Plattformverhalten: Löschen, Sperren oder Nicht-Eingreifen? – Was tun Netzwerke, was können Betroffene tun?

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Plattformverhalten im digitalen Raum – Macht und Verantwortung
Soziale Netzwerke bestimmen heute, welche Inhalte sichtbar bleiben und welche gelöscht werden.
Diese Macht bringt Verantwortung – und rechtliche Verpflichtungen.
Doch die Realität zeigt: Plattformen handeln oft zu spät oder gar nicht.
Inhalte, die offensichtlich beleidigend, verleumderisch oder diskriminierend sind, bleiben online – teils über Wochen.
Das liegt an automatisierten Prüfverfahren, internen Priorisierungssystemen und einem Mangel an juristisch geschultem Moderationspersonal.
Für Betroffene bedeutet das: Rufschädigung, psychische Belastung und der Verlust digitaler Kontrolle.
Rechtliche Grundlage – Digital Services Act (DSA) und NetzDG
Der Digital Services Act (DSA) und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bilden das Rückgrat der europäischen Plattformregulierung.
§ 3 NetzDG verpflichtet Plattformen, gemeldete „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ binnen 24 Stunden zu löschen.
Für nicht eindeutig strafbare Inhalte gilt eine Prüfungsfrist von sieben Tagen.
Der DSA (Verordnung (EU) 2022/2065) erweitert diesen Rahmen:
Er verpflichtet Anbieter ab Februar 2024,
- Melde- und Beschwerdeverfahren einzurichten,
- Entscheidungen zu dokumentieren und zu begründen,
- Transparenzberichte zu veröffentlichen (Art. 15 DSA),
- und bei systematischem Versagen mit Bußgeldern bis zu 6 % des Jahresumsatzes zu rechnen.
Im Gegensatz zum NetzDG gilt der DSA unmittelbar in allen EU-Staaten und betrifft auch internationale Anbieter wie LinkedIn Ireland, Meta Platforms oder X Corp.
Wann Plattformen Inhalte löschen müssen
Plattformen sind rechtlich verpflichtet, rechtswidrige Inhalte nach Kenntnisnahme zu entfernen.
„Kenntnisnahme“ liegt bereits mit einer begründeten Beschwerde vor – ein anwaltliches Schreiben genügt.
Löschpflichten greifen insbesondere bei:
- Beleidigung (§ 185 StGB)
- Übler Nachrede (§ 186 StGB)
- Verleumdung (§ 187 StGB)
- Volksverhetzung (§ 130 StGB)
- Verletzung des Persönlichkeitsrechts (§§ 823, 1004 BGB)
Dabei muss stets eine Abwägung mit der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) erfolgen.
Doch diese Abwägung ist keine Blankovollmacht: Das BVerfG (1 BvR 1073/20) betonte, dass Plattformen rechtlich nicht berechtigt sind, illegale Inhalte unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit stehen zu lassen.

Rechte der Betroffenen – Anspruch auf Löschung und Information
Betroffene haben mehrere Ansprüche gleichzeitig:
- Art. 17 DSGVO (Recht auf Löschung): Jeder kann verlangen, dass rechtswidrige oder unrechtmäßige Datenverarbeitungen gelöscht werden.
- Art. 16–20 DSA: Anspruch auf Information über Moderationsentscheidungen, Transparenz über algorithmische Filter und Korrektur fehlerhafter Entscheidungen.
- § 3 NetzDG: Pflicht der Plattform, über getroffene Maßnahmen zu informieren.
Zusätzlich kann nach Art. 82 DSGVO Schadensersatz verlangt werden, wenn Plattformen ihre Löschpflichten verletzen oder personenbezogene Daten nicht ausreichend schützen.
Typische Fehler bei der Meldung von Inhalten
Viele Betroffene scheitern nicht am Recht – sondern am Verfahren.
Plattformen nutzen automatisierte Formulare, die komplexe juristische Kontexte nicht erkennen.
Ein Algorithmus kann zwischen „Beleidigung“ und „scharfer Kritik“ nicht differenzieren.
Ergebnis: berechtigte Beschwerden werden mit Standard-E-Mails abgelehnt.
Hinzu kommt:
- Meldungen enthalten oft keine vollständigen Screenshots oder URLs,
- Beweissicherung erfolgt zu spät oder unvollständig,
- Fristen werden nicht beachtet.
Eine anwaltliche Meldung umgeht diese Fehler, indem sie rechtliche Einordnung, Anspruchsgrundlagen und Fristsetzung kombiniert – und sofort eine Reaktionspflicht auslöst.
Anwaltliche Durchsetzung gegenüber Plattformen
Ein Anwalt kann die Löschung oder Sperrung systematisch und nachweisbar erzwingen.
1️⃣ Direkte Kontaktaufnahme:
Plattformen reagieren nachweislich schneller auf anwaltliche Schreiben als auf Nutzerbeschwerden.
Anwält:innen adressieren die Rechtsabteilungen und berufen sich auf EU-DSA und NetzDG.
2️⃣ Fristsetzung und einstweilige Verfügung:
Bleibt die Plattform untätig, kann binnen weniger Tage eine gerichtliche Verfügung beantragt werden.
Gerichte bewerten Plattformuntätigkeit zunehmend als „rechtswidrige Duldung“.
3️⃣ Schadensersatz und DSGVO-Ansprüche:
Wenn persönliche Daten im Rahmen rechtswidriger Posts verbreitet werden, kann nach Art. 82 DSGVO eine finanzielle Entschädigung verlangt werden.
4️⃣ Forensische Dokumentation:
Anwält:innen sichern Posts, URLs, Zeitstempel und Quellcodes notariell – als Beweismittel in Zivil- oder Strafverfahren.
Internationale Anbieter – Zuständigkeiten und Hürden
Viele Plattformen sitzen im EU-Ausland, meist in Irland (Meta, LinkedIn) oder Luxemburg (Amazon).
Zwar gilt der DSA unmittelbar, doch die Durchsetzung erfordert genaue Kenntnis der Zuständigkeitsstruktur:
- DSA-Vertreter: Jede große Plattform muss einen rechtlichen Vertreter in jedem EU-Staat benennen (Art. 13 DSA).
- Zuständigkeit der Gerichte: Nach Art. 18 Brüssel Ia-VO kann der Kläger am Wohnsitz klagen.
- Bußgelder: Nationale Aufsichtsbehörden (z. B. Bundesnetzagentur) können Strafen anordnen.
Anwälte mit EU-Forensik-Erfahrung koordinieren dabei die Kommunikation zwischen nationalen Gerichten, Datenschutzbehörden und Plattformvertretungen.
Prävention und Compliance auf Nutzerseite
Auch Nutzer:innen und Unternehmen tragen Verantwortung für digitale Kommunikation.
Für Einzelpersonen:
- Speichern von Nachrichten, Kommentaren, Screenshots.
- Keine emotionale Reaktion, sondern strukturierte Beweissicherung.
Für Unternehmen:
- Interne Social-Media-Richtlinien.
- Compliance-Verfahren zur internen Meldung von Rechtsverletzungen.
- Juristische Überwachung von Unternehmensprofilen.
Ein professionelles Community-Management mit juristischer Kontrolle verhindert, dass Konflikte eskalieren oder rechtliche Grenzen überschritten werden.

Fazit & Handlungsempfehlung
Plattformen sind keine neutralen Akteure – sie sind verantwortliche Intermediäre, die bei Untätigkeit rechtlich haften.
Wer sich auf die interne Beschwerde verlässt, verliert wertvolle Zeit.
Ein Anwalt kann:
- Löschungen und Sperrungen rechtlich erzwingen,
- Unterlassung und Schadensersatz einklagen,
- Beweise forensisch sichern,
- und internationale Durchsetzung gegen ausländische Betreiber koordinieren.
📞 Wenn Plattformen Ihre Beschwerden ignorieren oder rechtswidrige Inhalte nicht löschen, übernehmen wir Beweissicherung, Löschung und rechtliche Durchsetzung.
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Autorisierte Fundstellen
Heckmann – jurisPK-Internetrecht (8. Aufl. 2024), Kap. 8;
Heckmann/Paschke – DRiZ 2018, 144–147;
Holznagel/Hemmert-Halswick – BRJ 2017, 6–13;
Woger/Männig – PinG 2017, 233–240.
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