OnlyFans, FanCentro & Co. – Steuerliche Behandlung digitaler Sexarbeit
1 Einleitung – Einkommen aus Intimität: Der Fiskus im digitalen Raum
Digitale Plattformen wie OnlyFans, FanCentro, Patreon oder ManyVids haben die Vermarktung persönlicher Nähe industrialisiert. Fotos, Videos, Livestreams oder private Chats werden als abonnementbasierte Leistungen verkauft; Trinkgelder, NFT-Verkäufe und Pay-per-View-Inhalte ergänzen das Modell.
Was als Ausdruck digitaler Selbstbestimmung begann, ist längst ein Markt mit komplexen steuerlichen Folgen.
Die Frage lautet: Wie bewertet das deutsche Steuerrecht Einnahmen aus digitaler Sexarbeit? Wann wird aus einem „Creator-Account“ ein Gewerbebetrieb? Und welche Verantwortung trifft Plattformbetreiber nach dem Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG)?
Verfasst von Rechtsanwalt Max Nikolas Mischa Hortmann, Vertragsautor bei jurisAZO-ITR und jurisPR-ITR.
2 Rechtsrahmen – Einkommensteuer, Umsatzsteuer und DAC 7
Einnahmen aus digitaler Sexarbeit unterliegen grundsätzlich denselben Regeln wie andere Online-Dienstleistungen.
- § 15 EStG qualifiziert nachhaltige, selbständige Tätigkeiten mit Gewinnerzielungsabsicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Wollweber/Strohe Stbg 2014, 125).
- § 18 EStG erfasst nur künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeiten; die reine Vermarktung körperbezogener Inhalte fällt regelmäßig nicht darunter (Brunckhorst/Sterzinger DStR 2018, 1689).
- § 2 UStG i.V.m. Art. 44 MwStSystRL ordnet digitale Sexarbeit als sonstige elektronische Leistung ein.
- § 22 UStG verpflichtet zur ordnungsgemäßen Aufzeichnung und Belegausstellung.
Mit der DAC 7-Richtlinie (EU 2021/514) und dem PStTG 2023 wurden Plattformen meldepflichtig. Sie müssen dem Bundeszentralamt für Steuern jährlich Informationen über Anbieter, Umsätze und Zahlungen übermitteln (Klink/Sixt DStR 2022, 2646; IWW AStW 2023, 151).
3 Plattformmodell und steuerliche Qualifikation
Creator erzielen Einkünfte aus Abonnements, Pay-per-View-Inhalten, Trinkgeldern, NFTs oder Livestreams.
Die Finanzverwaltung behandelt sie regelmäßig als Gewerbetreibende, nicht als Künstler (§ 15 EStG).
Ausnahmen sind denkbar, wenn künstlerische Darbietung oder Performance im Vordergrund steht (§ 18 EStG).
Umsatzsteuerlich gilt: Der Creator ist Leistungserbringer gegenüber der Plattform oder dem Endkunden (§ 3 Abs. 11a UStG). Ob die Plattform Vermittler oder selbst Leistender ist, hängt von ihrer Preis- und Zahlungsstruktur ab.
Die Problematik der ausländischen Plattformen – häufig mit Sitz in Irland oder den USA – führt zu Leistungsort- und Reverse-Charge-Fragen.
Diese Konstruktionen stehen exemplarisch für die im Projekt 370 untersuchten digitalen Gewinn- und Verluststrukturen: Einnahmen zirkulieren global, steuerliche Anknüpfung bleibt national.
4 Vertragliche und zivilrechtliche Einordnung
Zwischen Plattform, Creator und Endkunde bestehen mehrstufige Vertragsbeziehungen.
Die Nutzungsbedingungen regeln meist einen Revenue-Share von 80/20 oder 70/30. Fehlt wirtschaftliche Unabhängigkeit, droht Scheinselbstständigkeit (§ 611a BGB).
Plattformen, die Inhalte kuratieren, Honorare freigeben und Richtlinien setzen, tragen Mitverantwortung (§ 42 AO – Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten).
Falsche steuerliche Einstufungen können zu Haftungsbescheiden und Bußgeldern führen.
5 Internationales Steuerrecht – Leistungsort und Quellenbesteuerung
Nach Art. 44 MwStSystRL bestimmt sich der Leistungsort elektronischer Dienstleistungen nach dem Sitz des Leistungsempfängers.
Erbringt ein deutscher Creator Leistungen an eine ausländische Plattform, liegt der Ort der Leistung meist im Ausland; die Umsatzsteuer schuldet dann der Leistungsempfänger (Reverse-Charge).
Nach Art. 5 OECD-MA entsteht eine Betriebsstätte, wenn der Creator regelmäßig über Server oder Plattformtools wirtschaftlich tätig ist.
Die DAC 7-Meldepflicht zwingt Plattformen zur Offenlegung dieser Strukturen.
Doppelbesteuerungsabkommen (DE-USA, DE-Irland) verhindern Doppelbelastung, ersetzen aber nicht die nationale Erklärungspflicht.
6 Straf- und Bußgeldrisiken
- § 370 AO – Steuerhinterziehung durch Nichtdeklaration oder Verschleierung digitaler Einnahmen.
- § 379 AO – leichtfertige Steuerverkürzung.
- § 130 OWiG – Organisationsverschulden von Plattformbetreibern.
- Kooperation FIU und Finanzverwaltung bei Verdachtsmeldungen nach GwG.
Viele Ermittlungsverfahren beginnen durch DAC-7-Daten oder Plattformmeldungen (Krämer/Emmerich BRJ 2022, 18).
Wie Projekt 370 zeigt, verschmelzen Steuer- und Strafrecht zu einem integrierten Kontrollsystem des digitalen Marktes.
7 Datenschutz und steuerliche Datenverarbeitung (Art. 9 DSGVO)
Die Verarbeitung von Intim- und Finanzdaten durch Plattformen betrifft „besondere Kategorien personenbezogener Daten“.
Nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO ist sie zulässig, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben ist.
Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO ermöglicht die Weitergabe, soweit sie dem öffentlichen Interesse dient – hier der Steuertransparenz.
Das Spannungsfeld zwischen Steuererhebung und informationeller Selbstbestimmung bleibt jedoch ungelöst (vgl. DeFi-Compliance und Datenschutz).
8 Vergleich und internationale Praxis
- USA: IRS-Form 1099-K – Pflichtmeldung von Plattformzahlungen.
- UK: „Making Tax Digital“ – vollständige elektronische Buchführung.
- EU: ab 2026 einheitliche DAC 7-Meldung für alle Mitgliedstaaten.
- Vergleich zu Etsy oder Airbnb: gleiche Transparenzpflicht, aber höheres Risiko durch Erotik-Content wegen Straf- und Jugendschutzrecht.
9 Gesellschaftliche und rechtspolitische Bewertung
Steuertransparenz schützt nicht nur Fiskus, sondern auch Arbeitnehmerrechte.
Fehlende Besteuerung fördert digitale Schattenwirtschaft – ähnlich wie bei Love Scam und Krypto-Transfers.
Die steuerliche Erfassung der Intimitätsökonomie wird so zum Teil des Opferschutzes: Wer Einkommen sichtbar macht, macht Ausbeutung schwerer.
Erforderlich ist ein klarer, rechtspolitisch kohärenter Rahmen, der Datenschutz, Steuerrecht und Arbeitsrecht integriert.
10 Fazit
Digitale Sexarbeit ist steuerpflichtig – und damit Teil des rechtlichen Regelbetriebs.
Der Staat hat das Recht und die Pflicht, digitale Einnahmen zu erfassen.
Gleichzeitig muss er Datenschutz und Selbstbestimmung wahren.
Das Steuerrecht wird damit zum ethischen Instrument der digitalen Wirtschaft.
Recht ist nicht die Bremse der Digitalisierung, sondern ihre ethische Architektur.
11 Call-to-Action
Sie betreiben eine digitale Plattform oder erzielen Einnahmen aus Online-Content oder digitaler Sexarbeit?
Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Max Nikolas Mischa Hortmann, Frankfurt am Main,
Vertragsautor bei jurisAZO-ITR und jurisPR-ITR, 📞 0160 9955 5525 oder über hortmannlaw.com/contact.
12 Fundstellen
- Wollweber/Strohe, Besteuerung von Prostituierten, Stbg 2014, 125.
- Brunckhorst/Sterzinger, Ertragsteuerliche Beurteilung von Bloggern u. YouTubern, DStR 2018, 1689.
- Hoffmann, Influencer im Fokus der Besteuerung, KÖSDI 2023, 23391.
- IWW Institut, Influencer im Visier der Steuerfahndung, AStW 2025, 636.
- Krämer/Emmerich, Social Media u. Steuerstrafrecht, BRJ 2022, 18.
- BMF-Schreiben v. 02.02.2023, IV B 6-S 1316/21/10019:025 (PStTG).
- IWW Institut, Besteuerung von Influencern u. Content-Creatorn, PFB 2025, 17.
- Arconada Valbuena/Rennar, Meldepflicht nach DAC 7, PStR 2024, 231.
- BStBl I Nr. 4 (08.03.2023), 241.
- Klink/Sixt, Plattformen-Steuertransparenzgesetz, DStR 2022, 2646.
🩸 Beiträge im Überblick
1️⃣ Digitale Prostitution und Plattformhaftung – rechtliche Grauzonen im Netz
Wie Plattformen rechtliche Verantwortlichkeiten verschieben und wann Moderation zur Beihilfe wird.
2️⃣ AI-Avatare und virtuelle Sexarbeit – zwischen Kunstfreiheit und Pornografiegesetz
Künstliche Identitäten, Deepfakes und die Frage, ob virtuelle Erotik Kunst oder Sexarbeit ist.
3️⃣ OnlyFans, FanCentro & Co. – steuerliche Behandlung digitaler Sexarbeit
Wie Einnahmen aus digitaler Intimität steuerlich einzuordnen sind – von Einkommensteuer bis Umsatzsteuer.
4️⃣ Datenschutz und Intimsphäre – Art. 9 DSGVO als Schutzschild oder Feigenblatt?
Wenn intime Daten zum Geschäftsmodell werden – Grenzen des Datenschutzes in der Sexarbeit.
5️⃣ Digitale Prostitution vs. Love Scamming – Täuschung, Einwilligung und Ausnutzung
Wie emotionale Manipulation ökonomische Abhängigkeit schafft – und wann Strafbarkeit beginnt.
6️⃣ Plattformökonomie und Arbeitsrecht – Scheinselbstständigkeit im Erotiksektor
Selbstständigkeit oder abhängige Beschäftigung? Arbeitsrechtliche Grenzen digitaler Sexarbeit.
7️⃣ Strafrechtliche Verantwortung – von der Förderung zur digitalen Zuhälterei
§ 181a StGB im Zeitalter der Plattformökonomie: Wer trägt strafrechtliche Verantwortung?
8️⃣ Digitale Prostitution im internationalen Kontext – Regulierung in EU, USA, Asien
Rechtsvergleich zwischen Liberalisierung, Plattformverbot und digitaler Überwachung.
9️⃣ Digitale Sexarbeit und Steuerfahndung – Geldwäsche und Krypto-Zahlungen
Wie Finanzbehörden digitale Einnahmen nachvollziehen – und wann der Verdacht auf Geldwäsche entsteht.
🔟 Digitale Prostitution als Schattenmarkt – Kontrollverlust des Staates
Warum bestehende Gesetze an der digitalen Realität scheitern – und welche Reformen nötig sind.
🔹 Cluster II – Sugar-Dating & Sugar-Babe-Prostitution
Juristische Analysen zur rechtlichen Einordnung von Sugar-Arrangements, Datenschutz, Steuerrecht und Strafbarkeit.
Diese Serie untersucht die Grauzone zwischen Beziehung und entgeltlicher Leistung – von emotionaler Abhängigkeit bis Plattformhaftung.
💎 Beiträge im Überblick
1️⃣ Sugar-Daddy-Plattformen und rechtliche Bewertung – Zwischen Beziehung und Bezahlung
Wie digitale Plattformen Beziehungen monetarisieren – und wo das Zivilrecht Grenzen zieht.
2️⃣ Vertrag oder Täuschung? – Zivilrechtliche Einordnung von Sugar-Arrangements
Zwischen Einvernehmen und Irreführung – wann eine Beziehung zur vertraglichen Leistung wird.
3️⃣ Steuerrechtliche Bewertung – Liebesbeziehung oder gewerbliche Tätigkeit?
Wie Finanzämter Sugar-Arrangements einordnen – und welche steuerstrafrechtlichen Risiken bestehen.
4️⃣ Datenschutz und Intimsphäre – Art. 9 DSGVO bei Sugar-Daddy-Daten
Intime Informationen als Risikofaktor – Datenschutzrechtliche Grenzen der Vermittlungsportale.
5️⃣ Täuschung, Abhängigkeit und Nötigung – Strafbarkeit digitaler Sugar-Beziehungen
Wann emotionale und ökonomische Abhängigkeit zur Strafbarkeit führt.
6️⃣ Plattformhaftung und Vermittlungsverantwortung – digitale Zuhälterei 2.0
Grenzen der Betreiberhaftung nach § 181a StGB im digitalen Raum.
7️⃣ Finanzielle Abhängigkeit und emotionale Erpressung – Sugar-Babe als Opferstruktur
Wie Abhängigkeit systematisch entsteht – und welche Rechtsfolgen sie auslöst.
8️⃣ Arbeitsrechtliche Einordnung – Beschäftigung, Selbstständigkeit oder Schutzlücke?
Wann Sugar-Beziehungen arbeitsrechtlich relevant werden – eine Analyse nach § 611a BGB.
9️⃣ Internationale Dimension – Regulierung digitaler Sugar-Dating-Portale
Wie EU und USA unterschiedlich reagieren – und wo Deutschland steht.
🔟 Gesellschaftliche und rechtspolitische Bewertung – Sugar-Dating als Normalisierung digitaler Abhängigkeit
Warum Sugar-Dating mehr ist als ein Beziehungsphänomen – und was es über digitale Machtverhältnisse verrät.
⚖️ Empfohlene weiterführende Beiträge
Diese ergänzenden Artikel vertiefen zentrale Themen aus beiden Clustern – von Datenschutz und Steuerrecht bis hin zur Strafverfolgung digitaler Beziehungen.
Kapitalanlagen richtig versteuern – Tippsfür Privatanleger
https://www.hortmannlaw.com/articles/kapitalanlagen-richtig-versteuern
Nießbrauch und Steuern – So vermeiden Sieteure Schenkungen
https://www.hortmannlaw.com/articles/steuerfalle-niessbrauch-schenkung