Plattform-Verantwortung bei Krypto-Betrug – Anwalt erklärt Haftung von DeFi-Betreibern und DAOs
Verfasst von
Max Hortmann
09 Nov 2025
•
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Plattform-Verantwortung bei Krypto-Betrug – Anwalt erklärt Haftung von DeFi-Betreibern und DAOs
Wer haftet bei Krypto-Betrug über DeFi-Plattformen? Anwalt erklärt Haftung, DAO-Verantwortung und Rechte geschädigter Anleger.
I. Einleitung – Wenn Dezentralität zur juristischen Leerstelle wird
„Niemand ist verantwortlich“ – das ist der häufigste Satz, wenn eine DeFi-Plattform versagt. Doch auch dezentrale Systeme werden von Menschen betrieben: Entwickler, DAO-Mitglieder, Governance-Token-Holder. Sobald Nutzer durch fehlerhafte Smart Contracts, manipulierte Frontends oder Betrugsnetzwerke geschädigt werden, stellt sich die Frage nach der Plattform-Verantwortung.
Ein erfahrener Krypto-Anwalt muss rekonstruieren, wer innerhalb der Plattform Kontrolle ausgeübt hat – denn dort beginnt die Haftung.
II. Rechtliche Grundlagen der Plattform-Haftung
DeFi-Plattformen sind juristisch Infrastrukturanbieter. Haftung folgt den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Produkthaftung:
§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB: Täuschung durch Fehlinformation auf Plattform
§ 826 BGB: Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
§§ 1 ff. ProdHaftG: Gefährdungshaftung für fehlerhafte Software
§ 31 BGB analog: Haftung juristischer Personen für Organhandlungen
Damit gelten DeFi-Plattformen, sobald sie organisierbare Abläufe haben, als haftungsfähige Einheiten – selbst wenn sie keine Firma im Handelsregister sind.
III. Wann eine Plattform juristisch „existiert“
Nach deutscher Rechtsprechung entsteht eine „rechtsfähige Organisation“ bereits, wenn 1️⃣ eine Gesamtheit von Personen gemeinsam Ziele verfolgt und 2️⃣ eine Willensbildung nach außen sichtbar ist.
Das trifft auf jede DAO (Decentralized Autonomous Organization) zu, die über ein Governance-System Entscheidungen trifft. Damit wird die DAO zur Gesellschaft bzw. faktischen Vereinigung mit eigenem Vermögen – und Haftung.
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IV. Verantwortung von DAO-Mitgliedern
DAO-Mitglieder sind keine anonymen Token-Inhaber, sondern Mitverwalter einer Gemeinschaftskasse. Jedes Governance-Voting, das über die Freigabe von Mitteln oder die Implementierung von Smart-Contracts entscheidet, ist eine rechtlich wirksame Handlung.
Folge: Wer durch sein Voting einen fehlerhaften oder betrügerischen Contract aktiviert, haftet als Mitverantwortlicher nach § 823 BGB. Bei nachweislichem Wissen um das Risiko kann eine Mit-Täterschaft oder Beihilfe zum Betrug vorliegen (§ 27 StGB).
V. Plattformbetreiber und Organisationsverschulden
Auch bei dezentraler Struktur existieren Betreiber – z. B. die Entwickler des Frontends, Admin Keys oder Validatoren. Sie haben Überwachungspflichten, ähnlich wie Geschäftsführer einer GmbH (§ 43 GmbHG analog). Unterlassen sie Sicherheits-Audits, Compliance oder Risikowarnungen, liegt Organisationsverschulden vor.
Beispiel: Ein DEX-Frontend ermöglicht den Handel mit betrügerischen Token, ohne Hinweis auf Risiko. Das stellt eine Pflichtverletzung gegenüber den Nutzern dar – Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB.
VI. Haftung für fremden Code und Open Source
Viele Plattformen berufen sich darauf, dass ihr Code „open source“ sei und sie daher nicht haften. Doch wer Code übernimmt und veröffentlicht, wird nach § 4 Abs. 3 ProdHaftG zum Mit-Hersteller. Auch der „Fork“ eines bestehenden Projekts begründet eine eigene Verantwortung. Die juristische Linie: „Wer deployed, haftet.“
VII. Pflichten zur Risikokommunikation und Aufklärung
Nach § 241 Abs. 2 BGB besteht eine Nebenpflicht, den Vertragspartner vor vermeidbaren Gefahren zu schützen. DeFi-Plattformen müssen daher:
Sicherheitswarnungen veröffentlichen,
Smart-Contract-Audits offenlegen,
Risiken in Whitepapern transparent darstellen.
Fehlen diese Hinweise, entsteht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung von Aufklärungspflichten.
VIII. Haftung bei Betrug über die Plattform
Wenn Täter eine DeFi-Plattform nutzen, um Anleger zu täuschen, stellt sich die Frage: Hat die Plattform die Täuschung ermöglicht oder toleriert?
Bei bewusster Duldung = Beihilfe zum Betrug (§ 27 StGB).
Bei fahrlässiger Untätigkeit = Organisationsverschulden.
Eine zivilrechtliche Haftung ergibt sich auch dann, wenn die Plattform nicht selbst tätig war, aber den Betrug durch mangelnde Kontrolle ermöglicht hat.
IX. Die DAO als Haftungssubjekt
Viele DAOs halten Vermögenswerte in Treasuries. Nach dem Modell der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) haften Mitglieder persönlich und gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten. Das gilt auch für digitale Vermögensverwaltung. Selbst wenn eine DAO keinen Rechtsträgerstatus hat, können Gläubiger nach § 128 HGB analog auf die Mitglieder zugreifen.
X. Zurechnung internationaler Plattformen
Gerichtsstand und anwendbares Recht richten sich nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 4 Rom-II-VO:
Ort des Schadenseintritts = Zuständigkeit des Geschädigtenstaats.
Anwendbares Recht = Ort des wirtschaftlichen Schadens.
Damit können deutsche Anleger Betreiber in Asien oder den USA vor deutschen Gerichten verklagen, wenn der Verlust hier entstand.
XI. Pflichten nach dem GwG und Verbraucherschutz
Sobald eine Plattform Nutzerkonten führt oder Fiat-On-Ramps anbietet, fällt sie unter das Geldwäschegesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 GwG). Fehlende KYC-Kontrollen können Bußgelder und aufsichtsrechtliche Sanktionen auslösen. Zudem greift das Verbraucherschutzrecht nach §§ 305 ff. BGB – AGB müssen klar, verständlich und nicht missbräuchlich sein.
XII. Fallbeispiel aus der Praxis
Ein Anleger verliert 100 000 € über eine DAO-verwaltete DeFi-Plattform. Die DAO entscheidet per Voting, keine Rückerstattung zu leisten. Das LG Frankfurt wertet die DAO als faktische Gesellschaft, die ein eigenes Vermögen hält und nach § 705 BGB handlungsfähig ist. Die DAO-Mitglieder haften persönlich nach § 128 HGB analog. Das Urteil zeigt: „Code is Law“ endet spätestens am Landgericht.
XIII. Risikomanagement und Compliance
Ein Plattform-Betreiber muss Compliance-Strukturen implementieren:
Audit und Code-Review,
Meldesystem für Betrugsfälle,
Veröffentlichung von Governance-Entscheidungen,
Reaktionsplan für Sicherheitsvorfälle.
Fehlen diese Mechanismen, liegt ein Pflichtverstoß vor – und damit Haftung nach § 823 BGB.
XIV. Der Anwalt als DAO-Berater und Haftungsexperte
Kanzleien übernehmen neue Funktionen:
Erstellung von Haftungsgutachten für DeFi-Projekte,
Beratung bei Gründung einer rechtssicheren DAO (Legal Wrapper z. B. LLC oder Stiftung),
Vertragsgestaltung zwischen Entwicklern, Investoren und Auditoren.
Dadurch verwandelt sich der Anwalt vom Reparateur zum Architekten digitaler Compliance.
XV. Präventive Governance – Haftung durch Struktur vermeiden
Haftung entsteht aus Intransparenz. Eine DAO mit klaren Governance-Regeln, Audit-Protokollen und öffentlichen Voting-Logs reduziert ihr Risiko dramatisch. Je nachvollziehbarer Entscheidungen sind, desto geringer die Beweislast im Prozess. Transparenz ist der beste Haftungsschutz.
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XVI. Fazit – Verantwortung ist nicht dezentralisierbar
DeFi verspricht Autonomie, doch das Recht kennt keine Anonymität. Plattformen und DAOs müssen sich der Haftung stellen – technisch, zivilrechtlich und gesellschaftsrechtlich. Für Anleger bedeutet das: Schäden sind durchsetzbar, wenn die juristische Struktur verstanden und dokumentiert ist. Für Entwickler und Betreiber gilt: Wer ein System erschafft, trägt Verantwortung für seine Folgen.
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