Wenn Schuldner lügen – und Gläubiger reagieren können
„Ich habe nichts“ – oder einfach nur falsch geschworen?
Viele Gläubiger kennen dieses Szenario: Ein Titel liegt vor, der Gerichtsvollzieher ist beauftragt – aber der Schuldner gibt an, er habe „kein Vermögen, keine Einkünfte, keine Konten“. Alles sei weg. Und zwar: komplett. Was dabei oft übersehen wird: Diese Angaben erfolgen an Eides statt – und wer hierbei bewusst falsche Erklärungen abgibt, macht sich strafbar.
Was ist eine eidesstattliche Versicherung?
Im Rahmen der Zwangsvollstreckung kann der Gerichtsvollzieher den Schuldner zur Vermögensauskunft nach § 802c ZPO laden. Der Schuldner muss offenlegen:
Konten und Bargeld
Einkommen, Forderungen, Beteiligungen
Immobilien, Fahrzeuge, sonstige Vermögenswerte
Diese Angaben erfolgen schriftlich – und werden vom Schuldner an Eides statt versichert. Das bedeutet: Er bekräftigt mit seiner Unterschrift, dass die Angaben vollständig und wahrheitsgemäß sind. Es handelt sich also nicht um eine bloße Behauptung, sondern um eine strafrechtlich relevante Versicherung.
§ 156 StGB: Falsche Versicherung an Eides statt
Das Strafgesetzbuch regelt den Fall einer falschen eidesstattlichen Angabe in § 156 StGB:
„Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt zuständigen Behörde […] eine solche Versicherung falsch abgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Voraussetzungen:
Unwahre Angabe: Es werden bewusst relevante Vermögenswerte verschwiegen oder falsch angegeben.
Eidesform: Die Angaben erfolgten unter ausdrücklicher Versicherung an Eides statt (z. B. bei Gerichtsvollzieher).
Vorsatz: Der Schuldner wusste, dass seine Erklärung falsch war – und gab sie dennoch ab.
Schon das Verschweigen eines einzigen Kontos oder Vermögensbestandteils kann genügen.
Juristin analysiert Gläubigerakte nach unplausibler Vermögensangabe des Schuldners.
Warum ist das für Gläubiger wichtig?
Die falsche eidesstattliche Versicherung ist kein Kavaliersdelikt – und kein lässlicher Versuch, Zeit zu gewinnen. Es handelt sich um eine ernsthafte Straftat, mit der Schuldner nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.
Für Gläubiger ergeben sich daraus mehrere Chancen:
1. Strafanzeige als Druckmittel
Eine Anzeige wegen § 156 StGB bringt Schuldner in Erklärungsnot. Wer sich bislang sicher fühlte, merkt: Jetzt wird es ernst – mit echten Konsequenzen.
2. Informationsgewinn
Die Staatsanwaltschaft kann ermitteln, Auskünfte einholen und Beweise sichern, zu denen Gläubiger allein keinen Zugang hätten – z. B. Bankauskünfte, digitale Spuren, Zeugenaussagen.
3. Zivilrechtliche Folgen
Falsche Angaben können zur erneuten Vermögensauskunft, Anfechtungsklagen oder weiteren Vollstreckungsmaßnahmen führen – etwa, wenn Vermögen nachträglich entdeckt wird.
Typische Manipulationen bei der Vermögensauskunft
Konto bei Zweitbank wird „vergessen“
Barvermögen wird kurz vorher abgehoben
Forderungen gegen Freunde oder Verwandte werden nicht genannt
Fahrzeuge oder teure Gegenstände werden auf andere Personen angemeldet
Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit werden nicht angegeben
Diese Praktiken sind nicht nur unsauber – sie können kriminalrechtlich relevant sein.
Ergänzung: Fahrlässigkeit genügt nicht – aber Leichtsinn auch nicht
Der § 156 StGB erfordert Vorsatz – der Schuldner muss wissen, dass er falsch erklärt. Fahrlässigkeit (z. B. er „hatte die Unterlagen nicht zur Hand“) reicht grundsätzlich nicht aus.
Aber: Der Schuldner darf sich nicht blind stellen. Wer vorsätzlich „vergisst“, ein relevantes Konto anzugeben, kann sich nicht auf Unwissen berufen. Die Gerichte prüfen genau, ob eine plausible Erklärung vorliegt – oder eine gezielte Täuschung.
Ergänzende Delikte und Ansprüche
Neben § 156 StGB kommen auch folgende Ansprüche und Delikte in Betracht:
🔹 § 263 StGB – Betrug zum Nachteil des Gläubigers
Wenn ein Schuldner falsche Angaben macht, um den Gläubiger zu täuschen und dadurch eine Vermögensverfügung zu verhindern, kann auch Betrug vorliegen – mit entsprechend höheren Strafandrohungen.
Wird das Verhalten als planvoller Gläubigerschaden bewertet, können auch zivilrechtlich Schadensersatzansprüche entstehen – persönlich gegen den Schuldner.
Strategische Schritte für Gläubiger
Verdacht dokumentieren: Wenn Sie berechtigten Zweifel an der Richtigkeit einer Vermögensauskunft haben, notieren Sie konkrete Anhaltspunkte: ungewöhnlicher Lebensstil, Inkonsistenzen, neue Fahrzeuge etc.
Beweise sichern: Kontoauszüge, Grundbuchauskünfte, Handelsregisterdaten oder Korrespondenz mit dem Schuldner können helfen, den Widerspruch zwischen Realität und Erklärung zu belegen.
Strafanzeige prüfen: Wenn sich der Verdacht erhärtet, ist eine Anzeige wegen falscher Versicherung an Eides statt ein wirksames Mittel zur Eskalation – auch kombiniert mit Anfechtungsklage oder Arrest.
Fallbeispiel aus der Praxis
Eine Mandantin hat einen Titel über 42.000 €. Der Schuldner gibt in der Vermögensauskunft an, keinerlei Konten oder Einkommen zu haben.
Drei Wochen später stellt sich heraus: Er lebt weiterhin in einer Eigentumswohnung, ist als Geschäftsführer einer GmbH aktiv und fährt einen geleasten Audi – auf seine neue Lebensgefährtin zugelassen.
Die Mandantin erstattet Anzeige nach § 156 StGB. Die Staatsanwaltschaft übernimmt, der Schuldner wird vorgeladen. Noch vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens bietet er eine Vergleichszahlung an – 30.000 € sofort.+
Strategisches Gespräch mit Rechtsanwalt zum Verdacht auf Täuschung bei der eidesstattlichen Versicherung.
Fazit: Lügen lohnt sich nicht – und Sie können reagieren
Die eidesstattliche Versicherung ist kein taktisches Spiel. Wer dort falsche Angaben macht, riskiert eine Freiheitsstrafe – und eine neue Bewertung seiner Gläubigerfähigkeit. Für Gläubiger gilt: Wer Verdacht schöpft, sollte handeln – und nicht still resignieren.
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