Krypto-Address-Hijacking – Falsche Wallet-Adressen und Blockchain-Beweisführung

Verfasst von
Max Hortmann
04 Nov 2025
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Krypto-Address-Hijacking – Falsche Wallet-Adressen und Blockchain-Beweisführung

Einleitung

Mit dem rasanten Wachstum des Kryptomarkts entstehen immer neue Angriffsszenarien, die rechtlich und technisch hochkomplex sind. Eine besonders perfide Variante ist das sogenannte Krypto-Address-Hijacking – also die Manipulation oder Ersetzung einer Wallet-Adresse, um Zahlungen auf falsche Zieladressen umzuleiten.

Diese Betrugsform nutzt die Eigenschaften der Blockchain aus: Einerseits Transparenz, andererseits Pseudonymität. Die Täter fügen sich geschickt in Transaktionsprozesse ein, häufig über Schadsoftware oder Social-Engineering, und leiten hohe Summen an eigene Adressen um.

Der Beitrag analysiert die technischen Mechanismen, die forensischen Nachweismöglichkeiten und die juristischen Angriffspunkte für Geschädigte.

1. Krypto-Address-Hijacking und manipulierte Wallet-Adressen

1.1. Angriffsmethoden und typische Szenarien

Beim Address-Hijacking wird die ursprüngliche Wallet-Adresse des Empfängers manipuliert – entweder durch Malware, durch das Abfangen von Zwischenablagen („Clipboard-Hijacking“) oder über kompromittierte Browser-Erweiterungen.
Die Betrüger ersetzen die Zieladresse, bevor der Nutzer die Transaktion final signiert.
In der Praxis geschieht dies meist in Sekunden, unbemerkt vom Opfer.

Auch Phishing-Seiten oder gefälschte Wallet-Interfaces werden genutzt, um Opfer auf manipulierte Oberflächen zu leiten.
Einmal bestätigte Transaktionen sind unwiderruflich – und genau darin liegt das Risiko.

1.2. Transparenz vs. Anonymität

Zwar sind alle Transaktionen auf der Blockchain öffentlich einsehbar, doch die Identität der Beteiligten bleibt pseudonym.
Dadurch entsteht ein Spannungsfeld: forensisch nachvollziehbar, aber persönlich kaum zuordenbar.
Behörden und forensische Dienstleister müssen Adressen clustern, Transaktionsmuster analysieren und Verbindungen zu bekannten Börsen- oder Wallet-Knotenpunkten herstellen.

Die Strafverfolgung scheitert häufig nicht an der Technik, sondern an der fehlenden Rechtsdurchsetzung in Drittstaaten oder anonymen Handelsplattformen.

2. Forensische Aufklärung von Transaktionen

2.1. Blockchain-Forensik und technische Tools

Die moderne Blockchain-Forensik nutzt spezialisierte Software wie GraphSense, Chainalysis oder CipherTrace, um Zahlungsströme in Echtzeit zu analysieren.
Diese Systeme erkennen Adresscluster, Beziehungen zwischen Wallets und Querverbindungen zu Börsen oder Zahlungsdienstleistern.

Jede Transaktion auf der Blockchain trägt eine digitale Signatur – sie beweist, dass der Absender den privaten Schlüssel genutzt hat.
Das ist zugleich Beweis und Herausforderung: Die Signatur bestätigt die Authentizität, nicht jedoch den freien Willen oder das Wissen über den Adresswechsel.

2.2. Ermittlungsstrategien der Behörden

Ermittlungsbehörden arbeiten zunehmend mit forensischen Blockchain-Explorern und Open-Source-Intelligence (OSINT).
Durch Korrelation von Blockchain-Daten mit IP-Adressen, Zeitstempeln oder Handelsaktivitäten können Täter identifiziert werden.
Das Bayerische Justizministerium experimentiert seit 2022 mit Echtzeit-Analyseverfahren für Darknet-Zahlungen.

Ein zentraler Ermittlungsansatz ist die Verknüpfung von Wallet-Adressen zu KYC-pflichtigen Börsenkonten.
Sobald eine verdächtige Adresse dort auftaucht, können Kontosperrungen und Herausgabeanordnungen erfolgen – häufig über § 94 StPO oder internationale Rechtshilfeverfahren.

3. Rechtliche Aspekte und Schadensersatz

3.1. Zivilrechtliche Beweislast und § 887 ZPO

Das OLG Düsseldorf (19. 01. 2021 – 7 W 44/20) hat entschieden, dass die Übertragung von Kryptowerten an eine bestimmte Wallet-Adresse eine vertretbare Handlung im Sinne von § 887 ZPO darstellt.
Damit kann ein Gläubiger die Herausgabe digitaler Werte erzwingen, indem er deren Übertragung an eine vom Gericht bestimmte Adresse verlangt.

Für Geschädigte bedeutet dies: Auch ohne klassischen Besitz können Kryptowerte im Rahmen einer Vollstreckung oder eines Rückgewähranspruchs auf gerichtlichem Wege transferiert werden.

3.2. Strafrechtliche Dimension

Die strafrechtliche Bewertung hängt von der Art des Zugriffs ab:

  • Wer Wallet-Zugangsdaten unbefugt nutzt, begeht regelmäßig Betrug (§ 263 StGB) oder Computerbetrug (§ 263a StGB).
  • Das bloße Verwenden eines bekannten Passworts ist dagegen kein „Ausspähen von Daten“ nach § 202a StGB, weil kein unbefugter Zugriff im technischen Sinn erfolgt (vgl. OLG Braunschweig 18. 09. 2024 – 1 Ws 185/24).

Diese Unterscheidung ist wesentlich für die Verteidigung in Ermittlungsverfahren und für die Bewertung der Täterhandlungen.

3.3. Schadensersatz und deliktische Ansprüche

Für den zivilrechtlichen Rückforderungsanspruch gilt § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.
Wer Opfer eines Address-Hijackings wird, kann Ersatz des Wertes verlangen, wenn nachgewiesen wird, dass die Transaktion nicht autorisiert war.

Allerdings ist die Beweisführung schwierig:

  • Die Transaktion ist technisch echt,
  • die Manipulation erfolgte meist vor der Signatur,
  • und der Täter ist oft anonym.

Entscheidend ist die Darlegung der Unfreiwilligkeit und der technischen Manipulation, etwa durch forensische Gutachten oder Sicherheitsprotokolle.

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4. Herausforderungen in der Praxis

4.1. Dezentralität und internationale Zuständigkeit

Die Dezentralität der Blockchain erschwert die Strafverfolgung erheblich. Täter agieren über Ländergrenzen hinweg, während die betroffenen Plattformen häufig außerhalb der EU operieren.
Auch die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ist kompliziert, weil Krypto-Vermögenswerte schwer zu lokalisieren sind und sich ihrer Natur nach jederzeit verschieben lassen.

Kooperationen mit Börsen auf Grundlage der AMLD-Richtlinien (Anti-Money-Laundering Directive) sind oft der einzige effektive Weg, um eingefrorene Vermögenswerte zu sichern.

4.2. Forensische Hürden

Zwar sind Transaktionsdaten unveränderlich, doch deren Auswertung erfordert hohe Fachkompetenz.
Fehlerhafte Interpretation von Hashes, Block-Bestätigungen oder Token-Transfers kann falsche Schlussfolgerungen über Eigentum oder Täter ziehen.
Deshalb setzen Gerichte zunehmend auf gerichtlich bestellte IT-Sachverständige, um forensische Beweisketten nachzuvollziehen.

5. Prävention und Schutzmaßnahmen

5.1. Technische Schutzmaßnahmen

Um Address-Hijacking zu verhindern, sollten Nutzer:

  • Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) aktivieren,
  • Wallet-Adressen stets manuell oder per QR-Code prüfen,
  • keine Zwischenablagen-Kopien von Adressen verwenden,
  • und Hardware-Wallets nutzen, die Transaktionen visuell bestätigen.

5.2. Organisatorische Maßnahmen

Institutionelle Anleger und Unternehmen sollten interne Kontrollmechanismen einführen:

  • Vier-Augen-Prinzip bei Transfers,
  • Protokollierung aller Wallet-Zugriffe,
  • Schulungen über Social-Engineering-Risiken.

Diese organisatorischen Vorkehrungen mindern nicht nur Risiken, sondern können im Schadensfall auch Haftungsmilderung begründen.

5.3. Verhalten im Schadensfall

Nach einem Adress-Hijacking sollte unverzüglich gehandelt werden:

  1. Transaktion dokumentieren (Hash-Wert, Zeitpunkt, Betrag, Zieladresse),
  2. Anzeige erstatten bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft (Cybercrime-Abteilung),
  3. Blockchain-Forensik-Dienst beauftragen, um den Transaktionspfad nachzuvollziehen,
  4. Exchange kontaktieren, sofern der Täter das Geld dort weiterleitet.

Schnelles Handeln erhöht die Chancen, dass Vermögenswerte eingefroren werden, bevor sie in anonymisierte Wallet-Cluster überführt werden.

6. Gerichtliche Anerkennung von Blockchain-Beweisen

Gerichte akzeptieren zunehmend Blockchain-Daten als Beweismittel.
Die kryptographische Signatur einer Transaktion ist beweiskräftig, wenn sie mit einem spezifischen Wallet-Key verknüpft ist.
In der Praxis muss die Beweisführung aber technisch erklärt werden: Nur wenn das Gericht die Funktionsweise versteht, kann die Authentizität gewürdigt werden.

Die gerichtliche Praxis bewegt sich hier zwischen Zivil- und Strafverfahren. Während im Zivilrecht Gutachten zentral sind, greifen Strafgerichte vermehrt auf digitale Beweismittel aus OSINT- und Forensik-Tools zurück.

7. Ausblick: Regulatorische Entwicklungen

Mit der MiCA-Verordnung (Markets in Crypto-Assets Regulation) und den neuen AMLA-Richtlinien entsteht erstmals ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen.
Ziel ist die Verknüpfung von Wallet-Adressen mit Identitäten, um Missbrauch einzudämmen.
Zudem verpflichtet die AMLD 6 Plattformen, verdächtige Wallet-Bewegungen zu melden.

Für Geschädigte bedeutet das: Die forensische Nachverfolgung von Kryptotransaktionen wird künftig einfacher – und die Haftungslage klarer.

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Fazit

Krypto-Address-Hijacking ist ein Paradebeispiel für die Schattenseite der Blockchain-Technologie: technisch brillant, juristisch anspruchsvoll, aber in der Praxis aufklärbar.
Mit modernen Forensik-Tools, spezialisierter anwaltlicher Begleitung und internationaler Zusammenarbeit lassen sich viele Fälle rekonstruieren – auch wenn die Täter anonym agieren.

Die rechtliche Verteidigung und Schadensaufarbeitung erfordert eine Verknüpfung von IT-Sachverstand und juristischer Präzision.
Wer schnell reagiert, Beweise sichert und forensische Expertise hinzuzieht, hat reale Chancen, Transaktionen zurückzuverfolgen und Ansprüche durchzusetzen.

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