Krypto Betrug: Schadensersatzklagen gegen ausländische Plattformen

Verfasst von
Max Hortmann
02 Nov 2025
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Krypto Betrug: Schadensersatzklagen gegen ausländische Plattformen – Zuständigkeit deutscher Gerichte

Crypto.com, Binance & Co. – Wann deutsche Gerichte zuständig sind und wie Geschädigte Schadensersatzansprüche durchsetzen können.

Einleitung

Viele Betroffene, die Opfer von Krypto-Betrug über internationale Plattformen geworden sind, stellen dieselbe Frage:
Kann ich überhaupt in Deutschland klagen, wenn die Plattform ihren Sitz im Ausland hat – etwa in Singapur, Dubai oder auf den Cayman Islands?

Gerade im Zusammenhang mit Crypto.com, Binance, KuCoin, Bybit oder Bitget ist diese Frage zentral.
Zahlreiche Anleger glauben, dass sie aufgrund ausländischer AGB keine Möglichkeit haben, ihre Ansprüche vor deutschen Gerichten geltend zu machen.
Das ist jedoch zu kurz gedacht.
In vielen Fällen greift die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, wenn der Schaden in Deutschland eingetreten ist oder der Kläger hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Der vorliegende Aufsatz beleuchtet Zuständigkeit, anwendbares Recht und Durchsetzungsmöglichkeiten bei Schadensersatzklagen gegen ausländische Kryptoplattformen – mit besonderem Fokus auf Crypto.com als typisches Beispiel für internationale Krypto-Compliance-Strukturen, die sich formal der deutschen Aufsicht entziehen, aber faktisch in Deutschland Geschäfte anbahnen.

1. Zuständigkeit deutscher Gerichte

1.1 Internationale Zuständigkeit bei deliktischen Handlungen

Die internationale Zuständigkeit richtet sich in der EU nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel-Ia-VO).
Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO begründet einen besonderen Gerichtsstand am Ort des Schadenseintritts.
Das bedeutet: Wenn ein deutscher Anleger über Crypto.com oder eine vergleichbare Plattform Geld investiert und der Schaden (Vermögensabfluss) in Deutschland eingetreten ist, sind deutsche Gerichte zuständig.

Das gilt selbst dann, wenn der Plattformbetreiber seinen Sitz im Ausland hat. Entscheidend ist der „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ – also dort, wo das Konto des Anlegers belastet wurde.
Das hat der EuGH in vergleichbaren Konstellationen mehrfach bestätigt (vgl. EuGH, Rs. C-375/13 – Kolassa).

1.2 Vertragliche Zuständigkeit und Verbraucherschutz

Bei vertraglichen Ansprüchen ergibt sich die Zuständigkeit aus Art. 18 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO.
Verbraucher können in ihrem Heimatstaat klagen, wenn die Plattform ihre Tätigkeit auf diesen Markt ausgerichtet hat.
Crypto.com bietet z. B. deutschsprachige Websites, App-Stores, Marketing-Kampagnen und Support-Teams an – damit richtet sich das Angebot gezielt an deutsche Nutzer.
Die Folge: Nach Art. 18 Abs. 1 können Betroffene in Deutschland klagen, auch wenn die AGB Singapur oder Malta als Gerichtsstand nennen.

Solche Klauseln sind regelmäßig unwirksam, wenn sie Verbraucherrechte beschneiden oder das europäische Verbrauchergerichtsstandsprinzip umgehen.

2. Anwendbares Recht – Rom-I- und Rom-II-Verordnung

2.1 Vertragsrechtliche Ansprüche (Rom-I-VO)

Für Verträge gilt die Rom-I-Verordnung (EG) Nr. 593/2008.
Art. 6 Rom-I schützt Verbraucher vor Rechtswahlklauseln, wenn das Geschäft eine „enge Verbindung“ zu ihrem Wohnsitzstaat aufweist.
Auch hier ist entscheidend, dass Crypto.com gezielt den deutschen Markt adressiert – Werbung, App-Infrastruktur und deutschsprachiger Kundendienst reichen aus.
Damit bleibt deutsches Verbraucherschutzrecht anwendbar, selbst wenn die AGB ausländisches Recht vorsehen.

2.2 Deliktische Ansprüche (Rom-II-VO)

Für außervertragliche Ansprüche – z. B. bei fehlerhafter Risikoinformation, Haftung wegen Fahrlässigkeit oder Verletzung von Sorgfaltspflichten – gilt Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO.
Auch hier ist das maßgebliche Recht das des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist – also deutsches Recht.

Die Praxis zeigt: Deutsche Gerichte wenden in Krypto-Fällen regelmäßig deutsches Recht an, wenn Anleger hier ihren Wohnsitz haben und der Schaden über ein deutsches Konto abgewickelt wurde.
Dies gilt etwa bei Klagen gegen Crypto.com wegen verspäteter oder verweigerter DSGVO-Auskunft (Art. 15, 82 DSGVO) oder bei Verlusten durch fehlerhafte Plattformkommunikation.

3. Schadensersatzansprüche gegen Plattformen

3.1 Vertragliche Schadensersatzansprüche

Ein Plattformbetreiber kann für Pflichtverletzungen aus dem Nutzungsvertrag haften (§ 280 BGB).
Beispiele:

  • fehlerhafte oder missverständliche Risikohinweise,
  • mangelhafte Sicherheitssysteme (z. B. unzureichende Zwei-Faktor-Authentifizierung),
  • unzureichende Verhinderung von Phishing-Angriffen,
  • nicht autorisierte Transaktionen über die Plattform.

Gerade bei Crypto.com gab es mehrfach Fälle, in denen Nutzer berichteten, dass sie ohne ausreichende Authentifizierung auf ihre Konten zugreifen konnten oder dass Verifizierungsverfahren umgangen wurden.
Wenn eine Plattform solche Sicherheitslücken nicht hinreichend schließt, verletzt sie ihre vertraglichen Schutzpflichten – ein direkter Schadensersatzanspruch folgt.

3.2 Deliktische Haftung (§§ 823 ff. BGB)

Eine Haftung besteht auch bei fahrlässiger Verletzung absolut geschützter Rechte (z. B. Eigentum, informationelle Selbstbestimmung).
Crypto.com ist als Anbieter von Finanzdienstleistungen verpflichtet, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die Transaktionen gegen Missbrauch schützen.
Fehlt es daran, kann der Plattformbetreiber nach § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263a StGB haften.

Zudem kommt eine Haftung nach § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) in Betracht, wenn Kundendaten missbräuchlich verwendet oder nicht ausreichend geschützt wurden – etwa durch Weitergabe an dubiose Drittanbieter.

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4. Datenschutzrechtliche Schadensersatzansprüche (Art. 82 DSGVO)

Viele Geschädigte übersehen, dass Crypto.com als datenverarbeitende Plattform auch der DSGVO unterliegt,
sobald sie personenbezogene Daten von EU-Bürgern verarbeitet (Art. 3 Abs. 2 DSGVO).
Nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-300/21 – Österreichische Post) ist jeder Kontrollverlust über personenbezogene Daten ein kompensationsfähiger immaterieller Schaden.

Das bedeutet:
Wenn Crypto.com Auskunftsersuchen verzögert, Daten nicht löscht oder Datenlecks nicht meldet, kann der Betroffene Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO verlangen.
Dieser Anspruch ergänzt die zivilrechtlichen Ersatzansprüche – und verschafft Klägern einen zusätzlichen Hebel, weil die DSGVO extraterritorial wirkt.

Deutsche Gerichte sind daher regelmäßig zuständig für DSGVO-Klagen gegen Crypto.com, selbst wenn der Plattformbetreiber außerhalb der EU sitzt.

5. Durchsetzung von Urteilen

5.1 Innerhalb der EU

Urteile deutscher Gerichte gegen EU-ansässige Plattformen (z. B. in Irland, Zypern, Malta) werden automatisch anerkannt und vollstreckt (Art. 36 ff. Brüssel-Ia-VO).
Ein Exequaturverfahren entfällt.
Das betrifft z. B. mögliche Haftungsgesellschaften oder Servicegesellschaften von Crypto.com, die EU-Zulassungen halten.

5.2 Außerhalb der EU

Anders ist es bei Sitzstaaten außerhalb der EU (z. B. Singapur).
Hier hängt die Vollstreckung von bilateralen Verträgen ab.
In vielen Fällen muss das Urteil in ein lokales Verfahren „übersetzt“ werden – eine zeit- und kostenintensive Hürde.
Dennoch lohnt es sich oft, auf deutschem Boden ein rechtskräftiges Urteil zu erwirken, um spätere Vergleichsverhandlungen oder Anrechnungen auf eingefrorene Vermögenswerte zu erleichtern.

6. Praktische Herausforderungen und Beweisprobleme

  • Anonymität der Plattformstrukturen:
    Viele Unternehmen wie Crypto.com treten mit mehreren rechtlich selbstständigen Gesellschaften auf (z. B. Foris MT Limited, Foris Europe UAB, Crypto.com App).
    Für Geschädigte ist entscheidend, die tatsächliche Vertragseinheit zu identifizieren.
  • Technische Nachweise:
    Blockchain-Transaktionen sind transparent, aber ohne Klarnamen.
    Beweisziel ist daher, Wallet-Adressen den Plattform-Accounts zuzuordnen –
    z. B. über Auskunftsansprüche aus Art. 15 DSGVO oder Beweisanträge im Zivilprozess.
  • Prozessuale Kostenrisiken:
    Internationale Zuständigkeit bedeutet oft höhere Übersetzungs-, Zustellungs- und Gutachterkosten.
    Eine strategische Kombination aus DSGVO-Schadensersatz und Zivilklage kann helfen, Prozesse wirtschaftlich zu gestalten.
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7. Beispiel Crypto.com – rechtliche Besonderheiten

Crypto.com ist ein typisches Beispiel für globale Kryptostrukturen mit EU-Ablegern.
Die Plattform operiert über Foris DAX MT (Singapur) als Obergesellschaft, hält aber über Foris Europe UAB (Litauen) und Foris MT Ltd. (Malta) Zulassungen für den europäischen Markt.
Damit ist Crypto.com mittelbar der EU-Finanzaufsicht und der DSGVO unterworfen.

Aus dieser Struktur ergeben sich mehrere Angriffspunkte für deutsche Kläger:

  1. Verbraucherschutz: Angebot richtet sich an deutsche Nutzer → Zuständigkeit nach Art. 18 Brüssel-Ia-VO.
  2. Datenschutz: Verarbeitung personenbezogener Daten in der EU → DSGVO gilt.
  3. Vertragliche Haftung: Sicherheits- und Informationspflichten aus App-Nutzungsvertrag (§ 280 BGB).
  4. Deliktische Haftung: Unzureichende Sicherungsmaßnahmen gegen Betrug (§§ 823 ff. BGB).
  5. Aufsichtsrechtliche Dimension: MiCAR und Geldwäscheprävention – Pflicht zur Meldung verdächtiger Transaktionen (§ 43 GwG).

Damit ist Crypto.com ein idealer Fall, um Schadensersatzklagen vor deutschen Gerichten exemplarisch durchzusetzen.

8. Handlungsempfehlungen für Geschädigte

  1. Dokumentation aller Transaktionen:
    Wallet-Adressen, TX-IDs, Screenshots, Chat-Verläufe mit Crypto.com-Support sichern.
  2. Auskunft nach Art. 15 DSGVO beantragen:
    Crypto.com ist zur Auskunft über Transaktionsdaten, AML-Meldungen und interne Prüfvermerke verpflichtet.
  3. Jurisdiktion prüfen:
    Bei deutschem Wohnsitz und Vermögensabfluss aus Deutschland → Zuständigkeit deutscher Gerichte.
  4. Parallelklage erwägen:
    DSGVO-Schadensersatz (Art. 82) + zivilrechtliche Ansprüche (§ 280, § 823 BGB) kombinieren.
  5. Internationalen Arrest sichern:
    Bei erkennbaren Wallets oder Verwahrern Vermögensarrest über Rechtshilfe beantragen.

Fazit

Schadensersatzklagen gegen ausländische Kryptoplattformen sind juristisch anspruchsvoll, aber möglich.
Gerade bei global agierenden Anbietern wie Crypto.com bietet das europäische Zivil- und Datenschutzrecht zahlreiche Anknüpfungspunkte für deutsche Gerichte.
Der Schlüssel liegt in der Verbindung von internationaler Zuständigkeit, datenschutzrechtlicher Auskunftspflicht und vertraglicher Haftung.
Opfer sollten frühzeitig Beweise sichern und anwaltlich prüfen lassen, welche Plattformgesellschaft verklagt werden kann.

Wer Opfer eines Krypto-Betrugs geworden ist, sollte nicht zögern, anwaltliche Hilfe einzuholen, um Beweise zu sichern, Ansprüche vorzubereiten und den Informationsaustausch mit Behörden zu steuern.

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