Pflichtteil ausgehebelt? Schenkungen kurz vor dem Tod
Verfasst von
Max Hortmann
09 Nov 2025
•
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Pflichtteil ausgehebelt?
Schenkungen kurz vor dem Tod und was Pflichtteilsberechtigte wissen müssen
Wenn der Nachlass scheinbar leer ist – und das Geld längst verschenkt wurde
Immer häufiger berichten enterbte Kinder, geschiedene Ehepartner oder langjährige Lebensgefährten: „Ich war im Testament nicht bedacht – und es ist angeblich kein Vermögen mehr da.“ Die Ursache liegt oft Jahre zurück: Immobilien wurden übertragen, Konten geräumt, Wertgegenstände verschenkt. Für viele scheint das Recht auf Pflichtteil verloren.
Doch das stimmt nicht. Denn das Gesetz kennt das Problem – und schützt Pflichtteilsberechtigte mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB). Dieser sichert Ansprüche auch dann, wenn der Erblasser schon vor seinem Tod sein Vermögen reduziert hat – etwa durch Schenkungen.
Pflichtteil – was steht mir zu?
Pflichtteilsberechtigt sind insbesondere:
Kinder und Kindeskinder (egal ob ehelich, nichtehelich, adoptiert)
Ehepartner des Verstorbenen
Eltern (wenn keine Nachkommen vorhanden sind)
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils – und muss in Geld ausgezahlt werden. Er entsteht, sobald ein Erbfall eintritt und der Pflichtteilsberechtigte nicht (oder nur teilweise) bedacht wurde.
Doch was ist, wenn der Nachlass formal leer ist?
§ 2325 BGB – Pflichtteilsergänzungsanspruch
Der § 2325 BGB schützt Pflichtteilsberechtigte vor bewusster Aushöhlung des Nachlasses durch den Erblasser. Dort heißt es:
„Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung seines Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.“
Mit anderen Worten: Auch verschenktes Vermögen wird in die Berechnung einbezogen – zumindest anteilig, abhängig vom Zeitpunkt der Schenkung.
Gläubigerrechtliche Prüfung einer Immobilienübertragung kurz vor dem Tod zur Pflichtteilserhöhung.
Die 10-Jahres-Frist: Wie lange zurück darf man schauen?
Entscheidend ist, wann die Schenkung erfolgte:
Innerhalb des letzten Jahres vor dem Tod → 100 % anrechenbar
Vor 2 Jahren → 90 %
Vor 3 Jahren → 80 %
… und so weiter – bis auf 10 % bei einer Schenkung vor 9 Jahren.
Ab dem 10. Jahr vor dem Erbfall fällt die Schenkung vollständig heraus.
Achtung: Diese Frist beginnt erst, wenn der Erblasser den wirtschaftlichen Zugriff auf das Geschenk vollständig aufgegeben hat. Hat er sich z. B. ein Wohnrecht oder Nießbrauch vorbehalten, beginnt die Frist nicht zu laufen.
Was gilt als Schenkung?
Übertragung einer Immobilie (z. B. Haus an eines der Kinder)
Verschenken von Bargeld, Kunstgegenständen, Wertpapieren
Kündigung eines Darlehensvertrags ohne Rückforderung
„Schenkweise“ Übertragung von Firmenanteilen oder Konten
Ob etwas als Schenkung gilt, richtet sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt – nicht nach der Bezeichnung. Auch verdeckte Schenkungen, z. B. durch extrem unterpreisigen Verkauf, können erfasst werden.
Wer muss zahlen?
Der Pflichtteilsberechtigte kann den Anspruch geltend machen
gegen den Beschenkten (z. B. gegen das Kind oder den neuen Ehepartner)
oder gegen den Erben, wenn dieser das Geschenk erhalten hat
In der Praxis bedeutet das: Selbst wenn ein Sohn schon vor 5 Jahren das Haus erhalten hat, muss er ggf. seinen Geschwistern etwas auszahlen – auch, wenn er nicht Erbe geworden ist.
Strategische Beratung für enterbte Angehörige
Pflichtteilsansprüche verjähren in der Regel 3 Jahre nach Kenntnis von Erbfall und beeinträchtigender Verfügung. Deshalb ist schnelles Handeln entscheidend.
Wir prüfen für Sie:
welche Schenkungen in die Berechnung fallen
ob die 10-Jahresfrist korrekt läuft oder noch nicht begonnen hat
gegen wen sich der Anspruch richtet (Beschenkte, Erben oder beide)
wie hoch der Pflichtteilsergänzungsanspruch konkret ausfällt
Fallbeispiel
Eine Mandantin wurde von ihrem Vater enterbt. Im Testament: nur die zweite Ehefrau. Das Familienhaus war aber schon 6 Jahre zuvor auf die Ehefrau übertragen worden – mit lebenslangem Wohnrecht für den Vater.
Ergebnis: Die Frist begann nie zu laufen. Das Haus wurde voll angerechnet, der Pflichtteil der Tochter stieg von 18.000 € auf 76.000 €.
Die Ehefrau musste nachzahlen – obwohl sie im Testament Alleinerbin war.
Kanzleisituation mit Enterbtem und Rechtsanwältin zur Durchsetzung des gesetzlichen Pflichtteils.
Fazit: Auch verschenktes Vermögen zählt
Wer enterbt wird, steht nicht mit leeren Händen da – solange er seine Rechte kennt. Das Pflichtteilsrecht schützt Sie vor bewusster Nachlassverlagerung. Schenkungen, Übertragungen und Vermögensverschiebungen lassen sich prüfen, anrechnen und gegebenenfalls einklagen.
📞 Sie haben Grund zu glauben, dass der Erblasser sein Vermögen vorher verschenkt hat? Dann handeln Sie jetzt – wir prüfen Ihren Anspruch individuell und rechtssicher:
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