Sugar-Dating zwischen Liebe und Leistung – Wann ein Arrangement zur Prostitution wird
Verfasst von Rechtsanwalt Max Nikolas Mischa Hortmann, Vertragsautor bei jurisAZO-ITR und jurisPR-ITR.
1 Einleitung – Emotion als Gegenleistung
Sugar-Dating bewegt sich im Spannungsfeld zwischen romantischer Zuwendung und wirtschaftlicher Transaktion.
Die Beteiligten sprechen von „gegenseitiger Unterstützung“, „exklusiven Arrangements“ oder „Lifestyle-Partnerschaften“ – Begriffe, die Nähe und Freiwilligkeit suggerieren, aber häufig verdecken, dass sexuelle Leistungen gegen finanzielle Zuwendung erbracht werden.
Juristisch stellt sich die Frage, wann ein solches Arrangement die Schwelle zur Prostitution überschreitet.
Denn sobald eine wirtschaftliche Gegenleistung für sexuelle Handlungen vorliegt, gelten die Vorschriften des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) und des Strafgesetzbuches (§§ 180a, 181a StGB).
Dieser Beitrag analysiert, welche Kriterien für die Einordnung maßgeblich sind, welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben und warum Sugar-Dating in Deutschland bislang eine Grauzone zwischen privater Beziehung und regulierter Sexarbeit bleibt.
2 Prostitution im Rechtssinn – Definition nach § 2 ProstSchG
Nach § 2 Abs. 1 ProstSchG liegt Prostitution vor, wenn jemand sexuelle Handlungen an oder vor einer anderen Person gegen Entgelt vornimmt.
Entgelt meint jede wirtschaftlich messbare Gegenleistung, sei es Geld, Geschenke, Miete, Reisen oder Sachleistungen.
Unerheblich ist, ob die Zahlung unmittelbar vor, während oder nach der Handlung erfolgt – entscheidend ist der Kausalzusammenhang: Ohne Zuwendung kein sexuelles Handeln.
Damit grenzt sich die Prostitution von privaten, emotional oder partnerschaftlich motivierten Beziehungen ab, bei denen wirtschaftliche Unterstützung nicht die Gegenleistung für Sexualität ist.
3 Abgrenzungskriterien – Intention, Gegenleistung, Verknüpfung
3.1 Wirtschaftlicher Zusammenhang
Zentral ist die ökonomische Verknüpfung: Wird die Zuwendung „um der Sexualität willen“ gewährt oder lediglich im Rahmen einer privaten Beziehung?
Die Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 11. 02. 2000 – 3 StR 499/99) erkennt Prostitution, wenn das Entgeltmotiv den Kern der Vereinbarung bildet.
Geschenke oder Lebensunterhalt ohne unmittelbare Erwartung sexueller Leistungen bleiben dagegen außerhalb des Tatbestands.
3.2 Intention und Dominanz des sexuellen Elements
Ein Sugar-Dating-Arrangement kann formal als „Beziehung“ beschrieben werden; maßgeblich ist, ob Sexualität Hauptzweck oder Nebeneffekt ist.
Stehen emotionale Bindung, gesellschaftliche Begleitung oder Lifestyle-Aspekte im Vordergrund, ist das Verhältnis nicht ohne Weiteres als Prostitution zu qualifizieren.
Überwiegt hingegen das Leistungs-Gegenleistungs-Prinzip, liegt eine sexuelle Dienstleistung im Sinne des Gesetzes vor.
3.3 Dauer und Struktur
- Einmalige Treffen gegen Entgelt → typischer Prostitutionsfall.
- Langfristige Arrangements mit regelmäßiger finanzieller Unterstützung → Bewertung hängt von der Ausgestaltung ab.
- Verhältnis mit unregelmäßigen Zuwendungen ohne feste Bindung → eher private Beziehung.
Die Rechtsprechung bewertet diese Kriterien im Gesamtbild. Entscheidend ist nicht der Titel („Beziehung“ oder „Arrangement“), sondern der Inhalt der Vereinbarung.
4 Relevanz des Prostituiertenschutzgesetzes
Das ProstSchG (BGBl I 2016, 2372) legalisiert und regelt Sexarbeit unter bestimmten Voraussetzungen:
- Anmeldepflicht (§ 3) und Gesundheitsberatung (§ 10) für Personen in der Prostitution,
- Erlaubnispflicht (§ 12) für Betreiber von Prostitutionsgewerben,
- Pflicht zur Gewährleistung der Freiwilligkeit (§ 25).
Wird Sugar-Dating als Prostitution eingeordnet, greifen diese Pflichten unmittelbar.
Fehlt die Anmeldung oder Erlaubnis, drohen Bußgelder (§ 33) oder strafrechtliche Konsequenzen (§ 180a StGB).
5 Steuerrechtliche Folgen
Die Einordnung als Prostitution führt zu Einkommen- und Umsatzsteuerpflicht.
Der BFH (Urt. v. 15. 03. 2012 – III R 30/10) stellt klar, dass Einkünfte aus Eigenprostitution Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind.
Das gilt auch für digitale oder vermittelte Formen.
Damit entstehen:
- Buchführungspflichten,
- Gewerbeanmeldung,
- Meldepflichten nach DAC7/DAC8 bei Nutzung digitaler Plattformen.
6 Strafrechtliche Risiken – Förderung, Ausbeutung, Zwang
6.1 Förderung der Prostitution (§ 181a StGB)
Plattformen oder Dritte, die durch Organisation, Vermittlung oder Beteiligung wirtschaftlich profitieren, können den Tatbestand der Förderung der Prostitution erfüllen.
Entscheidend ist, ob die Selbstbestimmung der betroffenen Person beeinträchtigt oder ausgenutzt wird.
6.2 Ausbeutung und Zwang (§ 180a StGB)
§ 180a StGB stellt die Ausbeutung von Personen in der Prostitution unter Strafe, wenn deren wirtschaftliche oder persönliche Unabhängigkeit gezielt eingeschränkt wird.
Dies kann etwa bei Sugar-Daddy-Beziehungen gelten, in denen Abhängigkeit, Druck oder emotionale Manipulation bestehen.
BGH-Urteile aus den 1980er-Jahren (3 StR 320/86; 3 StR 300/82) zeigen:
Selbst freiwillige Vereinbarungen verlieren ihre Wirksamkeit, wenn wirtschaftliche Machtverhältnisse autonome Entscheidungen faktisch ausschließen.
7 Digitale Dimension – Plattformen und Vermittlungsportale
Sugar-Dating-Plattformen operieren im rechtlichen Graubereich:
Sie bezeichnen sich als „Lifestyle-Communities“ oder „Elite-Dating“.
Tatsächlich fördern sie gezielt Arrangements, in denen finanzielle Unterstützung implizit an Sexualkontakte gekoppelt wird.
Juristisch ist entscheidend, wie aktiv die Plattform den Kontakt steuert:
- Nur technische Bereitstellung → keine Strafbarkeit.
- Monetarisierung pro Kontakt, Ranking nach Attraktivität → wirtschaftliche Förderung (§ 181a StGB).
Mit der EU-Plattformarbeitsrichtlinie und dem Digital Services Act (DSA) entstehen erstmals Instrumente, um diese Schnittstellen zu regulieren.
8 Zivilrechtliche Einordnung – Verträge und Rückforderungen
Sugar-Dating-Arrangements sind nichtig, wenn sie auf verbotenen oder sittenwidrigen Leistungen beruhen (§ 134, 138 BGB).
Zuwendungen können über § 812 BGB zurückgefordert werden, wenn kein Rechtsgrund besteht.
Beispiel: Ein „Beziehungsversprechen“ ohne tatsächliche Bindung, verbunden mit erheblichen finanziellen Zuwendungen.
Gleichzeitig sind Rückforderungen ausgeschlossen, wenn beide Parteien bewusst gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen („in pari delicto“).
Die Abgrenzung bleibt daher ein juristisches Risiko – sowohl für Zahler als auch für Empfänger.
9 Gesellschaftliche Bewertung – Moral, Markt, Macht
Sugar-Dating offenbart eine ökonomische Realität:
Romantik wird zur Ware, Nähe zur Dienstleistung, Emotion zum Vertrag.
Das Recht schwankt zwischen liberaler Selbstbestimmung und Schutz paternalistischer Kontrolle.
Christiane Howe (Vorgänge 2015, 60 ff.) beschreibt dieses Spannungsfeld als „Kommerzialisierung von Intimität“.
Das Gesetz schützt die Autonomie – doch wer ökonomisch abhängig ist, handelt selten frei.
Die Regulierung bleibt inkonsequent:
- Das Strafrecht greift zu spät.
- Das Arbeitsrecht schweigt.
- Das Zivilrecht abstrahiert.
- Die Plattformökonomie profitiert.
10 Fazit
Sugar-Dating bewegt sich zwischen Liebesbeziehung und Dienstleistungsvertrag.
Wird Geld oder wirtschaftlicher Vorteil zur Bedingung für Sexualität, liegt Prostitution im Sinne des § 2 ProstSchG vor.
Fehlt der unmittelbare Austausch, bleibt es private Beziehung.
Der Gesetzgeber hat ein Spannungsfeld geschaffen:
Legalität ohne Klarheit, Kontrolle ohne Systematik.
Nur eine spezifische Regulierung der digitalen Intimitätsökonomie kann diese Lücke schließen – mit klarem Arbeitsstatus, transparenten Plattformpflichten und Schutz vor Ausbeutung.
Recht ist nicht die Bremse der Digitalisierung, sondern ihre ethische Architektur.
Fundstellen
- BGBl I 2016, 2372 – Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes und zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen.
- BGH, Beschl. v. 11. 02. 2000 – 3 StR 499/99.
- BFH, Urt. v. 15. 03. 2012 – III R 30/10, HFR 2012, 959 ff.
- BGH, Urt. v. 08. 10. 1986 – 3 StR 320/86.
- BGH, Urt. v. 22. 09. 1982 – 3 StR 300/82.
🩸 Beiträge im Überblick
1️⃣ Digitale Prostitution und Plattformhaftung – rechtliche Grauzonen im Netz
Wie Plattformen rechtliche Verantwortlichkeiten verschieben und wann Moderation zur Beihilfe wird.
2️⃣ AI-Avatare und virtuelle Sexarbeit – zwischen Kunstfreiheit und Pornografiegesetz
Künstliche Identitäten, Deepfakes und die Frage, ob virtuelle Erotik Kunst oder Sexarbeit ist.
3️⃣ OnlyFans, FanCentro & Co. – steuerliche Behandlung digitaler Sexarbeit
Wie Einnahmen aus digitaler Intimität steuerlich einzuordnen sind – von Einkommensteuer bis Umsatzsteuer.
4️⃣ Datenschutz und Intimsphäre – Art. 9 DSGVO als Schutzschild oder Feigenblatt?
Wenn intime Daten zum Geschäftsmodell werden – Grenzen des Datenschutzes in der Sexarbeit.
5️⃣ Digitale Prostitution vs. Love Scamming – Täuschung, Einwilligung und Ausnutzung
Wie emotionale Manipulation ökonomische Abhängigkeit schafft – und wann Strafbarkeit beginnt.
6️⃣ Plattformökonomie und Arbeitsrecht – Scheinselbstständigkeit im Erotiksektor
Selbstständigkeit oder abhängige Beschäftigung? Arbeitsrechtliche Grenzen digitaler Sexarbeit.
7️⃣ Strafrechtliche Verantwortung – von der Förderung zur digitalen Zuhälterei
§ 181a StGB im Zeitalter der Plattformökonomie: Wer trägt strafrechtliche Verantwortung?
8️⃣ Digitale Prostitution im internationalen Kontext – Regulierung in EU, USA, Asien
Rechtsvergleich zwischen Liberalisierung, Plattformverbot und digitaler Überwachung.
9️⃣ Digitale Sexarbeit und Steuerfahndung – Geldwäsche und Krypto-Zahlungen
Wie Finanzbehörden digitale Einnahmen nachvollziehen – und wann der Verdacht auf Geldwäsche entsteht.
🔟 Digitale Prostitution als Schattenmarkt – Kontrollverlust des Staates
Warum bestehende Gesetze an der digitalen Realität scheitern – und welche Reformen nötig sind.
🔹 Cluster II – Sugar-Dating & Sugar-Babe-Prostitution
Juristische Analysen zur rechtlichen Einordnung von Sugar-Arrangements, Datenschutz, Steuerrecht und Strafbarkeit.
Diese Serie untersucht die Grauzone zwischen Beziehung und entgeltlicher Leistung – von emotionaler Abhängigkeit bis Plattformhaftung.
💎 Beiträge im Überblick
1️⃣ Sugar-Daddy-Plattformen und rechtliche Bewertung – Zwischen Beziehung und Bezahlung
Wie digitale Plattformen Beziehungen monetarisieren – und wo das Zivilrecht Grenzen zieht.
2️⃣ Vertrag oder Täuschung? – Zivilrechtliche Einordnung von Sugar-Arrangements
Zwischen Einvernehmen und Irreführung – wann eine Beziehung zur vertraglichen Leistung wird.
3️⃣ Steuerrechtliche Bewertung – Liebesbeziehung oder gewerbliche Tätigkeit?
Wie Finanzämter Sugar-Arrangements einordnen – und welche steuerstrafrechtlichen Risiken bestehen.
4️⃣ Datenschutz und Intimsphäre – Art. 9 DSGVO bei Sugar-Daddy-Daten
Intime Informationen als Risikofaktor – Datenschutzrechtliche Grenzen der Vermittlungsportale.
5️⃣ Täuschung, Abhängigkeit und Nötigung – Strafbarkeit digitaler Sugar-Beziehungen
Wann emotionale und ökonomische Abhängigkeit zur Strafbarkeit führt.
6️⃣ Plattformhaftung und Vermittlungsverantwortung – digitale Zuhälterei 2.0
Grenzen der Betreiberhaftung nach § 181a StGB im digitalen Raum.
7️⃣ Finanzielle Abhängigkeit und emotionale Erpressung – Sugar-Babe als Opferstruktur
Wie Abhängigkeit systematisch entsteht – und welche Rechtsfolgen sie auslöst.
8️⃣ Arbeitsrechtliche Einordnung – Beschäftigung, Selbstständigkeit oder Schutzlücke?
Wann Sugar-Beziehungen arbeitsrechtlich relevant werden – eine Analyse nach § 611a BGB.
9️⃣ Internationale Dimension – Regulierung digitaler Sugar-Dating-Portale
Wie EU und USA unterschiedlich reagieren – und wo Deutschland steht.
🔟 Gesellschaftliche und rechtspolitische Bewertung – Sugar-Dating als Normalisierung digitaler Abhängigkeit
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