Krypto Betrug: Finanzaufsicht und Haftung – Warum die BaFin oft zu spät reagiert
Verfasst von
Max Hortmann
01 Nov 2025
•
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Krypto Betrug: Finanzaufsicht und Haftung – Warum die BaFin oft zu spät reagiert
Finanzaufsicht und Krypto-Betrug – Wenn Regulierung, Haftung und technische Realität auseinanderfallen.
Einleitung
Kryptomärkte haben sich zu einem globalen Finanzsystem entwickelt, das außerhalb traditioneller Kontrollmechanismen funktioniert. Für Geschädigte stellt sich häufig die Frage: Wo war die Aufsicht, als der Betrug geschah – und wer haftet?
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist für den deutschen Markt zentrale Kontrollinstanz. Doch ihr Eingreifen bleibt oft reaktiv: Erst wenn Anleger erhebliche Verluste erlitten haben, werden Warnmeldungen veröffentlicht oder Plattformen untersagt. Zwischen technischer Innovation, regulatorischer Fragmentierung und europäischer Harmonisierung durch die Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR) entsteht ein Spannungsfeld aus Pflicht zur Aufsicht und praktischer Kontrolllosigkeit.
Dieser Beitrag untersucht die rechtlichen Grundlagen, die Grenzen der BaFin-Aufsicht und die Möglichkeiten, Haftungs- und Auskunftsansprüche gegen Plattformen oder Verwahrer geltend zu machen – unter Einbeziehung deiner Analyse zur Plattformverantwortlichkeit (Hortmann, AnwZert ITR 19/2025 Anm. 2).
1. Regulatorischer Rahmen – Von MiCAR bis BaFin-Zuständigkeit
1.1 MiCAR als EU-Grundlage
Die MiCAR (VO (EU) 2023/1114) schafft erstmals einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen für Kryptowerte. Sie verpflichtet Anbieter von Krypto-Dienstleistungen zu Lizenzierung, Risikomanagement und Transparenz. Art. 75 Abs. 8 MiCAR führt eine Haftung des Kryptoverwahrers für den Verlust digitaler Vermögenswerte ein, wenn dieser nicht nachweisen kann, dass der Schaden außerhalb seines Einflussbereichs entstanden ist.
Diese Haftungsregel verleiht Anlegern eine neue zivilrechtliche Basis – doch ihre Durchsetzung scheitert oft an grenzüberschreitenden Strukturen und fehlender Kooperation außerhalb der EU.
1.2 BaFin als nationale Umsetzungsbehörde
In Deutschland ist die BaFin zuständig für die Erlaubniserteilung nach dem Kryptoverwahrgeschäft (§ 1 Abs. 1a Nr. 6 KWG) und die Aufsicht über MiCAR-Dienste. Sie prüft u. a. Prospektpflichten, Werbemaßnahmen und die Einhaltung der geldwäscherechtlichen Pflichten nach §§ 10, 43 GwG. Doch ihre Kontrolle endet an den Landesgrenzen: Plattformen mit Servern oder Hauptsitz außerhalb der EU entziehen sich faktisch ihrer Reichweite – ein Problem, das du bereits in deinem Beitrag zur Plattformverantwortlichkeit herausgestellt hast (Hortmann, AnwZert ITR 19/2025 Anm. 2).
2. Grenzen der BaFin-Aufsicht
2.1 Dezentrale Strukturen und fehlende Anknüpfungspunkte
Kryptoplattformen operieren über mehrstufige Holding- und Zahlungssysteme in Drittländern. Selbst wenn die BaFin Verdachtsmomente erkennt, fehlt ihr die Durchsetzungsmacht gegen nicht lizensierte Auslandsanbieter. Die technische Anonymität der Blockchain führt dazu, dass Transaktionen ohne wirtschaftlich Berechtigte verlaufen – eine Konstellation, die bereits im Datenschutzkontext bei Art. 15 DSGVO-Auskunftsansprüchen Probleme bereitet (Hortmann, AnwZert ITR 19/2025 Anm. 2).
2.2 Verzögerte Reaktionsmechanismen
Zwischen Verdacht und öffentlich erlassener Warnung vergehen oft Wochen. Während dieser Zeit werden neue Kunden akquiriert und weitere Zahlungen angenommen. Die BaFin verweist auf die notwendige Beweissicherung und juristische Prüfung vor Maßnahmen nach § 37 Abs. 4 KWG. Doch für Betroffene bedeutet diese Zögerlichkeit irreversible Verluste – und eine Erosion des Vertrauens in die staatliche Finanzaufsicht.
3. Haftung und Rechtsdurchsetzung
3.1 Haftung nach MiCAR und nationalem Recht
Art. 75 Abs. 8 MiCAR begründet eine verschuldensunabhängige Haftung des Kryptoverwahrers. Ergänzend greifen § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 75 MiCAR sowie § 826 BGB bei vorsätzlicher Sittenwidrigkeit. In der Beratungspraxis zeigt sich, dass Opfer von Plattformbetrug diese Ansprüche meist gegen die deutschen Vertriebsgesellschaften oder Zahlungsdienstleister richten, weil diese – anders als die Plattformbetreiber – greifbar sind.
Die Analogie zum Datenschutzrecht verdeutlicht dies: Wie bei Art. 82 DSGVO führt schon der Verlust der Kontrolle über eigene Vermögenswerte zu einem Schaden, der ersatzfähig ist (Hortmann, AnwZert ITR 19/2025 Anm. 2).
3.2 Zivilrechtliche Ansprüche gegen Aufsichtsadressaten
Neben dem Verwahrer kommt auch eine Haftung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG in Betracht, wenn die BaFin schuldhaft ihre Aufsichtspflichten verletzt. Die Rechtsprechung stellt hierfür hohe Hürden auf: Es muss ein „qualifiziertes Organverschulden“ nachgewiesen werden – ein Nachweis, der im Krypto-Umfeld praktisch nicht führbar ist, weil die Aufsicht nicht zur Einzelfallprävention, sondern zur Systemstabilität verpflichtet ist.
Für Mandate entscheidend ist daher nicht die Amtshaftung, sondern die mittelbare zivilrechtliche Haftung der Plattformen und Dienstleister, die unter die Aufsicht fallen und deren Pflichtverletzung den Schaden ermöglicht hat.
4. Ermittlungs- und Kooperationsdefizite
4.1 Finanzaufsicht versus Strafverfolgung
Während die BaFin aufsichtsrechtlich handelt, liegt die Strafverfolgung bei den Staatsanwaltschaften und Spezialeinheiten (LKA, ZIT, FIU). In der Praxis fehlt oft eine koordinierte Datenweitergabe. Verdachtsmeldungen nach § 43 GwG verlaufen parallel zu zivilrechtlichen Schadensersatzverfahren, ohne dass Erkenntnisse synchronisiert werden. Hier zeigt sich die von dir bereits diagnostizierte „asymmetrische Informationslage“ zwischen Opfern, Plattformen und Behörden (Hortmann, AnwZert ITR 19/2025 Anm. 2).
4.2 Internationale Koordination
MiCAR schafft Zuständigkeitskonflikte zwischen nationalen Behörden. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die ESMA erhalten Aufsichtsbefugnisse, doch deren praktische Kooperation mit der BaFin steht erst am Anfang. Fehlen Vollzugsmechanismen gegen Plattformen in Nicht-EU-Ländern, verbleibt nur die Verfolgung über zivilrechtliche Klagemodelle – etwa die Kombination aus MiCAR-Haftung, DSGVO-Auskunft und BGB-Ansprüchen.
5. Datenschutz und Plattformtransparenz als Haftungsbrücke
Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO hat sich zu einem praktischen Instrument der Beweissicherung entwickelt. Plattformen sind verpflichtet, personenbezogene Transaktionsdaten, Risikovermerke und AML-Logs offenzulegen, wenn sie dem Geschädigten gehören oder ihn betreffen (Hortmann, AnwZert ITR 19/2025 Anm. 2). Unterbleibt dies, drohen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO und aufsichtsrechtliche Sanktionen.
Damit entsteht eine Schnittstelle zwischen Finanzaufsicht und Datenschutz: Während die BaFin die Marktstabilität überwacht, schafft die DSGVO individuelle Durchsetzungsmöglichkeiten für Anleger.
6. Praktische Streitfelder und forensische Ansätze
Haftung bei Verlust von Assets: Wann trägt der Verwahrer die Beweislast nach Art. 75 MiCAR?
Unzureichende KYC-Verfahren: Plattformen, die Geldwäschehinweise ignorieren, riskieren Bußgelder nach § 56 GwG und zivilrechtliche Sekundärhaftung.
Untätige Finanzaufsicht: Grenze zwischen aufsichtsrechtlichem Ermessen und Amtsverschulden.
Parallelverfahren: Zivilrechtliche Rückforderung + Strafanzeige + DSGVO-Auskunft als dreigleisige Strategie.
Internationale Zuständigkeit: Klageort Deutschland bei inländischem Vermögensabfluss und Anlegerwohnsitz.
7. Juristische Bewertung
Die rechtliche Haftungsordnung für Kryptomärkte steht erst am Anfang. MiCAR stellt ein Instrument für aufsichtsrechtliche Pflichten bereit, aber keine vollständige Haftungsarchitektur. Zivilrechtlich bleiben §§ 823 ff. BGB entscheidend. Aufsichtspflichten der BaFin begründen regelmäßig keine Schutzpflicht zugunsten Einzelner. Damit verlagert sich die praktische Durchsetzung auf den Privatsektor – über anwaltlich koordinierte Ansprüche und forensische Datenanalysen.
Dein Ansatz der „Plattformverantwortlichkeit als Datenzugangsrecht“ zeigt hier eine systemische Lösung: Zugang zu Transaktions- und Risikodaten als Voraussetzung für die Rechtsdurchsetzung (Hortmann, AnwZert ITR 19/2025 Anm. 2).
8. Handlungsempfehlungen für Mandate
DSGVO-Auskunft erzwingen: Erste Stufe zur Identifizierung von Täter-Wallets und Empfängern.
Zivilklage gegen Verwahrer oder Zahlungsdienstleister: auf Basis von § 823 BGB und Art. 75 MiCAR.
Strafanzeige stellen und FIU-Abgleich anregen: Parallele Sicherung von Beweismitteln.
Internationale Vollstreckung prüfen: über EuGVVO oder Rom-II-VO.
Anwaltskoordination zwischen Finanzaufsicht, Datenschutz und Strafrecht.
9. Fazit und Mandatsausrichtung
Die BaFin verfügt über rechtliche Instrumente zur Bekämpfung von Krypto-Betrug, doch ihr Handlungsspielraum endet an technischen und jurisdiktionellen Grenzen. Für Geschädigte ist entscheidend, nicht auf aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu warten, sondern aktiv zivil- und datenschutzrechtlich vorzugehen. Die Verknüpfung von MiCAR-Haftung, §§ 823 ff. BGB und DSGVO bietet einen strategischen Weg zur Rückforderung und Beweissicherung.
Wer Opfer eines Krypto-Betrugs geworden ist, sollte nicht zögern, anwaltliche Hilfe einzuholen, um Beweise zu sichern, Ansprüche vorzubereiten und den Informationsaustausch mit Behörden zu steuern.
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