Digitale Sexarbeit und Steuerfahndung – Geldwäsche und Krypto-Zahlungen

Verfasst von
Max Hortmann
09 Nov 2025
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Krypto-Zahlungen im Erotiksektor – Risiken bei Geldwäsche, DAC8 und steuerlicher Aufsicht

Verfasst von Rechtsanwalt Max Nikolas Mischa Hortmann, Vertragsautor bei jurisAZO-ITR und jurisPR-ITR.

1 Einleitung – Wenn Intimität zur Blockchain wird

Digitale Sexarbeit hat längst den Weg in die Welt der Kryptowährungen gefunden.
Ob OnlyFans, Virtual-Girlfriend-Apps, Escort-Plattformen oder Private-Chats – Krypto-Zahlungen werden zur Regel: anonym, schnell, grenzüberschreitend.
Doch hinter der Bequemlichkeit liegen juristische und regulatorische Hochrisikofelder: Geldwäsche, Steuertransparenz und Aufsicht.

Wo früher Bargeld floss, wandern heute Token, Stablecoins und NFTs.
Was als technologische Effizienz erscheint, kann aus Sicht des Rechts zur Intransparenzfalle werden.
Dieser Beitrag zeigt, warum der Erotiksektor als „Use-Case“ für MiCA, DAC8 und die europäische Geldwäschearchitektur gilt – und wie Behörden, Banken und Plattformen diese Entwicklung juristisch kontrollieren.

2 Geldwäsche – Zwischen Pseudonymität und Transparenzpflicht

2.1 Krypto als Geldwäschemedium

Kryptowährungen ermöglichen durch Pseudonymität, Dezentralität und internationale Übertragbarkeit neue Formen der Verschleierung.
In der Praxis sind sie ein Standardwerkzeug für Lagen zwischen Legalität und Verdeckung – von Graumarktprostitution bis hin zu digitalen Love-Scam-Netzwerken.

Die Strafverfolgungsbehörden sehen im Erotiksektor ein besonders anfälliges Feld:
Transaktionen in Bitcoin, Tether oder Monero verbinden klassische Täterstrukturen mit moderner Verschleierungstechnik.
Arconada Valbuena / Rennar (StBp 2024, 329 ff.) beschreiben, dass Blockchain-Transaktionen für Ermittler zwar nachvollziehbar, aber nur schwer mit realen Identitäten verknüpfbar sind.

2.2 Rechtlicher Rahmen

  • § 261 StGB (Geldwäsche) gilt für Krypto-Assets ebenso wie für Fiat-Währungen.
  • Die EU-Geldwäscherichtlinie V hat Kryptodienstleister zu „Verpflichteten“ erklärt: Sie müssen KYC-Verfahren (Know Your Customer) durchführen, wirtschaftlich Berechtigte identifizieren und verdächtige Transaktionen melden.
  • Nach Janina Schuh (Kriminalistik 2024, 438 ff.) erfordert der Erotiksektor verstärkte Identifizierungsverfahren, weil Kunden und Anbieter bewusst auf Anonymität setzen.

2.3 Blockchain-Analyse und forensische Ermittlungen

Behörden nutzen inzwischen Tools wie Chainalysis, Elliptic oder CipherTrace, um Geldströme zu clustern und Wallet-Netzwerke zu visualisieren.
Diese Analyse ist technisch komplex, aber sie ermöglicht Beweissicherung auch in transnationalen Verfahren.
Die FIU (Financial Intelligence Unit) in Deutschland führt bei auffälligen Wallet-Transfers Routineprüfungen durch, insbesondere wenn Zahlungen von Erotikplattformen stammen.
Kooperationen mit Europol, Interpol und dem BKA (Projekt „Dark Money“) machen Krypto-Erträge nachvollziehbar – aber nur ex post.

3 DAC8 und steuerliche Aufsicht – Die neue Transparenzarchitektur

3.1 DAC8-Richtlinie: Meldepflichten ab 2026

Mit der DAC8-Richtlinie (EU 2023/2226) reagiert die EU auf steuerliche Intransparenz bei digitalen Vermögenswerten.
Ab 1. Januar 2026 müssen Kryptoplattformen und Wallet-Provider alle Transaktionen an nationale Steuerverwaltungen melden.
Die gemeldeten Informationen werden EU-weit automatisch ausgetauscht.

Schmitt / Acker (ISR 2024, 329 ff.) betonen, dass die DAC8-Pflichten nicht nur Börsen, sondern auch Zahlungs- und Vermittlungsplattformen treffen – also auch Anbieter, die Kryptozahlungen für erotische Dienstleistungen abwickeln.

3.2 Steuerliche Risiken und Pflichten

  • Einkünfte aus Krypto-Zahlungen unterliegen der Einkommen- und Umsatzsteuer.
  • Aufbewahrungspflicht: Jede Transaktion muss dokumentiert werden; fehlende Nachweise gelten als Steuerverkürzung.
  • Projekt 370 zeigt, dass Plattformen zunehmend als Datenquelle für Steuerprüfungen dienen: DAC7/8-Meldungen werden mit Umsatz- und Einkommensteuerakten verknüpft.
  • Fehlende Dokumentation kann steuerstrafrechtliche Folgen haben (§ 370 AO).

Johannes Höring (StBp 2023, 110 ff.) beschreibt, wie Finanzverwaltungen automatisierte „Risk Engines“ einsetzen, um Wallet-Adressen und Kryptobörsen-Daten zu korrelieren.
So wird Steuertransparenz technisch erzwingbar – auch im Erotiksektor.

4 MiCA und regulatorische Herausforderungen

4.1 Einheitliche europäische Regulierung

Mit der Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCA) entsteht ab 2024 ein europaweit harmonisierter Rechtsrahmen.
Er verpflichtet Emittenten und Dienstleister zu:

  • Zulassungspflichten,
  • Prospekt- und Informationspflichten,
  • organisatorischen Sicherheiten und
  • Verbraucherschutzstandards.

Reiß / Kraeusel / Langer (USt aktuell 4/2025) zeigen, dass MiCA-Dienstleister automatisch dem Geldwäscherecht unterfallen.
Erotikplattformen, die eigene Token ausgeben oder Wallets verwalten, werden damit zu Krypto-Dienstleistern – mit Identifizierungspflichten, Audit- und Dokumentationszwang.

4.2 Doppelrolle der Plattformen

Plattformen fungieren oft zugleich als Zahlungsdienstleister und Marktplatzbetreiber.
Diese Doppelfunktion bringt Pflichten aus MiCA, DSA und Geldwäschegesetz zusammen:

  • DSA → Risiko- und Compliance-Reporting,
  • MiCA → Registrierung und Audit,
  • GwG → KYC und Verdachtsmeldungen.
    Damit entsteht eine mehrdimensionale Regulierung, die Anbieter in die Nähe lizenzierter Finanzdienstleister rückt.

4.3 Praktische Hürden

Viele Plattformen operieren aus Rechtszonen mit niedriger Aufsichtsdichte (Zypern, Malta, Seychellen).
Die EU-Regelungen gelten jedoch extraterritorial, sobald Dienste für EU-Bürger angeboten werden.
Wer ohne Erlaubnis tätig wird, riskiert Untersagung, Bußgelder und zivilrechtliche Haftung.

5 Forensische und operative Risiken im Erotiksektor

5.1 Krypto-Transfers als Beweis- und Ermittlungsobjekt

Für Ermittlungsbehörden sind Kryptotransaktionen zugleich Beweismittel und Tatmittel.
In Fällen von Love-Scam, digitaler Zuhälterei (§ 181a StGB) oder Menschenhandel (§ 232 StGB) bilden Wallet-Transfers die Grundlage zur Beweisführung.
Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO erlaubt die Verarbeitung dieser Daten, wenn sie „zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen“ erforderlich ist.

5.2 Strafbarkeitsrisiken für Plattformen

Erotikplattformen, die Krypto-Zahlungen vermitteln, laufen Gefahr, Beihilfe zur Geldwäsche (§ 27 StGB i.V.m. § 261 StGB) zu leisten, wenn sie keine ausreichenden KYC-Prozesse etablieren.
Das gilt auch, wenn technische Abläufe die Identifizierung erschweren.
Vorsatz ist nicht erforderlich – bereits Leichtfertigkeit (§ 261 Abs. 5 StGB) genügt.

5.3 Reputations- und Compliance-Gefahren

Unternehmen, die mit „Privacy-Coins“ oder anonymen Wallets arbeiten, riskieren Kontensperrungen, den Verlust von Zahlungsdienstleistern und Ausschluss von Bankkooperationen.
Selbst scheinbar harmlose Features – Trinkgeld-Token oder NFT-Paywalls – können geldwäscherechtlich relevant sein, sobald sie übertragbar sind.

6 Handlungsempfehlungen für Betreiber und Content-Creator

  1. KYC-Prozesse implementieren – auch bei Peer-to-Peer-Zahlungen über Smart Contracts.
  2. Transaktionen dokumentieren – Zeitstempel, Hash, Gegenleistung, Wallet-Adresse.
  3. Compliance-Officer bestellen, wenn Krypto-Zahlungen zentral verwaltet werden.
  4. MiCA-Registrierung prüfen, sobald Tokens oder Wallets angeboten werden.
  5. Verdachtsmeldungen bei ungewöhnlichen Volumina oder Serienzahlungen – Pflicht nach § 43 GwG.
  6. Interne Schulung über DAC8- und Steuerpflichten: Wer verschweigt, verliert Strafmilderung.

7 Fazit – Transparenzpflicht statt Anonymitätsillusion

Kryptowährungen sind im Erotiksektor ökonomisch sinnvoll, rechtlich riskant.
Die Anonymität, die Kunden und Anbieter suchen, steht im Widerspruch zu den Transparenzpflichten, die MiCA und DAC8 auferlegen.
Wer Krypto akzeptiert, wird zum Finanzdienstleister im rechtlichen Sinn – mit allen Pflichten aus Steuer-, Geldwäsche- und Datenschutzrecht.

Die Zukunft der digitalen Intimität ist damit nicht anonym, sondern dokumentiert:
jede Zahlung, jeder Token, jede Wallet-Interaktion wird Teil eines rechtlichen Registers.
Was für Strafverfolger Erleichterung bedeutet, ist für Betreiber und Nutzer Verpflichtung:
Compliance ist die neue Diskretion.

Recht ist nicht die Bremse der Digitalisierung, sondern ihre ethische Architektur.

Fundstellen

  1. Arconada Valbuena / Rennar, Aktuelle Entwicklungen zum Umgang mit Krypto-Assets durch die Strafverfolgungsbehörden, StBp 2024, 329–334.
  2. Janina Schuh, Stichwörter: Kryptowährung, Geldwäsche, Internetkriminalität, Kriminalistik 2024, 438–442.
  3. Lukas Schmitt / Martin Acker, Umsetzung der DAC8-Richtlinie, ISR 2024, 329–339.
  4. Johannes Höring, Aktuelle Entwicklungen zur Besteuerung von Krypto-Assets, StBp 2023, 110–117.
  5. Reiß / Kraeusel / Langer, Umsatzsteuer aktuell 4/2025.
  6. AStW 2020, 010–012, Wichtige Steueränderungen: Geldwäsche

🩸 Beiträge im Überblick

1️⃣ Digitale Prostitution und Plattformhaftung – rechtliche Grauzonen im Netz
Wie Plattformen rechtliche Verantwortlichkeiten verschieben und wann Moderation zur Beihilfe wird.

2️⃣ AI-Avatare und virtuelle Sexarbeit – zwischen Kunstfreiheit und Pornografiegesetz
Künstliche Identitäten, Deepfakes und die Frage, ob virtuelle Erotik Kunst oder Sexarbeit ist.

3️⃣ OnlyFans, FanCentro & Co. – steuerliche Behandlung digitaler Sexarbeit
Wie Einnahmen aus digitaler Intimität steuerlich einzuordnen sind – von Einkommensteuer bis Umsatzsteuer.

4️⃣ Datenschutz und Intimsphäre – Art. 9 DSGVO als Schutzschild oder Feigenblatt?
Wenn intime Daten zum Geschäftsmodell werden – Grenzen des Datenschutzes in der Sexarbeit.

5️⃣ Digitale Prostitution vs. Love Scamming – Täuschung, Einwilligung und Ausnutzung
Wie emotionale Manipulation ökonomische Abhängigkeit schafft – und wann Strafbarkeit beginnt.

6️⃣ Plattformökonomie und Arbeitsrecht – Scheinselbstständigkeit im Erotiksektor
Selbstständigkeit oder abhängige Beschäftigung? Arbeitsrechtliche Grenzen digitaler Sexarbeit.

7️⃣ Strafrechtliche Verantwortung – von der Förderung zur digitalen Zuhälterei
§ 181a StGB im Zeitalter der Plattformökonomie: Wer trägt strafrechtliche Verantwortung?

8️⃣ Digitale Prostitution im internationalen Kontext – Regulierung in EU, USA, Asien
Rechtsvergleich zwischen Liberalisierung, Plattformverbot und digitaler Überwachung.

9️⃣ Digitale Sexarbeit und Steuerfahndung – Geldwäsche und Krypto-Zahlungen
Wie Finanzbehörden digitale Einnahmen nachvollziehen – und wann der Verdacht auf Geldwäsche entsteht.

🔟 Digitale Prostitution als Schattenmarkt – Kontrollverlust des Staates
Warum bestehende Gesetze an der digitalen Realität scheitern – und welche Reformen nötig sind.

🔹 Cluster II – Sugar-Dating & Sugar-Babe-Prostitution

Juristische Analysen zur rechtlichen Einordnung von Sugar-Arrangements, Datenschutz, Steuerrecht und Strafbarkeit.
Diese Serie untersucht die Grauzone zwischen Beziehung und entgeltlicher Leistung – von emotionaler Abhängigkeit bis Plattformhaftung.

💎 Beiträge im Überblick

1️⃣ Sugar-Daddy-Plattformen und rechtliche Bewertung – Zwischen Beziehung und Bezahlung
Wie digitale Plattformen Beziehungen monetarisieren – und wo das Zivilrecht Grenzen zieht.

2️⃣ Vertrag oder Täuschung? – Zivilrechtliche Einordnung von Sugar-Arrangements
Zwischen Einvernehmen und Irreführung – wann eine Beziehung zur vertraglichen Leistung wird.

3️⃣ Steuerrechtliche Bewertung – Liebesbeziehung oder gewerbliche Tätigkeit?
Wie Finanzämter Sugar-Arrangements einordnen – und welche steuerstrafrechtlichen Risiken bestehen.

4️⃣ Datenschutz und Intimsphäre – Art. 9 DSGVO bei Sugar-Daddy-Daten
Intime Informationen als Risikofaktor – Datenschutzrechtliche Grenzen der Vermittlungsportale.

5️⃣ Täuschung, Abhängigkeit und Nötigung – Strafbarkeit digitaler Sugar-Beziehungen
Wann emotionale und ökonomische Abhängigkeit zur Strafbarkeit führt.

6️⃣ Plattformhaftung und Vermittlungsverantwortung – digitale Zuhälterei 2.0
Grenzen der Betreiberhaftung nach § 181a StGB im digitalen Raum.

7️⃣ Finanzielle Abhängigkeit und emotionale Erpressung – Sugar-Babe als Opferstruktur
Wie Abhängigkeit systematisch entsteht – und welche Rechtsfolgen sie auslöst.

8️⃣ Arbeitsrechtliche Einordnung – Beschäftigung, Selbstständigkeit oder Schutzlücke?
Wann Sugar-Beziehungen arbeitsrechtlich relevant werden – eine Analyse nach § 611a BGB.

9️⃣ Internationale Dimension – Regulierung digitaler Sugar-Dating-Portale
Wie EU und USA unterschiedlich reagieren – und wo Deutschland steht.

🔟 Gesellschaftliche und rechtspolitische Bewertung – Sugar-Dating als Normalisierung digitaler Abhängigkeit
Warum Sugar-Dating mehr ist als ein Beziehungsphänomen – und was es über digitale Machtverhältnisse verrät.

Max Hortmann
Rechtsanwalt
,
Hortmann Law

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