Echtzeitüberweisung an Betrüger – Bankhaftung, Rückruf und Beweissicherung, Anwalt hilft
Verfasst von
Max Hortmann
02 Nov 2025
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Echtzeitüberweisung an Betrüger – Bankhaftung, Rückruf und Beweissicherung
Snippet-Zusammenfassung
Echtzeitüberweisung an Betrüger: Bankhaftung, Rückruf und Beweissicherung – was Sie sofort tun müssen, um Ihr Geld zu retten.
1. Einleitung
Echtzeitüberweisungen haben die Geschwindigkeit des Zahlungsverkehrs revolutioniert – aber auch die Dynamik des Betrugs. Täter nutzen täuschend echte Kommunikationsmuster, um Opfer zur Eingabe einer Transaktion in Sekunden zu bewegen. Ob vermeintlicher Supportanruf, Broker-Plattform oder Liebesbetrug: das Schema ist gleich. Der Geschädigte glaubt, er handle in eigenem Interesse – tatsächlich steuert der Täter den Moment der Überweisung.
Die zentrale juristische Frage lautet: Wann haftet die Bank, obwohl die Zahlung technisch autorisiert wurde? Nach deutschem Recht (§§ 675u ff. BGB i.V.m. PSD2) entscheidet nicht die technische Autorisierung, sondern die freie Willensbildung des Zahlers. Wird diese durch Täuschung oder Manipulation ausgeschlossen, fehlt die rechtliche Grundlage für den Zahlungsvorgang. Der Schaden tritt mit der Ausführung ein – und begründet eine Erstattungspflicht der Bank.
2. Rechtlicher Rahmen der Echtzeitüberweisung
Die Pflichten und Haftungsgrenzen von Zahlungsdienstleistern sind in §§ 675u bis 675y BGB geregelt. Nach § 675u BGB muss der Zahlungsdienstleister den Betrag unverzüglich erstatten, wenn ein Zahlungsvorgang nicht autorisiert war. Eine Autorisierung setzt eine echte, bewusste Zustimmung des Zahlers voraus. Liegt eine Täuschung über Zweck, Empfänger oder Sicherheitsmaßnahme vor, fehlt der Wille zum tatsächlichen Zahlungserfolg.
§ 675v BGB begrenzt die Haftung des Zahlers nur dann, wenn dieser grob fahrlässig gehandelt hat. Doch selbst bei Fahrlässigkeit bleibt die Bank zur Erstattung verpflichtet, wenn sie ihre eigenen Sorgfalts- und Prüfpflichten verletzt hat.
Die PSD2-Richtlinie (EU 2015/2366) verpflichtet Zahlungsdienstleister zudem zu effektiven Sicherheitsverfahren („Strong Customer Authentication“) und zu einem laufenden Transaktionsmonitoring. Diese Pflichten konkretisieren den Maßstab des § 675f Abs. 3 BGB, wonach das Institut sichere Verfahren einzusetzen hat, um Missbrauch zu verhindern.
3. Der Schadenseintritt im Moment der Verfügung
Der wirtschaftliche Schaden entsteht bereits mit der Ausführung der Überweisung, nicht erst mit der weiteren Nutzung durch den Täter. Dies entspricht der gefestigten Dogmatik des § 263 StGB, wonach das Vermögen bereits geschädigt ist, sobald der Täter die Verfügung veranlasst und das Opfer die Kontrolle verliert.
In der forensischen Praxis ist daher entscheidend, den Zeitpunkt der Disposition exakt festzuhalten. Bei Echtzeitüberweisungen wird die Verfügung innerhalb weniger Sekunden technisch vollzogen (§ 675p BGB). Ab diesem Moment ist das Geld aus der Sphäre des Zahlers unwiderruflich abgeflossen.
Diese Bewertung wurde bereits in der Entscheidung des BGH vom 30. Juni 2006 (5 StR 12/05) bestätigt: Der Schaden ist mit der Ausführung der Überweisung eingetreten, da die Vermögensposition des Opfers endgültig verschlechtert wurde.
In ökonomischer Hinsicht verweist Elmar Krüger (DStZ 2019, 660 ff.) auf den Grundsatz der Risikoallokation: Derjenige, der das technische Zahlungssystem kontrolliert und davon profitiert, trägt auch das Systemrisiko. Diese Risikoverlagerung begründet die Haftungsnähe des Zahlungsdienstleisters.
4. Prüfpflichten der Bank bei verdächtigen Transaktionen
Banken sind verpflichtet, Zahlungsvorgänge auf Plausibilität und Auffälligkeiten zu prüfen. Nach § 675o Abs. 2 BGB dürfen sie Zahlungen ablehnen, wenn diese objektiv ungewöhnlich sind oder interne Fraud-Systeme Alarm schlagen.
Verdachtsmomente entstehen insbesondere bei:
mehreren Überweisungen an neue Empfänger in kurzer Zeit,
ungewöhnlich hohen Beträgen,
Verwendungszwecken mit Schlüsselbegriffen wie „Broker“, „Investment“, „Coin“ oder „Verification“,
Zahlungen ins EU-Ausland über FinTech-Konten.
Unterlässt die Bank trotz dieser Signale eine Rückfrage, kann dies als Verletzung vertraglicher Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) gewertet werden. Nach der Rechtsprechung führt eine solche Pflichtverletzung zur Mithaftung.
Auch nach § 25h KWG bestehen Sorgfaltspflichten zur Geldwäscheprävention. Werden interne Warnungen ignoriert, ist der Schaden nicht mehr allein dem Kunden zuzurechnen.
5. Beweissicherung und forensische Spurenauswertung
Für Geschädigte entscheidet die Qualität der Beweise über den Erfolg der Rückforderung. Wesentliche Nachweise sind:
Kontoauszüge, Zahlungsdetails und TAN-Logs aus dem Onlinebanking,
Zeitstempel und IP-Adressen aus den Logfiles der Bank,
Kommunikation mit angeblichen Support- oder Broker-Kontakten (E-Mail, Chat, Anrufprotokolle),
Screenshots der Überweisungsmaske und TAN-Eingabeaufforderung.
Die Bank muss auf Antrag eine vollständige Auskunft nach Art. 15 DSGVO erteilen, insbesondere über technische Verarbeitungsprotokolle und interne Fraud-Flags. Diese Daten sind entscheidend, um im Prozess darzulegen, ob die Autorisierung tatsächlich vorlag oder manipuliert wurde.
Ein strukturierter forensischer Datensatz ermöglicht darüber hinaus, Zahlungsketten zu rekonstruieren und Empfängerkonten in anderen Mitgliedstaaten zu identifizieren – wichtig für spätere Arrest- oder Rückverfolgungsverfahren.
6. Bankhaftung und Gegenargumente im Zivilprozess
Im Streitfall berufen sich Banken regelmäßig darauf, der Kunde habe die Zahlung „autorisiert“. Dieses Argument greift nur, wenn der Kunde die tatsächliche Zahlungshandlung in freier Willensbildung vorgenommen hat. Eine Handlung unter Täuschung, Drohung oder Irrtum ist keine Autorisierung im Rechtssinn.
Nach § 675w BGB trägt der Zahlungsdienstleister die Beweislast dafür, dass der Zahlungsvorgang vom Zahler autorisiert wurde. Kann die Bank nicht nachweisen, dass eine echte Zustimmung vorlag, bleibt sie erstattungspflichtig.
Wird eine Autorisierung durch Social Engineering erschlichen – etwa über angebliche Sicherheitshinweise, Fernwartungssoftware oder gefälschte Supportseiten – fehlt die bewusste Zustimmung. Das Gericht bewertet den Vorgang dann als nicht autorisierten Zahlungsvorgang, selbst wenn technisch eine TAN verwendet wurde.
Ökonomisch lässt sich diese Haftungszuteilung erneut mit Krüger (DStZ 2019, 660 ff.) begründen: Die Bank ist systemisch näher am Risiko, verfügt über Prüfalgorithmen, Marktkenntnis und Frühwarnsysteme – der Kunde nicht.
7. Praktische Angriffspunkte für Geschädigte
Rückruf der Überweisung: Sofort nach Feststellung des Betrugs schriftlich den Rückruf verlangen (Datum, Uhrzeit, Ansprechpartner dokumentieren).
Anzeige bei der Polizei mit Vorgangsnummer und Weiterleitung an die Bank.
Rüge der Autorisierungstäuschung: Darstellung der Täuschungshandlung (z. B. angeblicher Sicherheitsmitarbeiter, Fernwartung, OTP-Anforderung).
Nachweis unterlassener Prüfpflichten: Auffällige Transaktionen oder wiederkehrende Beträge wurden von der Bank nicht hinterfragt.
DSGVO-Auskunft anfordern, um interne Prüfvermerke und Transaktionsprotokolle zu erhalten.
Arrest und Sicherung: Bei konkretem Empfänger-Konto im EU-Ausland Antrag auf einstweiligen Arrest (§§ 916 ff. ZPO) zur Sicherung der Rückforderung.
Diese Maßnahmen können parallel zivil- und strafrechtlich erfolgen. Eine frühzeitige anwaltliche Einschaltung verbessert die Beweiskette erheblich.
8. Handlungsempfehlungen und Strategien
Für Geschädigte:
Sofortige Reaktion innerhalb von 24 Stunden. Rückruf, Anzeige, Dokumentation aller Vorgänge.
Keine weitere Kommunikation mit den Tätern (kein „Verification Payment“).
Gesammelte Chronik aller Zahlungen (Excel/Tabellenform).
Parallel: DSGVO-Auskunft an Bank + Empfängerbank.
Für Anwälte:
Anspruchsbegründung auf § 675u BGB stützen.
Schadenseintritt juristisch exakt mit Ausführung der Überweisung definieren (vgl. BGH 5 StR 12/05).
Organisationsverschulden (§ 675f Abs. 3 BGB) als sekundäre Anspruchsgrundlage prüfen.
Eine Echtzeitüberweisung an Betrüger beendet die Verfügungsmacht des Kunden innerhalb von Sekunden – der Schaden tritt sofort ein. Dennoch bleibt die Bank haftbar, wenn sie ihre Prüfpflichten verletzt oder eine Autorisierung erschlichen wurde.
Für Geschädigte gilt: Zeit ist Beweissicherung. Wer schnell reagiert, kann nicht nur den Rückruf erzwingen, sondern auch die Erstattung rechtlich absichern.
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