).

§ 203 StGB schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger:innen (Ärzte, Anwälte, Psychologen, Beamte) und ihren Mandant:innen oder Patient:innen.
Wer ein Geheimnis unbefugt offenbart oder technisch zugänglich macht, begeht eine Straftat.
Das gilt auch für IT-Dienstleister, wenn sie fahrlässig Daten offengelegt haben (§ 203 Abs. 4 StGB).

Typische Angriffsszenarien und Datenlecks

Die Praxis zeigt vier Hauptursachen:

1️⃣ Externe Angriffe (Cybercrime): Ransomware-Gruppen veröffentlichen Daten auf „Leak-Seiten“, um Druck aufzubauen.
2️⃣ Interne Fahrlässigkeit: Fehlversand sensibler Unterlagen, offene E-Mail-Verteiler, unverschlüsselte Kommunikation.
3️⃣ Behördliche Veröffentlichungen: Unzureichend anonymisierte Gerichtsurteile oder fehlerhafte Online-Portale.
4️⃣ Datenverkauf durch Dritte: Arztpraxen oder Kliniken, die Diagnosen zu Forschungszwecken weitergeben, ohne Einwilligung.

Jeder dieser Fälle stellt eine Datenschutzverletzung im Sinne von Art. 4 Nr. 12 DSGVO dar.
Die Verantwortlichen müssen binnen 72 Stunden eine Meldung an die Aufsichtsbehörde erstatten (Art. 33 DSGVO) und betroffene Personen informieren (Art. 34 DSGVO).

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Haftung und Verantwortung – wer trägt die Folgen?

Der „Verantwortliche“ im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist die Stelle, die über Zweck und Mittel der Verarbeitung entscheidet.
Im Gesundheitswesen kann das die Arztpraxis, Klinikleitung oder ein externer IT-Dienstleister sein.
Im Justizbereich ist die jeweilige Behörde Verantwortliche i.S.d. Art. 55 DSGVO.

Verstöße können erhebliche Folgen haben:

  • Bußgelder nach Art. 83 Abs. 5 lit. a DSGVO bis zu 20 Mio. € oder 4 % des Jahresumsatzes.
  • Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO, auch für psychische Belastungen.
  • Strafrechtliche Konsequenzen (§ 203 StGB, ggf. § 42 BDSG).
  • Berufsrechtliche Verfahren (z. B. Kammeraufsicht, Disziplinarmaßnahmen).

Die Haftung ist solidarisch: Auch Auftragsverarbeiter (z. B. Cloud-Dienstleister) können gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden (Art. 82 Abs. 4 DSGVO).

Zivil- und strafrechtliche Ansprüche Betroffener

1️⃣ Schadensersatz (Art. 82 DSGVO):
Betroffene können Ersatz für materielle (z. B. Behandlungskosten) und immaterielle Schäden (z. B. Angst, Scham, Kontrollverlust) verlangen.
Die Rechtsprechung verlangt keinen messbaren Vermögensschaden.

2️⃣ Unterlassung und Löschung (§§ 823, 1004 BGB analog):
Unzulässig veröffentlichte Daten können zivilrechtlich gelöscht und deren Wiederverbreitung untersagt werden.

3️⃣ Strafanzeige (§ 203 StGB):
Bei Verletzung der Schweigepflicht oder Offenlegung von Geheimnissen.

4️⃣ Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde (Art. 77 DSGVO):
Diese kann Bußgelder verhängen und Löschung anordnen.

Ein Anwalt kann alle Wege gleichzeitig koordinieren – technisch, zivilrechtlich, strafrechtlich.

Plattformen und Medien – Grenzen der Berichterstattung

Auch Journalist:innen und Medienhäuser sind an Datenschutzrecht gebunden.
Zwar schützt Art. 5 GG die Pressefreiheit, doch bei Gesundheitsdaten ist der Eingriff besonders schwerwiegend.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG (1 BvR 1073/20) dürfen sensible Informationen nur veröffentlicht werden, wenn ein überragendes öffentliches Interesse besteht.
Einzelfälle, die lediglich Neugier oder Voyeurismus bedienen, verletzen das Persönlichkeitsrecht (§§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG).

Anwält:innen können gegen solche Veröffentlichungen presserechtlich mit einstweiliger Verfügung, Gegendarstellung oder Unterlassung vorgehen.

Anwaltliche Maßnahmen bei Datenveröffentlichung

Sofortmaßnahmen:

  • Sicherung von Screenshots, URLs, Hashwerten, Archivkopien.
  • Meldung an Datenschutzaufsicht und ggf. Polizei.

Juristische Intervention:

  • Löschungsersuchen an Plattformen mit Fristsetzung nach Art. 17 DSGVO.
  • Unterlassungs- und Schadensersatzklage.
  • Abstimmung mit forensischen IT-Expert:innen zur Nachverfolgung von Datenkopien.

Forensische Beweissicherung:
Nur durch notarielle oder anwaltliche Dokumentation ist der Beweis vor Gericht belastbar.

Prävention und Compliance-Systeme

Unternehmen und Behörden müssen präventiv handeln:

  • Technische IT-Sicherheit: regelmäßige Penetrationstests, Verschlüsselung, Zugriffskontrollen.
  • Organisatorische Maßnahmen: Datenschutzbeauftragte mit echten Kompetenzen, jährliche Audits.
  • Juristische Kontrolle: Prüfung aller Veröffentlichungen, Urteile, Pressemitteilungen auf DSGVO-Konformität.
  • Mitarbeiterschulung: Bewusstsein für Schweigepflicht und Cyberrisiken.

Ein Kanzlei-Audit kann prüfen, ob technische und juristische Schutzebenen übereinstimmen – und so Bußgelder oder Klagen vermeiden.

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Fazit & Handlungsempfehlung

Datenlecks im Gesundheits- oder Justizbereich sind nicht nur technische Fehler – sie sind rechtliche Katastrophen.
Jede Veröffentlichung von Diagnosen, Akten oder Verfahrensunterlagen verletzt Grundrechte und kann strafbar sein.

Ein Anwalt kann:

  • Sofortmaßnahmen (Löschung, Beweissicherung) koordinieren,
  • Unterlassung & Schadensersatz geltend machen,
  • Strafanzeige & Beschwerde einreichen,
  • und Compliance-Strukturen langfristig sichern.

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Autorisierte Fundstelle:

Peters – Computerkriminalität, Steuerberater-Rechtshandbuch, 194. Erg.-Lfg., September 2025.

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Max Hortmann
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