Social-Media-Agentur und Haftung – wer verantwortlich ist, wenn Posts schaden
Verfasst von
Max Hortmann
31 Oct 2025
•
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Social-Media-Agentur und Haftung – wer verantwortlich ist, wenn Posts schaden
Meta-Description: Social-Media-Agentur und Haftung – wann Agenturen für rechtswidrige Posts, Shitstorms oder Datenlecks haften.
Rechtliche Grundlage – Verantwortlichkeit und Meinungsfreiheit im digitalen Raum
Social-Media-Agenturen sind längst keine reinen Marketingdienstleister mehr: Sie agieren an der Schnittstelle zwischen Kommunikation, Datenschutz und Haftungsrecht. Sobald Agenturen Beiträge veröffentlichen, bearbeiten oder freigeben, übernehmen sie rechtliche Verantwortung.
Nach § 7 TMG (und künftig nach dem Digital Services Act) gilt: Dienstleister sind für eigene Inhalte verantwortlich, nicht aber automatisch für fremde Nutzerbeiträge. Entscheidend ist, ob die Agentur den Inhalt zu eigen macht – etwa durch redaktionelle Bearbeitung oder Veröffentlichung im eigenen Namen.
Damit beginnt der rechtliche Graubereich: Viele Agenturen formulieren Posts im Auftrag, versehen sie mit Markenlogos oder verbreiten sie über eigene Tools. In diesen Fällen haftet die Agentur wie ein Urheber für Wettbewerbs- oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
Die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) schützt zwar Kritik, aber keine Schmähung, Falschbehauptung oder Rufschädigung. Agenturen müssen daher intern prüfen, ob veröffentlichte Inhalte eine Tatsachenbehauptung oder Wertung darstellen – und ob Belege vorliegen.
Urheberrecht, Markenrecht und Corporate Content
Der Alltag in Social-Media-Agenturen ist von fremden Inhalten geprägt: Bilder, Musik, Logos und Slogans werden täglich geteilt. Damit steigt das Risiko von Urheberrechtsverletzungen (§§ 97 ff. UrhG).
Agenturen sollten für jedes verwendete Medium eine Rechtekette dokumentieren: Quelle, Lizenz, Nutzungsdauer und Bearbeitungsrecht. Fehlt diese Dokumentation, gilt die Nutzung als unberechtigt.
Auch Marken- und Designrechte sind kritisch: Schon das Einblenden eines fremden Logos in einer Kampagne kann eine Markenrechtsverletzung darstellen, wenn keine Freigabe vorliegt. Hinzu kommt der Einsatz KI-generierter Inhalte. Nach aktueller Rechtsprechung sind solche Werke nur eingeschränkt geschützt – und bergen das Risiko, unbeabsichtigt geschützte Daten oder fremdes Material zu reproduzieren.
Agenturen haften in solchen Fällen gesamtschuldnerisch mit ihren Auftraggebern, wenn sie die Veröffentlichung ermöglicht oder gefördert haben.
Datenschutz und Reputationsmanagement
Social-Media-Monitoring und Community-Management sind ohne Datenverarbeitung unmöglich. Sobald Follower, Kommentare oder Reaktionen analysiert werden, findet eine Verarbeitung personenbezogener Daten statt. Dafür ist eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO erforderlich.
Viele Agenturen berufen sich auf „berechtigtes Interesse“ – doch das gilt nur, wenn keine Profilbildung oder automatisierte Bewertung erfolgt. Bei Nutzung von Tools mit KI-Analyse (Sentiment-Tracking, Zielgruppen-Scoring) ist eine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO erforderlich.
Besonders sensibel sind interne Datenlecks: Werden Kundendaten oder private Nachrichten veröffentlicht, drohen Bußgelder bis zu 4 % des Jahresumsatzes. Agenturen sollten daher Notfall- und Incident-Response-Pläne besitzen und Verstöße binnen 72 Stunden an die Aufsichtsbehörde melden (Art. 33 DSGVO).
Im Reputationsmanagement gilt: Wer negative Bewertungen oder Kommentare löscht, muss dokumentieren, warum – sonst drohen Vorwürfe der Zensur oder Diskriminierung.
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Agenturvertrag und Haftungsklauseln
Der Agenturvertrag ist das juristische Sicherheitsnetz. Er sollte exakt festlegen, wer für Inhalte verantwortlich ist, wer Rechte einholt und wer Abmahnungen bearbeitet.
Essenzielle Klauseln:
Freistellungsklausel: Kunde stellt Agentur von Ansprüchen Dritter frei, sofern Inhalte vom Kunden stammen.
Regress: Agentur haftet nur für eigene Pflichtverletzungen, nicht für Plattformfehler.
Beweissicherung: Pflicht zur Archivierung von Postings, um Rechtslage rekonstruieren zu können.
In der Praxis führt unklare Verantwortungsverteilung zu teuren Streitigkeiten. Fehlt eine eindeutige Zuweisung, werten Gerichte Agenturen oft als Mitverantwortliche, insbesondere wenn sie Texte selbst formulieren oder Inhalte freigeben.
Krisenkommunikation und Schadensbegrenzung
Wenn ein Beitrag eskaliert – etwa durch Shitstorms oder falsche Tatsachenbehauptungen – zählt jede Stunde. Agenturen müssen eine Krisenstruktur haben: Zuständigkeiten, Freigabeprozesse, Kommunikationswege.
Sofortmaßnahmen umfassen:
Takedown des beanstandeten Inhalts,
juristische Bewertung durch spezialisierte Kanzlei,
Gegendarstellung oder Entschuldigung nach Presserecht,
Dokumentation des Vorfalls für mögliche Verfahren.
Das Versäumnis solcher Schritte kann Reputations- und Schadensersatzansprüche auslösen. Die Rechtsprechung verlangt, dass Agenturen nach Kenntnis unverzüglich reagieren („Notice & Takedown“-Prinzip aus § 10 TMG).
Arbeitsrechtliche und interne Risiken
Nicht nur Kunden-, auch Mitarbeiter-Posts bergen Haftung. Wenn Angestellte oder Praktikanten im Namen der Agentur posten, haftet der Arbeitgeber nach § 278 BGB für deren Handlungen.
Zur Prävention dienen Social-Media-Guidelines, die regeln, was gepostet, kommentiert oder geteilt werden darf. Sie sollten zwischen privaten und dienstlichen Accounts unterscheiden und Schulungen vorsehen.
Fehlt eine solche Richtlinie, können Agenturen kaum nachweisen, dass sie Sorgfaltspflichten erfüllt haben – ein erhebliches Haftungsrisiko bei internen Verfehlungen oder Datenschutzpannen.
Compliance, DSA und Plattformverantwortung
Der Digital Services Act (DSA) erweitert die Verantwortung für digitale Inhalte. Auch Agenturen, die im Auftrag Inhalte veröffentlichen, müssen künftig Nachweise über Moderation und Herkunft führen.
Pflichten:
Meldewege für rechtswidrige Inhalte,
Dokumentationspflicht für Takedown-Entscheidungen,
Zusammenarbeit mit Plattform-Anbietern bei Notice-and-Action-Verfahren,
jährliche Risikoanalyse für systematische Verstöße.
In Kombination mit DSGVO-Pflichten entsteht ein doppeltes Compliance-System: Datenschutz auf der einen, Inhalts- und Transparenzpflichten auf der anderen Seite. Wer beides missachtet, riskiert doppelte Bußgelder und Vertrauensverlust.
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Fazit & Handlungsempfehlung
Social-Media-Agenturen agieren heute im Brennpunkt juristischer Verantwortung. Ob Urheberrechtsverletzung, Datenleck oder Shitstorm – jede Kampagne birgt Haftungsgefahren.
Die wichtigsten Handlungsschritte:
klare Vertragsklauseln zur Verantwortlichkeit,
regelmäßige Content- und Rechteprüfungen,
DSGVO- und DSA-Compliance mit dokumentierten Prozessen,
Schulungen und interne Social-Media-Policies,
Notfallpläne für Krisenkommunikation.
Eine anwaltliche Prüfung der Kommunikations- und Vertragsstrukturen schützt vor Reputations-, Haftungs- und Bußgeldrisiken.
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