Krypto Betrug: Strafanzeige gegen Plattformen (z.B. Crypto.com) – Chancen und Grenzen der Strafverfolgung

Verfasst von
Max Hortmann
01 Nov 2025
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Krypto Betrug: Strafanzeige gegen Plattformen – Chancen und Grenzen der Strafverfolgung

Strafanzeige gegen Krypto-Plattformen – was Betroffene wirklich erreichen können, wo Ermittlungen scheitern und wie man Verfahren forensisch stark macht.

Einleitung

Wer Opfer eines Krypto-Betrugs wurde, hört oft gut gemeinte Ratschläge: „Gehen Sie sofort zur Polizei“, „Erstatten Sie Anzeige“, „Die Blockchain ist doch transparent“. Formal stimmt das – eine Strafanzeige ist niederschwellig, sie löst Ermittlungen aus und kann Vermögenswerte sichern. In der Praxis prallen Betroffene jedoch auf drei harte Realitäten: Anonymität, Jurisdiktionslücken und Zuständigkeitsgrenzen. Tätergruppen verteilen Rollen, Gelder und Infrastruktur auf verschiedene Rechtsräume; Plattformen berufen sich auf AGB und ausländische Registrierungen; Wallets verschwinden hinter Mischdiensten, Cross-Chain-Swaps und Privacy-Coins.

Dieser Aufsatz zeigt mandatsorientiert, wie eine Anzeige gegen Krypto-Plattformen und beteiligte Akteure aufgebaut sein muss, welche Ermittlungsziele realistisch erreichbar sind, wann strafprozessuale Maßnahmen (Sicherstellungen, Auskunftsverlangen, internationale Rechtshilfe) funktionieren – und warum zivil- und datenschutzrechtliche Flankierung über Auskunftsrechte und Beweissicherung heute entscheidend ist. Zentral ist dabei der von mir entwickelte Ansatz, Plattformverantwortlichkeit über Datenzugang nutzbar zu machen: Art. 15 DSGVO verschafft Geschädigten Informationen, die im Straf- und Zivilverfahren die Lücke zwischen Wallet-Adresse und realer Person schließen können.

Rechtlicher Rahmen: Delikte, Zuständigkeit, Verfahrensarchitektur

1. Kernstraftatbestände

  • Betrug (§ 263 StGB) und Computerbetrug (§ 263a StGB): „Fake-Trading-Plattformen“, Gewinn-Dashboards, Support-Chats und Social-Engineering täuschen eine existierende, erfolgreiche Anlagemöglichkeit vor. Jede veranlasste Zahlung ist Vermögensverfügung und begründet die Schadenshöhe.
  • Geldwäsche (§ 261 StGB): Seit der Reform genügt die abstrakte Vortat. Krypto-Transaktionen sind taugliche Tathandlungen; das „Layering“ (Mischen, Aufsplitten, Cross-Chain) erfüllt regelmäßig das Verschleierungsmerkmal.
  • Beihilfe/leichfertige Geldwäsche bei Finanzagenten/OTC-Bro­kern, wenn Fiat-Auszahlungen abgewickelt werden, obwohl Red Flags vorlagen.

2. Zuständigkeit und Anknüpfungspunkte

Zuständig sind deutsche Staatsanwaltschaften, wenn der Vermögensabfluss (Verfügungsort) im Inland liegt oder der Erfolg in Deutschland eintritt (§§ 3, 9 StGB). Bei Plattformen mit Auslandssitz entscheidet das Zusammenspiel aus Europäischer Rechtshilfe, Rechtshilfeabkommen und Eigenauskunft der Anbieter über die praktische Durchsetzbarkeit. Je früher Wallet-Pfad, IP-Kontext und Transaktionsdaten gesichert sind, desto eher wird Rechtshilfe konkret und zielführend.

3. Ermittlungsziele definieren – realistisch und beweisorientiert

Eine Strafanzeige verfolgt drei Ziele:

  1. Sicherung digitaler Spuren (Wallets, Logs, KYC-Daten, AML-Flags);
  2. Identifikation von Gegenstellen (Exchanges, Payment-Gateways, Banken);
  3. Vermögenssicherung (Beschlagnahme/Arrest, Sicherstellung bei Verwahrern).

Genau hier greift der Ansatz der Plattformverantwortlichkeit über Datenzugang: Die Anzeige wird prozessual mit zivil-/datenschutzrechtlichen Auskunftsbegehren verknüpft, um dem Opfer die Daten zu verschaffen, die die Ermittler oft erst mit Verzögerung beiziehen können. Art. 15 DSGVO erzeugt identische Beweisobjekte (Transaktions-, Compliance-, Empfänger-, Login-Daten) – nur schneller und opfergetrieben.  

Kernaussagen der Rechtspraxis: Chancen und Grenzen

1. Chancen

  • Blockchain-Forensik liefert robuste, gerichtstaugliche Kettenbeweise: Hashes, Clustering, Heuristiken, die zu regulierten Exchanges mit KYC führen. Sobald ein regulierter Verwahrer identifiziert ist, steigen die Erfolgschancen für rechtzeitige Sicherungen (Arrest/Sicherstellung) massiv.
  • DSGVO als Beschleuniger: Plattformen und Zahlungsdienstleister unterliegen Auskunfts- und Kopiepflichten (Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO). Das betrifft nach meiner Analyse ausdrücklich Transaktions- und Compliance-Informationen (Empfänger-, Risikovermerke, AML-Logs). Verweigert eine Plattform unberechtigt, drohen Schadensersatz (Art. 82) und aufsichtsrechtliche Maßnahmen – zugleich liefert der Auskunftsweg oft die einzige Brücke zur Täteridentität.
  • EU-Kooperation/JITs: Europol/Eurojust organisieren Joint Investigation Teams, die Kryptomessenger-Netzwerke infiltriert und Daten gerettet haben. Auch wenn diese Entscheidungen z. T. Verwertbarkeitsfragen aufwerfen, liegt die Tendenz in der grundsätzlichen Verwertbarkeit erlangter Daten, solange der ordre public gewahrt bleibt – eine Chance, Transaktionswege gerichtsfest zu belegen.  

2. Grenzen

  • Anonymität & Fragmentierung: Privacy-Coins, tumbling, Cross-Chain-Swaps und Off-Ramp über Drittstaaten verzögern Erfolge erheblich.
  • Zeit als Feind: Zwischen Anzeige und konkreten Maßnahmen vergehen Tage bis Wochen; in dieser Zeit werden Mittel oft weitergeleitet oder „abgeparkt“.
  • Rechtshilfe-Reibung: Unterschiedliche Schwellen für Durchsuchungen/Sicherstellungen in Drittstaaten führen zu „Pending-Schleifen“; ausländische Börsen antworten verzögert oder gar nicht.
  • Kein „Rück­bu­chen“: Strafverfahren reparieren Blockchain-Transfers nicht. Die Vermögenssicherung hängt an identifizierten Verwahrern und zeitnahem Arrest – nicht an einer technischen Storno-Fiktion.
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Juristische Bewertung: Anzeige ja – aber nie ohne forensischen Plan

Eine Strafanzeige ohne Datenspur, Wallet-Pfad und konkretes Beweisziel verfehlt regelmäßig die Wirkung. Erfolgreich ist, wer parallel:

  • Datenzugang konsequent nutzt (Art. 15 DSGVO als Mandatsinstrument) – ein Ansatz, den ich in AnwZert ITR 19/2025 als justiziellen Hebel gegen Plattformasymmetrien beschrieben habe; er überbrückt das strukturelle Informationsgefälle zwischen Opfern und Intermediären.
  • Zivilrechtliche Flankierung betreibt: §§ 823, 826 BGB gegenüber Intermediären/Verwahrern; Sekundärhaftung bei Missachtung von AML-Red-Flags; aufenthalts-/staatenübergreifende Zuständigkeit über gewöhnlichen Aufenthalt und Vermögensabfluss (Rom-II/EuGVVO).
  • Strafprozessual früh Sicherungs- und Auskunftsanträge anregt (Beschlagnahme beim Verwahrer, Datenherausgabe an Ermittler), damit Zeitfenster geschlossen werden.

Diese Verzahnung erzeugt Druck: Plattformen, die Anfragen ignorieren, laufen in DSGVO-Haftung (Art. 82), während die Anzeige Ermittlern die Legitimation gibt, international um Rechtshilfe und Sicherungsmaßnahmen zu ersuchen.

Praktische Streitfelder & Angriffspunkte

1) Anzeige „gegen Plattform“ – geht das?

Strafrechtlich werden natürliche Personen verfolgt; dennoch ist eine Anzeige gegen die Plattform sinnvoll, weil sie den Tat-/Beitragszusammenhang (Beihilfe durch Untätigkeit, leichtfertige Geldwäsche; Organisationsverschulden) aufzeigt und Datenhaltung bei genau dieser Stelle benennt (KYC-Silos, Risikologs, Transfer-IDs).

Praxis: Anzeige richtet sich gegen unbekannte Täter, verantwortliche Personen der Plattform und sonstige Beteiligte; im Sachverhalt: genaue URL, Firmenvehikel, Onboarding-Pfad, Wallet-Adressen, Zahlungswege (SEPA/Fintech/Gateway), Support-Kommunikation.

2) Beweisziele definieren

  • Wallet-Kette (TX-Hashes, Clustering, Heuristik),
  • On-/Off-Ramp-Stellen (Exchanges, OTC),
  • KYC-Träger (wer hält Identitätsdaten),
  • AML-Red-Flags (wann hätte die Plattform anhalten müssen).
    Ziel ist ein gerichtsfester Pfad zu einem regulierten Verwahrer – nur dort greift Arrest real.

3) Verwertbarkeit internationaler Daten

Daten aus infiltrierten Netzwerken/Kryptomessengern (Anom/EncroChat) sind nach der neueren Rechtsprechung grundsätzlich verwertbar, solange kein klarer ordre-public-Verstoß vorliegt; Transparenzanforderungen bleiben gleichwohl zu fordern, damit „gegenseitiges Vertrauen“ nicht in blindes Vertrauen kippt.  

4) DSGVO-Auskunft: Reichweite und Grenzen

Auskunft umfasst nicht nur Stammdaten, sondern Transaktions- und Compliance-Informationen (Empfänger, Risikobewertungen, AML-Hinweise, Kommunikationsprotokolle). Diese Daten sind häufig die einzige Grundlage für zivilrechtliche Ansprüche und für die steuernde Anzeige.

5) MiCAR-/Aufsichtsbezug

Bei EU-lizenzierten Kryptoverwahrern hilft der Verweis auf aufsichtsrechtliche Sicherungspflichten; Verletzungen können in der zivilrechtlichen Haftung münden. Strafrechtlich stützt die Anzeige die aufsichtsrechtliche Aufmerksamkeit (FIU-Meldungen, Prüfungen), was den Datendruck erhöht.

Handlungsempfehlungen & Strategien (Mandatsfokus)

A. Sofortmaßnahmen (0–72 Stunden)

  1. Beweissicherung:
    TX-Hashes, Wallet-Adressen, Screenshots der Plattform/Apps, Chat-/E-Mail-Verläufe, Zahlungsbelege (SEPA, Kartenumsätze, Fintech-Gateways).
  2. Parallelspur eröffnen:
    Strafanzeige (StA/LKA Cybercrime, genaue Datenpunkte!)
    DSGVO-Auskunft an Plattform/Verwahrer/Payment-Provider (Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO; Kopie-Anspruch, Empfängerkategorien; Fristsetzung; Quick-Freeze-Bitte für flüchtige Logs).
  3. Arrest anbahnen:
    Identifizierte Verwahrer/Exchanges mit KYC? Einstweilige Sicherung/Arrest anregen; in geeigneten Fällen Anträge auf Sicherstellung über StA.
  4. Bank involvieren (Vorläufer-Zahlungen):
    Bei autorisierungszweifelhaften SEPA-Überweisungen § 675u BGB prüfen (Rückerstattungspfad) – auch wenn die Krypto-Transaktion selbst nicht rückbuchbar ist.

B. Mittelfriststrategie (1–6 Wochen)

  • Forensisches Gutachten (Blockchain-Analyse) beauftragen; gerichtsfeste Dokumentation für Zivil-/Strafverfahren.
  • Zivilklage vorbereiten (Schadensersatz §§ 823, 826 BGB; ggf. MiCAR-Pflichtenverletzung; DSGVO Art. 82 wegen rechtswidriger Datenverarbeitung/unterlassener Auskunft).
  • Rechtshilfe steuern:
    Konkrete Datenziele liefern (KYC-Silos, IP-Logs, AML-Vermerke), um Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft fokussiert zu machen.

C. Kommunikation & Erwartungsmanagement

  • Keine Heilsversprechen: Strafverfahren ersetzen keine technische Rückbuchung. Erfolg heißt: Datenzugang + Sicherung bei regulierten Intermediären.
  • Transparenz über Zeithorizonte: Ermittlungen dauern; Zivilverfahren sichern parallel Druck und Ansprüche.
  • Datenschutz als Brücke: Mit Auskunft und Kopieanspruch die Asymmetrie zu Plattformen aufbrechen – ein Ansatz, den ich systematisch entwickelt habe und der sich in der Praxis bewährt.
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Fazit

Eine Strafanzeige gegen Krypto-Plattformen ist kein Selbstläufer, aber strategisch unverzichtbar, wenn sie beweis- und datenorientiert gedacht wird. Entscheidend ist die Verknüpfung von strafprozessualen Maßnahmen (Sicherstellung, Rechtshilfe) mit zivil- und datenschutzrechtlichen Hebeln. So entsteht der notwendige Druck, um KYC-Daten, AML-Logs und Transaktionspfade zu sichern – die einzigen Bausteine, die aus einer anonymen Wallet wieder eine angreifbare Gegenseite machen.

Wenn Sie Opfer eines Krypto-Betrugs sind, erhalten Sie in meiner Kanzlei eine strukturiert forensische Erstaufnahme, eine klare Verfahrensstrategie (Anzeige + Auskunft + Arrest) und – falls nötig – die zivilrechtliche Anspruchsdurchsetzung gegen Intermediäre.

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Max Hortmann
Rechtsanwalt
,
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