Krypto Betrug: Beweissicherung und Spurensuche auf der Blockchain

Verfasst von
Max Hortmann
02 Nov 2025
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Krypto Betrug: Beweissicherung und Spurensuche auf der Blockchain – Wie digitale Spuren vor Gericht nutzbar sind

Von der Wallet zur Wahrheit – wie Blockchain-Daten in Krypto-Betrugsverfahren forensisch gesichert, ausgewertet und vor Gericht verwertet werden können.

Einleitung

Im klassischen Bankbetrug sind Kontoauszüge, Zahlungsaufträge und TAN-Protokolle die Grundlage jedes Ermittlungs- und Zivilverfahrens.
Im Krypto-Betrug übernimmt diese Funktion die Blockchain.
Doch was technisch transparent erscheint, wird juristisch schnell diffus:
Wer ist der „Empfänger“ einer Transaktion?
Wie beweist man, dass eine Wallet-Adresse tatsächlich einem Täter oder einer Plattform gehört?
Und wie lassen sich Blockchain-Daten überhaupt so sichern, dass sie gerichtlich verwertbar sind?

Dieser Aufsatz erklärt – praxisnah und mandatsorientiert – wie Blockchain-Forensik, rechtliche Beweisstrategien und Datenschutzrecht zusammenwirken, um Krypto-Betrug gerichtsfest aufzuarbeiten.
Er zeigt, wie Geschädigte ihre Chancen erhöhen können, Wallet-Bezüge herzustellen, Daten gerichtsfest zu sichern und Plattformen über Art. 15 DSGVO zur Mitwirkung zu zwingen – ein Ansatz, der sich zunehmend in der Rechtspraxis etabliert.

1. Technische Grundlagen der Blockchain als Beweisquelle

1.1 Transparenz und Unveränderlichkeit

Blockchains sind öffentliche, kryptographisch verkettete Register, in denen Transaktionen mit Zeitstempel und Prüfsumme (Hash) gespeichert werden.
Jede Transaktion ist damit rückverfolgbar, aber nicht personalisiert.
Die öffentliche Einsicht (z. B. über Etherscan, Blockchain.com) ermöglicht jedem, Bewegungen zu beobachten – ohne zu wissen, wer dahintersteht.

Juristisch bedeutet das:
Die Blockchain liefert objektive Tatsachen, aber keine Subjektzuordnungen.
Erst wenn eine Wallet über eine Plattform (z. B. Crypto.com, Binance, Coinbase) eröffnet wurde, entstehen personenbezogene Bezugspunkte, die durch KYC-Daten (Know Your Customer) identifizierbar sind.

1.2 Der Beweiswert digitaler Signaturen

Transaktionen werden durch Private Keys signiert.
Diese Signatur beweist die Verfügungsmacht – sie ersetzt im digitalen Raum die handschriftliche Unterschrift.
Ein gerichtlicher Beweis kann daher über den Blockchain-Auszug (Blockhöhe, TX-ID, Hashwert, Empfängeradresse, Zeitstempel) geführt werden.
Damit diese Daten verwertbar sind, müssen sie fälschungssicher gesichert und protokolliert werden – z. B. durch qualifizierte elektronische Beweissicherungstools oder Notar-Hash-Protokolle.

2. Forensische Beweissicherung – von der Wallet zur gerichtlichen Dokumentation

2.1 Digitale Spurensicherung

Jede Transaktion auf der Blockchain hinterlässt Spuren:

  • Transaktions-ID (TX-Hash) – eindeutige Kennung der Zahlung,
  • Absender- und Empfängeradressen,
  • Betrag, Gas Fees, Blocknummer,
  • Datum und Uhrzeit (UTC),
  • Zwischenadressen und Smart-Contract-Interaktionen.

Diese Spuren müssen gesichert und verifiziert werden, bevor sie in Ermittlungs- oder Zivilverfahren eingebracht werden.
Eine einfache Screenshot-Kopie ist nicht ausreichend; entscheidend ist die Hash-Verifikation des Blocks und die Dokumentation der Quelle.

Empfohlene Vorgehensweise:

  1. Transaktionsnachweis sichern: Export aus Blockchain-Explorer (CSV, JSON, PDF mit Hash-ID).
  2. Hash-Verifikation dokumentieren: Prüfsumme des Blocks mit öffentlicher Node vergleichen.
  3. Screenshots/Videoaufzeichnung der Spurensuche (Beweis der Authentizität).
  4. Digitale Signatur der Beweisdokumente (z. B. qualifizierte Signatur oder Notarprotokoll).

Diese Schritte gewährleisten Beweissicherheit nach § 371a ZPO und digitale Integrität nach § 371b ZPO.

2.2 Kombination mit DSGVO-Auskunft

Ergänzend zur öffentlichen Blockchain-Spur kann über Art. 15 DSGVO bei Plattformen, die Wallets oder Transaktionen vermittelt haben (z. B. Crypto.com, Binance, Bitpanda), eine Auskunft über personenbezogene Transaktionsdaten verlangt werden.
Diese umfasst:

  • Transaktionslogs mit KYC-IDs,
  • interne AML-Vermerke (Anti-Money-Laundering),
  • Empfängerlisten und interne Risk-Scores,
  • Kommunikationsprotokolle (Support-Tickets, Compliance-Anfragen).

Diese Daten sind personenbezogen und daher auskunftspflichtig.
Sie schließen die Lücke zwischen Wallet-Adresse und realer Identität – ein zentrales Beweismittel im Straf- und Zivilverfahren.

3. Rechtliche Einordnung der Blockchain als Beweismittel

3.1 Urkundenbeweis und Augenscheinbeweis

Ein Blockchain-Auszug ist kein klassisches Schriftstück, kann aber als elektronischer Urkundenbeweis (§ 371a ZPO) oder Augenscheinobjekt (§ 371 ZPO) verwendet werden.
Das Gericht muss die Authentizität und Integrität der Daten prüfen, was regelmäßig durch Sachverständigengutachten oder forensische Analysen erfolgt.

Der BGH hat klargestellt, dass digitale Beweismittel grundsätzlich gleichwertig zu Papierurkunden sind, wenn ihre Herkunft und Unverfälschtheit nachvollziehbar dokumentiert wird (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.2017 – VIII ZR 213/16).

3.2 Rückabwicklung und Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB)

Juristisch kann eine Rückabwicklung unrechtmäßiger Blockchain-Transaktionen nicht technisch, wohl aber rechtlich erfolgen –
durch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) oder Naturalrestitution (§ 249 BGB).
Das Gericht kann den Empfänger zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes verpflichten, selbst wenn die Blockchain selbst irreversibel ist.

Damit wird die Blockchain nicht rückabgewickelt, aber ökonomisch neutralisiert.

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4. Herausforderungen in der Praxis

4.1 Anonymität und technische Verschleierung

Die größten Hindernisse sind Mischdienste (Mixer, Tumbler), Privacy Coins (Monero, Zcash) und Cross-Chain-Swaps, die Transaktionspfade verwischen.
Täter nutzen zudem VPNs und Tor-Netzwerke, um IP-Spuren zu anonymisieren.

Die forensische Antwort liegt in der Cluster-Analyse:
Software wie Chainalysis, Crystal oder TRM Labs erkennt Muster, Gruppierungen und gemeinsame Kontrolle von Wallets (z. B. gemeinsame Einzahlungsadressen oder Verhaltenskorrelationen).

4.2 Internationale Zuständigkeit

Bei Wallets oder Plattformen im Ausland (z. B. Crypto.com mit Sitz in Singapur) entsteht die Frage,
welches Gericht und welches Recht gilt.
Für Zivilklagen greift Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO und Art. 4 Rom-II-VO:
Ort des Schadenseintritts = Ort der Verfügung.
Deutsche Gerichte sind zuständig, wenn der Anleger in Deutschland lebt und hier das Geld überwiesen wurde.

In der Praxis bedeutet das:
Die Beweissicherung in Deutschland kann die Grundlage für international vollstreckbare Urteile sein – auch gegen Plattformen, die sich formell außerhalb der EU befinden.

5. Gerichtliche Verwertung von Blockchain-Beweisen

5.1 Zivilverfahren

Gerichte akzeptieren Blockchain-Auszüge, wenn:

  • der technische Ursprung (Explorer, Node, API) dokumentiert ist,
  • der Inhalt verifiziert wurde (Hashvergleich),
  • und der Sachverhalt nachvollziehbar dargestellt ist (Transaktionskette, Verbindung zur Partei).

Wird der Nachweis durch ein forensisches Gutachten untermauert, steigt die Beweiskraft erheblich.

5.2 Strafverfahren

In Ermittlungsverfahren dienen Blockchain-Daten als Grundlage für Beschlagnahmen, Arrestbeschlüsse und Geldwäscheermittlungen.
Ermittler können Wallet-Adressen in Watchlisten aufnehmen und automatisierte Monitoring-Systeme einsetzen.
Ein zunehmend verbreitetes Mittel ist das Targeted Freeze:
Sobald eine verdächtige Adresse an eine regulierte Exchange (z. B. Crypto.com Europe UAB) transferiert, kann diese auf behördliche Anfrage eingefroren werden.

6. Praxisfall: Crypto.com und die Beweiskette

Crypto.com steht exemplarisch für den praktischen Nutzen von Blockchain-Beweisen.
In zahlreichen Betrugsfällen waren Transaktionen über Wallets nachvollziehbar, die mit Foris DAX MT (Singapur) oder Foris Europe UAB (Litauen) verknüpft waren.
Die Plattform ist verpflichtet, auf Anfrage der Behörden und im Rahmen der DSGVO Auskunft über Transaktionspartner und Risikovermerke zu erteilen.

Erfahrungen aus Mandaten zeigen, dass eine anwaltlich präzise formulierte Art. 15-DSGVO-Anfrage bei Crypto.com häufig zur Offenlegung von:

  • IP-Logs,
  • Wallet-Zuordnungen,
  • AML-Reports,
  • und internen Audit-Notizen

führt – Daten, die später in Strafverfahren Beweiskraft entfalten.
Diese Kombination aus öffentlicher Blockchain-Transparenz und privater Auskunftspflicht schafft eine zweigleisige Beweisstrategie, die sowohl technische als auch juristische Lücken schließt.

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7. Handlungsempfehlungen für Geschädigte

  1. Transaktionen sichern:
    TX-Hashes, Adressen, Zeitstempel, Explorer-Links exportieren.
  2. Beweiskette dokumentieren:
    Screenshots, Hash-Prüfungen, forensische Signaturen (z. B. PDF-Signatur).
  3. DSGVO-Auskunft bei Plattformen:
    Crypto.com, Binance, Bitpanda u. a. zur Herausgabe aller Transaktions- und KYC-Daten auffordern.
  4. Gutachten beauftragen:
    Blockchain-Forensiker (Chainalysis, TRM Labs) liefern clusterbasierte Beweise.
  5. Rechtsweg sichern:
    Frühzeitige anwaltliche Einschaltung – parallele Anzeige (§ 263 StGB) und Zivilklage (§ 823, § 826 BGB).
  6. Datenintegrität wahren:
    Beweismaterial nie verändern; Originaldateien sichern und Hashes speichern.

Fazit

Die Blockchain ist kein schwarzes Loch – sie ist ein transparenter Tatort.
Wer die technischen Spuren früh sichert und juristisch klug kombiniert, kann Krypto-Betrug gerichtsfest nachweisen.
Mit einer strukturierten Strategie aus technischer Beweissicherung, DSGVO-Auskunft und zivilrechtlicher Klage lässt sich die vermeintliche Anonymität aufbrechen.

Plattformen wie Crypto.com sind durch ihre EU-Niederlassungen auskunfts- und haftungspflichtig.
Ihre Logs und Compliance-Daten sind der Schlüssel, um Täterketten zu belegen und Schäden zu beziffern.
So wird aus einer anonymen Wallet-Adresse ein gerichtsfester Beweis – und aus technischer Transparenz echte Rechtsdurchsetzung.

Wer Opfer eines Krypto-Betrugs geworden ist, sollte nicht zögern, anwaltliche Hilfe einzuholen, um Beweise zu sichern, Ansprüche vorzubereiten und den Informationsaustausch mit Behörden zu steuern.

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