Krypto Betrug: Rückbuchung nach Krypto-Transfer – Gibt es eine rechtliche Chance?
Verfasst von
Max Hortmann
01 Nov 2025
•
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Krypto Betrug: Rückbuchung nach Krypto-Transfer – Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen
Rückbuchung nach Krypto-Transfer – Wann Betroffene noch handeln können und welche rechtlichen Wege bestehen.
Einleitung
Was tun, wenn eine Kryptotransaktion bereits ausgeführt wurde und das Geld auf einer betrügerischen Plattform gelandet ist? Die Hoffnung vieler Betroffener richtet sich auf eine „Rückbuchung“ – doch die technische Struktur der Blockchain lässt solche Vorgänge praktisch nicht zu. Anders als im klassischen Zahlungsverkehr existiert bei Kryptowährungen keine zentrale Instanz, die Transaktionen korrigieren oder stornieren könnte.
Trotzdem eröffnet das deutsche Zivil- und Strafrecht verschiedene rechtliche und forensische Ansatzpunkte. Sie reichen von Bereicherungs- und Schadensersatzansprüchen, über Anfechtungen wegen Täuschung, bis hin zu Ermittlungsmaßnahmen, die über Wallet-Tracking und Plattformhaftung zur Identifikation der Täter führen können. Der folgende Beitrag zeigt, wann Rückforderungen rechtlich möglich sind, welche zivil- und strafrechtlichen Schritte greifen und warum die schnelle forensische Sicherung von Beweisen den entscheidenden Unterschied macht.
1. Rechtlicher Rahmen: Irreversibilität und Haftung im digitalen Zahlungsverkehr
1.1 Blockchain und fehlende Intermediäre
Transaktionen auf der Blockchain sind dezentral, kryptographisch signiert und technisch irreversibel. Einmal gesendete Beträge können nicht – wie bei Banküberweisungen nach § 675u BGB – durch einseitige Anweisung storniert werden. Das unterscheidet Krypto-Transfers fundamental vom SEPA-System: dort kann die Bank den Zahlungsvorgang innerhalb einer Frist stornieren, wenn der Auftrag fehlerhaft oder missbräuchlich war; bei Kryptowährungen ist dies ausgeschlossen.
Damit entfällt der klassische Rückbuchungsanspruch gegenüber dem Zahlungsdienstleister. Rechtsdogmatisch bleibt jedoch der Anspruch des Geschädigten gegen den Empfänger oder Betreiber der Plattform bestehen, wenn dieser den Vermögensvorteil ohne Rechtsgrund erlangt hat.
1.2 Zivilrechtliche Rückforderungsansprüche
Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB kann derjenige, der etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, zur Herausgabe verpflichtet sein. Überträgt man diesen Grundsatz auf Kryptowährungen, entsteht ein Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger der Coins. In der Praxis ist die Durchsetzung solcher Ansprüche jedoch an drei Hürden gebunden:
Identifizierbarkeit des Empfängers: Die Wallet-Adresse allein genügt nicht. Ein Erfolg hängt davon ab, ob der Betreiber der Plattform oder ein Dienstleister (Exchange, Custodian, Payment-Gateway) nachweislich Zugriff oder wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Adresse hatte.
Nachweis des Rechtsgrundmangels: Der Geschädigte muss beweisen, dass der Transfer auf einer Täuschung (§ 123 BGB) oder einer nichtigen Vereinbarung beruhte. Eine freiwillige, aber betrugsbedingt irrtümliche Zahlung gilt als „veranlasst“ und ist nur durch Anfechtung rückforderbar.
Internationale Zuständigkeit: Viele Plattformen sind im Ausland registriert. Die Rückforderung unterliegt daher der Frage des anwendbaren Rechts nach Art. 4 Rom-II-VO und der Zuständigkeit deutscher Gerichte. Maßgeblich ist, ob sich das Betrugsgeschehen auf einen deutschen Geschädigten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland bezieht – dann greift deutsches Recht.
1.3 Rückabwicklung durch Täuschung oder Betrug
Wenn die Transaktion unter Täuschung erfolgte, kann sie nach § 123 BGB angefochten werden. Die Anfechtung führt zur Nichtigkeit der Willenserklärung, wodurch der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung entsteht. In Verbindung mit § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) kann der Geschädigte zusätzlich Schadensersatz verlangen.
In der Praxis scheitert die Rückabwicklung häufig nicht am materiellen Anspruch, sondern an der fehlenden Vollstreckbarkeit. Die Täter verschieben Gelder unmittelbar nach Eingang auf nachgeschaltete Wallets, Mixerdienste oder in Stablecoins. Deshalb ist die frühe Beweissicherung und forensische Analyse entscheidend.
2. Rolle der Banken und Plattformen
2.1 Banküberweisung als Betrugsanbahnung
In vielen Fällen beginnt der Krypto-Betrug mit einer SEPA-Überweisung an ein Konto, das angeblich dem „Trading-Portal“ gehört. Hier greifen die Regeln des Zahlungsdiensterechts. Wird die Zahlung ohne wirksame Autorisierung vorgenommen oder durch Täuschung veranlasst, kann nach § 675u BGB ein Rückerstattungsanspruch gegen die Bank bestehen.
Gerade bei sogenannten „Phishing-ähnlichen“ Betrugsanbahnungen (Fake-Investment-Support, Anrufe von angeblichen Analysten) kann die Autorisierung willensmangelbehaftet sein. Gerichte haben bereits entschieden, dass bei Täuschung über den Zweck der Transaktion eine Anfechtung nach § 119 oder § 123 BGB möglich ist, die auch den Zahlungsauftrag betrifft.
2.2 Haftung von Plattformen und Wallet-Anbietern
Bei regulierten Plattformen mit Sitz in der EU können Geschädigte zusätzlich auf vertragliche Schutzpflichten (§ 280 Abs. 1 BGB) verweisen. Ein Anbieter, der Sicherheitslücken oder unzureichende Identitätsprüfungen (KYC-Verfahren) zulässt, verletzt seine Pflichten aus dem Nutzungsvertrag.
Auch das Datenschutzrecht eröffnet zivilrechtliche Angriffspunkte: Plattformen, die Auskünfte verweigern oder Datenspuren löschen, handeln rechtswidrig nach Art. 15, 17 DSGVO und haften auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO. Das kann parallel zu zivilrechtlichen Rückforderungen geltend gemacht werden.
3. Strafrechtliche Dimension: Ermittlungsverfahren und Beweisstrategien
3.1 Betrug und Computerbetrug
Juristisch ist Krypto-Betrug meist als Betrug (§ 263 StGB) oder Computerbetrug (§ 263a StGB) zu qualifizieren. Die Täuschung erfolgt durch vorgespiegelte Anlagemöglichkeiten, fingierte Gewinne oder manipulative Supportkontakte. Jede Überweisung oder Wallet-Transaktion ist ein Vermögensverfügungstatbestand, der die Schadenshöhe bestimmt.
Wichtig für Betroffene: Eine Strafanzeige kann nicht rückgängig machen, was technisch passiert ist – sie dient aber der Beweissicherung. Ermittlungsbehörden können über internationale Rechtshilfe und Blockchain-Analysen Wallets und Transaktionsketten identifizieren. Die gewonnenen Informationen sind wiederum Grundlage für zivilrechtliche Schadensersatzklagen.
3.2 Ermittlungswerkzeuge und internationale Kooperation
Spezialisierte Dienststellen (z. B. LKA Cybercrime, ZIT, FIU, Europol) nutzen Blockchain-Forensik-Tools, um Wallet-Bewegungen zu rekonstruieren. Diese Analysen sind verwertbar, wenn sie auf öffentlichen Blockchains erfolgen und die Zuordnung über Exchanges mit KYC-Identifizierung gelingt.
Internationale Ermittlungen stoßen dort an Grenzen, wo Plattformen in Drittländern wie Dubai, Hongkong oder St. Vincent operieren. Hier hängt der Erfolg von der Kooperation lokaler Behörden und der Rechtslage zum E-Geld und Krypto-Asset-Management ab.
Betroffene sollten parallel zur Strafanzeige anwaltlich tätig werden, um auf Auskunftsersuchen an Exchanges nach Art. 6 DSGVO oder § 161 StPO** Einfluss zu nehmen.
4. Beweissicherung und forensische Spurensicherung
4.1 Bedeutung digitaler Beweise
Wallet-Adressen, Hashwerte, Kommunikationsverläufe und Überweisungsbelege sind im Krypto-Kontext gleichwertig mit Kontoauszügen. Nur wer diese Daten frühzeitig sichert, kann später Ansprüche stützen. Bei Verlust der Daten ist eine Rekonstruktion nur noch über Blockchain-Explorer möglich, deren Beweiskraft begrenzt ist.
Diese Belege bilden die Grundlage für anwaltliche Auskunfts- und Schadensersatzforderungen gegenüber Plattformen, Banken und Zahlungsdienstleistern.
5. Praktische Angriffspunkte für Mandate
5.1 Kombination aus Zivil- und Strafrecht
Die erfolgversprechendste Strategie kombiniert zivilrechtliche Rückforderungen (§ 812, § 826 BGB) mit strafrechtlicher Anzeige. So können Beweise aus dem Ermittlungsverfahren (z. B. Exchange-Auskünfte, Wallet-Zuordnungen) im Zivilprozess verwertet werden.
5.2 Sofortmaßnahmen nach Entdeckung
Plattform informieren und Sperrung beantragen – manche Exchanges kooperieren bei rechtzeitiger Meldung.
Bank kontaktieren – wenn SEPA-Zahlung vorausging, kann § 675u BGB greifen.
Strafanzeige stellen – unter Angabe aller Wallets und Transaktionsdaten.
Rechtsanwalt einschalten – um forensische Sicherung und DSGVO-Auskunftsrechte zu koordinieren.
5.3 Forensische Rückverfolgung
Bei größeren Schäden (ab 10.000 €) empfiehlt sich die professionelle Blockchain-Analyse durch spezialisierte Dienstleister, deren Ergebnisse gerichtsverwertbar sind. Sie können Wallet-Cluster identifizieren und Zahlungspfade zu Exchanges mit KYC-Anbindung nachweisen – ein zentraler Schritt, um Täter oder Plattformen zivilrechtlich zu belangen.
6. Juristische Bewertung und Streitfelder
Die juristische Hauptfrage bleibt: Ist der Krypto-Transfer eine Verfügung im Sinne des § 812 BGB, und kann daraus ein Rückforderungsanspruch folgen? Die herrschende Meinung bejaht dies, da Kryptowährungen als wirtschaftliche Vermögenswerte gelten. Schwieriger ist die Beweisführung der Täuschung, da der „digitale Wille“ des Zahlers schwer zu fassen ist.
Ein weiteres Problem betrifft die Verjährung: Ansprüche nach § 195 BGB verjähren in drei Jahren, gerechnet ab Kenntnis des Betrugs. Bei internationalem Bezug kann sich die Frist verlängern, wenn Ermittlungen im Ausland laufen (§ 204 BGB).
Professionelle Begleitung: Nur strukturierte Verfahren mit dokumentierter Beweiskette haben Aussicht auf Erfolg.
Fazit
Eine Rückbuchung im technischen Sinn gibt es bei Kryptowährungen nicht – wohl aber juristische Wege zur Rückforderung. Diese setzen jedoch schnelles Handeln, forensische Dokumentation und rechtliche Präzision voraus. Die Kombination aus zivilrechtlicher Anspruchsdurchsetzung, datenschutzrechtlicher Auskunft und strafrechtlicher Verfolgung eröffnet realistische Chancen, Gelder zurückzuholen oder Täter zu identifizieren.
Wer Opfer eines Krypto-Betrugs geworden ist, sollte nicht zögern, anwaltliche Hilfe einzuholen, um Beweise zu sichern, Ansprüche vorzubereiten und den Informationsaustausch mit Behörden zu steuern.
Wer Opfer eines Krypto-Betrugs geworden ist, sollte nicht zögern, anwaltliche Hilfe einzuholen, um Beweise zu sichern, Ansprüche vorzubereiten und den Informationsaustausch mit Behörden zu steuern.
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